Teich-Tüv muss ran: Jeder Tümpel ein Risiko

Lauenburg und Lütau lassen ihre Gewässer vom TÜV begutachten. Ziel ist es, eine Haftung auszuschließen, falls darin jemand ertrinkt.

Im Vordergrund Stacheldraht, im Hintergrund verschwommen ein See

Es müsste nicht unbedingt Stacheldraht sein: Sicherung eines Sees Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

HAMBURG taz | Wann ist ein Teich so gefährlich, dass er besonders gesichert werden muss – vom simplen Schild bis hin zum Zaun? Diese Frage lassen die schleswig-holsteinische Stadt Lauenburg und das mit ihr gemeinsam verwaltete Amt Lütau jetzt vom TÜV-Nord klären. Hintergrund ist ein Fall aus Hessen, wo drei Kinder in einem Dorfteich ertranken und der ehrenamtliche Bürgermeister dafür haftbar gemacht wurde.

Im hessischen Seigertshausen waren im Sommer 2016 drei unbeaufsichtigte Kinder einer Familie ums Leben gekommen. Eines von ihnen konnte schwimmen, ein zweites ein wenig, das Dritte gar nicht. Wie das Amtsgericht Schwalmstadt 2020 feststellte, ertranken sie, weil die nächst gelegene Uferböschung so steil und glitschig war, dass sie sich nicht herausziehen konnten.

Das Gericht verurteilte den Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung. Die Strafe von 120 Tagessätzen à 100 Euro setzte es zu Bewährung aus. Aus Sicht des Gerichts hätte der Bürgermeister erkennen müssen, dass die steile Pflasterung der Böschung eine besondere Gefahr darstellte. Ein Schild aufzustellen mit der Aufschrift „Teichanlage – Betreten auf eigene Gefahr – Eltern haften für ihre Kinder“ habe nicht gereicht.

„Das fanden wir schon sehr bemerkenswert“, sagt Christian Asboe vom Lauenburger Stadtentwicklungsamt mit Blick auf das Urteil. Damit es den zehn ehrenamtlichen Bürgermeistern des Amtes Lütau nicht eines Tages genauso ergeht, will die Verwaltung jetzt vorsorgen.

Gutachten für jeden Teich

Nach Auskunft Asboes hat sie für jeden der Teiche, von denen es in jedem Dorf mindestens einen gebe, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Kostenpunkt: jeweils rund 1.200 Euro. Am Ende sollen Empfehlungen stehen, ob und wie die Teiche gesichert werden sollten.

Die Lauenburger Verwaltung habe sich ein Vorbild an der Stadt Bargteheide genommen, die bereits mit dem TÜV zusammenarbeite. Besondere Gutachten seien notwendig, weil es für einfache Dorfteiche keine DIN-Normen gebe, wie sie zu sichern seien – in Gegensatz zu etwa Feuerlöschteichen oder Regenwasserrückhaltebecken. „Die sind alle eingezäunt“, sagt Asboe.

Der TÜV-Nord konnte auf Fragen der taz zu der Teich-Prüfung vor Redaktionsschluss nicht antworten. Hinweise darauf, wann Amtsträger haften müssen, was Teiche besonders gefährlich macht und wie dem begegnet werden könnte, finden sich jedoch in dem Urteil des Amtsgerichts Schwalmstadt:

Grundsätzlich, stellte die Richterin fest, falle es „unter das ‚allgemeine Lebensrisiko‘, sich einem natürlichen Gewässer zu nähern“. Allerdings sei der Teich verändert worden – unter anderem durch die Befestigung des Westufers im 45-Grad-Winkel mit Pflastersteinen. So etwas komme in natürlichen Gewässern nicht vor.

Durch Nässe und Verschlammung sei diese Böschung so rutschig gewesen, dass selbst ein erwachsener Schwimmer den Teich an dieser Stellte nicht hätte verlassen können. Ein Kind habe sich bei dem erfolglosen Versuch, den Teich an dieser Stelle zu verlassen leicht an den Fingernägeln verletzt.

Der Bürgermeister habe überdies damit rechnen müssen, dass Kinder an dem Teich spielen. Dieser diene seit Generationen als Schwimmteich und sei per se für Kinder anziehend. Dazu komme, dass die Gemeinde das Teichgelände durch einen Beachvolleyball-Anlage, eine Grillhütte und eine Toilette als Freizeitgelände attraktiv gemacht habe.

Was also hätte die Gemeinde tun müssen? Sie hätte ein Schild mit einer ertrinkenden Person aufstellen können, wie sie es nach dem Unfall tat, fand die Richterin. Des Weiteren schlug sie Rettungsleinen, Ausstiegshilfen wie Griffe und Schwimmelemente vor, Unterwassergitter oder die Wassertiefe zu verringern. Im Übrigen sei der Bürgermeister gehalten gewesen, „sich in Zweifelsfällen fachkundiger Unterstützung zu bedienen“. Das tun die Lauenburger jetzt.

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