Teilerfolg für ZDF-Redakteurin: Wissen, was der Kollege verdient
Eine ZDF-Mitarbeiterin will wissen, was ihre männlichen Kollegen verdienen. Das Bundesarbeitsgericht sagt, dass auch „feste Freie“ das erfahren dürfen.
Birte Meier arbeitete seit 2007 für das ZDF-Magazin Frontal 21. Ihre Recherchen wurden bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Sie gilt zwar als „Redakteurin“, ist aber nicht fest angestellt, sondern hat den Status einer arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiterin, wie es sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Tausenden gibt. Oft werden sie auch “feste Freie“ genannt.
Seit 2015 klagt Meier gegen das ZDF auf gleiche Bezahlung. Sie wisse von männlichen Kollegen, die bei vergleichbarem Status und vergleichbarer Arbeit besser verdienten als sie.
Das Arbeitsgericht Berlin und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg lehnten ihre Klage ab. Sie habe keine ausreichenden Indizien für eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts vorgetragen, so das LAG im Februar 2019, deshalb habe sie keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung. An diesem Punkt hat das LAG keine Revision zugelassen, insoweit ist das LAG-Urteil also rechtskräftig.
Umkehr der Beweislast
Hiergegen hat Birte Meier mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das LAG hätte den Fall zumindest dem EuGH vorlegen müssen. Nach dessen Rechtsprechung entstehe eine „Beweislastumkehr“, wenn nur ein Mann präsentiert wird, der bei vergleichbarer Arbeit mehr verdient. Über die Verfassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden.
Vor dem LAG Berlin-Brandenburg berief sich Meier auch auf das erst 2018 eingeführte Entgelttransparenzgesetz. Beschäftigte können bei Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten inzwischen erfahren, wie die Vergütungen festgelegt werden – und wie viel die Mitarbeiter des jeweils anderen Geschlechts für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit bekommen.
Das LAG lehnte allerdings auch diesen Anspruch ab. Das Entgelttransparenzgesetz gelte nur für Arbeitnehmer, also Festangestellte, und nicht für freie Mitarbeiter, die selbständig seien. Immerhin ließ das LAG in dieser Frage die Revision zu.
Über die Revision von Meier entschied nun an diesem Donnerstag das Bundesarbeitsgericht. Es entschied, dass das Entgelttransparenzgesetz auch für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter gilt. Das Gesetz sei europarechtskonform auszulegen. Die EU-Richtlinie zur Gleichstellung von Männern und Frauen von 2006 verwende den Begriff „Arbeitnehmer“ in einem weiten Sinne, argumentierte die Vorsitzende BAG-Richterin Anja Schlewing.
Zurück ans Landesarbeitsgericht
Das BAG stellte zugleich fest, dass Birte Meier einen Auskunftsanspruch über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung beim ZDF hat. Hier muss das ZDF nun also erklären, welche Kriterien (z.B. Studienabschlüsse, Beschäftigungsdauer, Qualität der Arbeit) bei der Festlegung der Vergütungen wie bewertet werden. (Az.: 8 AZR 145/19)
Offen ist noch, ob Meier auch Anspruch auf Auskunft über die mittleren Entgelte für die männlichen Kollegen hat. Dies muss nun wieder das LAG Berlin-Brandenburg prüfen. Der Anspruch besteht nämlich nur unter bestimmten Bedingungen: zum Beispiel, dass es mindestens sechs männliche Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit gibt.
Inzwischen hat sich allerdings die berufliche Situation von Birte Meier zugespitzt. Sie muss die in Berlin angesiedelte Redaktion Frontal 21 verlassen und künftig wohl in Mainz arbeiten. Die GFF-Vorsitzende Nora Markard spricht von „Schikane“.
Ein ZDF-Sprecher erklärte auf Nachfrage: „Frau Meier hat einen Vertrag als Redakteurin mit dem ZDF am Einsatzort Mainz. Der Einsatz in ihrer bisherigen Redaktion war nur befristet vereinbart.“ Für die Zeit ab 1. Juli habe das ZDF ihr eine Tätigkeit in der investigativen Doku-Redaktion „ZDFzoom“ angeboten. Dieses Angebot habe Birte Meier nicht angenommen. Das ZDF werde ihr daher Aufträge im Programmbereich „Info, Gesellschaft, und Leben“ anbieten. Die Möglichkeit, für die profilierte Redaktion „Zoom“ zu arbeiten, sei keine Schikane, so das ZDF.
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