Taxonomie in der EU: Öko-Label für Gas und Atom

Das Europaparlament hat trotz großen Widerstands das Ökosiegel für Gas und Atomenergie beschlossen. 278 Abgeordnete haben gegen die Taxonomie gestimmt.

Menschen mit gelben Tonnen und grünem Rauch

Protest gegen das Greenwashing der EU im Januar in Straßburg Foto: J. Rettig/AdoraPress

STRAßBURG reuters/ap/afp/dpa/reuters | Das Europäische Parlament hat den Weg freigemacht, Investitionen in Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen. Damit dürften die sogenannten Taxonomie-Regeln für den Finanzmarkt ab 2023 greifen. Nur ein Veto von 20 der 27 EU-Mitgliedsstaaten könnte das noch verhindern, was allerdings als sehr unwahrscheinlich gilt.

Von den anwesenden 639 Abgeordneten stimmten am Mittwoch 278 dafür, das Vorhaben zu blockieren. 328 wollten dies nicht, 33 enthielten sich. Für ein Veto des Parlaments wäre eine Mehrheit von 353 Stimmen der insgesamt 705 Abgeordneten nötig gewesen.

Frankreich ist die treibende Kraft hinter den umstrittenen Plänen, Atomkraft ein Öko-Label zu verleihen. Die dort vorherrschende Energieform produziert zwar keine klimaschädlichen CO2-Emissionen, dafür aber radioaktiven Abfall. Gas wird zudem von einigen EU-Ländern wie Polen als das kleinere Übel im Vergleich zu der noch klimaschädlicheren Kohle angesehen.

Die Taxonomie ist eine Liste von Aktivitäten, die Investoren in der EU als grün vermarkten können. Mit dem Öko-Label sollen Investitionen am Finanzmarkt gezielt in nachhaltige Technologien und Energiequellen fließen. Ein Teil der Regeln für weniger umstrittene Bereiche ist bereits dieses Jahr in Kraft getreten, dabei geht es unter anderem um Elektroautos und die Renovierung von Gebäuden.

🐾 Über die Hintergründe haben taz-EU-Korrespondent Eric Bonse und taz-Redakteur für Wirtschaft und Umwelt Bernhard Pötter in den letzten Wochen berichtet.

Bisher nur Öko-Energien wie Wind und Sonnenkraft

Die EU-Kommission hatte Anfang Februar ihre Pläne vorgestellt, die beiden Energieformen Atom und Gas in die sogenannte Taxonomie-Verordnung aufzunehmen. Die seit 2020 geltende Taxonomie umfasst bisher Öko-Energien wie Wind und Sonnenkraft und soll ein europäisches Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte schaffen. Der Schritt käme also einer offiziellen Empfehlung für private Investitionen in Atom- und Gasprojekte gleich.

Die Mehrheit der Grünen, Sozialdemokraten und der Linksfraktion im EU-Parlament hatte vorher angekündigt, gegen die Aufnahme von Atom und Gas in die Taxonomie zu stimmen. Die konservative EVP-Fraktion, zu der die deutschen CDU- und CSU-Abgeordneten gehören, war gespalten.

Greenpeace kündigte am Mittwoch nach der Abstimmung an, rechtliche Schritte gegen die Kommission einzuleiten. Umweltschüzer werfen der EU-Kommission „Greenwashing“ vor.

Dem Kommissionsvorschlag zufolge könnten etwa bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke unter die Taxonomieverordnung fallen. Mit Hilfe dieser Verordnung will die EU ihren „Green Deal“ umsetzen und bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Jährlich werden dafür nach Angaben der EU-Kommission 350 Milliarden Euro benötigt. Die Taxonomie soll dabei helfen, private Gelder für die Klimaziele zu mobilisieren.

Nun können noch die EU-Mitgliedstaaten bis zum 11. Juli widersprechen.

Bundesregierung will nicht gegen Taxonomie klagen

Die Bundesregierung will nicht gegen den Beschluss der EU klagen, sowohl Gas als auch Atomkraft in der sogenannten Taxonomie als nachhaltig einzustufen. „Wir halten die Erhebung einer Klage nicht für einen geeigneten Weg“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin.

„Ungeachtet des Abstimmungsergebnisses bleibt die Bundesgierung bei ihrer Position und betrachtet Kernenergie als nicht nachhaltig“, sagte Hebestreit. Sie habe dies Position auch mit Nachdruck gegenüber der EU-Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten vertreten. Man sei aber dennoch der Auffassung, dass die Taxonomie ein wichtiges Instrument für die Klimaschutzziele sei. „Erdgas ist für uns ein wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur CO2-Neutralität.“ Die Aufnahme von Erdgas trage dem Rechnung.

Österreich will gegen grünes EU-Label klagen

Österreich will gegen die Entscheidung des Europaparlaments klagen, Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen. Dies bekräftigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Mittwoch, nachdem das Europaparlament für ein grünes Label für diese Energieformen gestimmt hatte.

Österreich werde eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen, sobald dieses „Greenwashing-Programm“ in Kraft trete, sagte die Ministerin der Grünen. Luxemburg habe zugesagt, die Klage zu unterstützen. Österreich werde die kommenden Monate nutzen, um dafür weitere Verbündete zu gewinnen.

Die Entscheidung zur sogenannten Taxonomie-Verordnung werde den europäischen Bemühungen für eine gute und klimafreundliche Zukunft nicht gerecht, sagte Gewessler: „Sie ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos.

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