Tengelmann-Übernahme durch Edeka: Mit Auflagen erlaubt
Sigmar Gabriel wird die umstrittene Übernahme der angeschlagenen Kette Tengelmann durch Edeka per Ministererlaubnis genehmigen.
Berlin dpa | Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird die umstrittene Übernahme der Supermarktkette Kaiser‘s Tengelmann durch den Handelsriesen Edeka per Ministererlaubnis mit Auflagen billigen. Das erfuhren die Deutsche Presse-Agentur und das Handelsblatt am Dienstag aus Regierungs- sowie Branchenkreisen.
Gabriel widersetzt sich damit der Einschätzung von Kartellamt und Monopolkommission. Gabriel muss aber neben den Auswirkungen auf den Wettbewerb bei einer Ministererlaubnis auch die Einflüsse auf das Gemeinwohl sowie gesamtwirtschaftliche Gründe berücksichtigen.
Laut Handelsblatt wird Gabriel die Sondergenehmigung noch im Januar mit Auflagen genehmigen. In Branchenkreisen werde erwartet, dass diese Bedingungen hart ausfallen. Das Wirtschaftsministerium äußerte sich zunächst nicht. Es kündigte noch für Dienstag ein „Pressestatement Gabriels zum Verfahren Kaiser‘s Tengelmann/Edeka“ an.
Das Bundeskartellamt hatte den Kauf der rund 450 Läden durch Edeka Anfang April aus Wettbewerbsgründen abgelehnt. Um das Veto auszuhebeln, beantragten die Supermarktketten bei Gabriel eine Ministererlaubnis. Auch die Monopolkommission hatte Gabriel in einem Sondergutachten empfohlen, den Antrag abzulehnen. Gegen die Entscheidung des Ministers kann geklagt werden. Damit ist offen, ob die seit Monaten andauernde Hängepartie nun beendet ist.
Edeka hatte zuletzt argumentiert, die gesamtwirtschaftlichen Vorteile würden bei einer Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann deutlich überwiegen. Nur mit der Komplettübernahme durch Edeka sei der Erhalt der mehr als 16.000 Arbeitsplätze bei der angeschlagenen Kette Tengelmann sicher. Edeka-Konkurrenten wie die Rewe-Gruppe hatten dies bezweifelt und warnten vor einer Sondererlaubnis für die umstrittene Fusion durch Gabriel.
Eine solche Sondererlaubnis ist möglich, wenn die gesamtwirtschaftlichen Vorteile nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums deutlich schwerer wiegen als rein wettbewerbsrechtliche Kritikpunkte.
Nach Angaben der Bundesregierung gab es vor der geplanten Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka bislang 21 solche Fälle. Achtmal wurde dabei die Ministererlaubnis erteilt (teils mit Auflagen), sechsmal sagte ein Minister Nein, in sieben Fällen zogen die Unternehmen ihren Antrag zurück.
Leser*innenkommentare
Daniel Markus
Wenn der Herr Wirtschaftsminister mal in eine mikroökonomische Einführung in die Volkswirtschaftslehre geschaut oder einen seiner Berater gefragt hätte - dann hätte man ihm erklärt, dass :
c.p. ein Monopol zu einem erhöhten (markträumenden Gleichgewichtspreis) führt. D.h. die Nachfrager erhalten weniger Ware Dienstleistung zum alten Preis (vor der Fusion) oder die gleiche Warenmenge zu einem höheren Preis.
In der konkreten Situation auf dem schon jetzt stark oligopolistisch verfassten Lebensmittelmarkt in der Bundesrepublik bedeutet eine Fusion zweier wichtiger Anbieter deshalb:
1. Schließung von Filialen
2. Reduzierung des Personals
3. Senkung der Löhne für Mitarbeiter bzw. Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
4. Erhöhter Preisdruck auf Zulieferer
und dadurch:
höhere Gewinne für die Anteilseigner von EDE-TENGEL.
Das nenne ich erfolgreiche sozialdemokratische Wirtschaftspolitik.
Sean David
Die Sache ist eigentlich einfach. Wir, die Verbraucher, können selbst entscheiden wo wir unsere Einkäufe machen. Niemand zwingt uns in eine Filiale der "großen Konzerne" zu gehen. Solange wir jedoch der Geiz-ist-Geil-Mentalität huldigen und alles so günstig wie möglich, am besten umsonst haben wollen, wird sich nichts ändern. Waren und Dienstleistungen haben ihren Preis.
Meiner Meinung nach wird das gleiche passieren wie vor wenigen Jahren mit Schlecker und Ihr Platz.
Dort, wo, wenn die Schonfrist abgelaufen ist, Kaiser's Filialen schließen, wird sich nichts ändern. Es werden auch keine neuen Märkte dort einziehen. Arbeitsplätze wird die Fusion so oder so kosten, nicht zuletzt auch deswegen weil im Einzelhandel der Trend mehr in Richtung Automatisierung geht.
86548 (Profil gelöscht)
Gast
Noch mehr Macht in den Händen der großen Konzerne. Die Arbeitsplätze werden einige Jahre erhalten und dann abgebaut. Danke Herr Gabriel für Ihren ökonomischen Sachverstand.
tom007
Genau so ist es.
Es wird immer argumentiert, daß die Arbeitsplätze wichtig(er) sind, aber das Gegenteil ist der Fall. Durch die weitere Konzentration werden Arbeitsplätze abgebaut.
Im Falle einer Nichterlaubnis wäre vielleicht Tengelmann pleite gegangen. Die Arbeitsplätze wären dann nicht weg gewesen, sie wären nur bei Tengelmann weg gewesen. Statt dessen hätten andere Läden aufgemacht/die Kunden übernommen und die Arbeitsplätze insgesamt wären dadurch nicht weniger geworden.
Da nun die Marktmacht von EDEKA noch größer wird ist die Wahrscheinlichkeit, daß dadurch in der gesamten Handelskette Arbeitsplätze zum Opfer fallen, deutlich gestiegen - ein ganz normales Phänomen bei Strukturwandel.
Ich wundere mich, wie platt solche Deals immer verargumentiert werden und wie unkritisch die Argumente in der Presse weitergetragen werden, selbst in der taz.
Es ist nicht andere Gründe versus Arbeitsplätze - es gibt überhaupt keine gesamtwirtschaftlichen Gründe für solche Fusionen - nur das Machtinteresse von EDEKA und die Shownummer von Gabriel "ich bin ein Arbeitsplatzretter" - de facto Vernichter.
Tom Farmer
Wieder einmal will ein Politiker "Wirtschaft" machen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Politiker glaubt mehr zu wissen als in der Wirtschaft erfahrene Leute; selbst wenn es ein Bundesamt ist (Kartellamt).
Die Nachteile werden überwiegen, egal ob Holzmann Rettung oder Opel-Rettung oder Nokia oder..... jetzt Edeka.
Sie können es nicht; warum nicht mal nix machen ?
64984 (Profil gelöscht)
Gast
Einmal mehr handelt Gabriel im Sinne von Großunternehmen und nicht des Gemeinwohls.
Wenn er Arbeitsplätze retten will, so könnte er sich mal darüber Gedanken machen, wie man die Logik durchbricht, dass größere Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber kleinen haben und deshalb die kleineren auf Dauer fast zwangsläufig sterben oder aufgekauft werden.
Und er könnte mal was dagegen machen, dass immer größere Einkaufsorganisationen immer größeren Druck auf Produzenten (z.B. Milchbauern) ausüben können und damit den Preis unter die Erzeugungskosten drücken kann. Mit der Folge, dass dort zigtausend Arbeitsplätze verloren gehen. Aber wenn sich Produzenten zusammentun wollen, um besser verhandeln zu können, dann verbietet dies das Kartellrecht.
Gabriel sollte sich mal Gedanken machen, wie er kleinen Unternehmen Vorteile verschaffen kann gegenüber Großunternehmen. Denn kleine Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Aber Gabriel hat ja vor allem ein Herz für Großunternehmen. Vermutlich, weil er mit deren Managern überdurchschnittlich häufig spricht.
Grefe Hans-Ulrich
Der Wahnsinn geht weiter. Solange der Herr Gabriel das Sagen hat, wird sich nichts ändern.
Hans_ulrich Grefe