Tempo 30 in der City: Langsam fahren – oder gar nicht
Der Modellversuch von Verkehrssenatorin Regine Günther wird nicht einmal vom ADAC verurteilt. Warum aber soll Tempo 30 auch für Busse gelten?
Selbst der ADAC war schon bissiger. Vor Aktionismus pflegte die organisierte Autofahrerlobby zu warnen, wenn es darum geht, neue Teststrecken für Tempo 30 in Berlin in Betrieb zu nehmen. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte der ADAC einen Verkehrskollaps an die Wand gemalt. Das haben nun CDU, FDP und AfD übernommen. Offenbar ist der ADAC inzwischen weniger realitätsfremd als die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus.
Seit Ostermontag wissen wir, dass ab 9. April 1,2 Kilometer der Leipziger Straße für den Autoverkehr verlangsamt werden. Ein Jahr lang soll untersucht werden, wie sich die Reduzierung auf Tempo 30 auf die Stickoxidbelastung auswirkt. Vier weitere Straßenabschnitte werden spätestens ab Ende Juli gedrosselt. Das hat Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) bekannt gegeben.
Dass der ADAC bis Ostermontag keine Pressemitteilung auf seine Seite gestellt hat, liegt bestimmt nicht nur an den Feiertagen. Denn noch schlimmer als Tempo 30 wäre für viele Autofahrerinnen und Autofahrer ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Erst recht, seitdem die EU-Kommission mitgeteilt hat, gegen Länder, in denen die Stickoxidhöchstgrenzen überschritten werden, Strafen zu verhängen. Deutschland ist unter diesen Ländern. Langsam fahren oder gar nicht, heißt deshalb die Devise von Regine Günther. Der ADAC hat sie sich offenbar zu eigen gemacht.
Nicht einleuchtend ist freilich, warum die Regelung auch für Busse gelten soll. Gerade eine Temporeduzierung bei Pkw wäre dort, für wo es Busspuren gibt, geeignet, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern. Und nichts könnte attraktiver sein als ein Bus, der schneller am Ziel ist als ein Auto.
Auch ob die Verkehrslenkung Berlin in der Lage ist, die versprochenen intelligenten Ampelschaltungen zu entwickeln, darf getrost bezweifelt werden. Im Umsetzen von komplexen Maßnahmen hat Berlin bekanntlich immer etwas Luft nach oben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt