Tausende Arbeiter versteckt in Tunneln: Polizei belagert Goldminen in Südafrika
Aus Angst vor Verhaftung harren seit mehreren Wochen bis zu 4.000 Goldsucher in Tunnelsystemen in der Kleinstadt Stilfontein aus. Nun rücken Polizei und Armee an.
Südafrikas Regierung ist entschlossen, gegen den illegalen Abbau von Mineralien vorzugehen, und wendet dabei drastische Mittel an. „Wir werden sie ausräuchern“, hatte die Ministerin im Präsidialamt, Khumbudzo Ntshavheni, am Mittwoch noch gegenüber lokalen Medien gesagt. Auch der Name der Militär- und Polizeioperation, „Vala Umgodi“ (zu Deutsch: Schließt das Loch), spricht Bände.
Südafrikas verlassene Minen sind vielerorts in der Hand von durchorganisierten Syndikaten. Im November 2023 gab Präsident Cyril Ramaphosa daher grünes Licht für eine Militäroperation und stellte 3.300 Soldaten dafür ab. Die organisierte Kriminalität aber würde man mit dem Vorgehen nicht ausheben, sagt David van Wyk von der Nichtregierungsorganisation Bench Marks Foundation. Stattdessen treffe es die Ärmsten der Armen: „Es ist eine Tragödie, die sich dort abspielt.“
Der steigende Goldpreis zieht Arbeiter in den Untergrund
Die Mehrheit der Arbeiter, die in den Minen unter lebensgefährlichen Bedingungen von Hand Gold abbauen, seien Menschen, die im Zuge des Rückgangs der Bergbauaktivitäten in Südafrika ihre Arbeit verloren hätten. Mit rund 43 Prozent ist Südafrikas Arbeitslosenquote enorm hoch. In Kombination mit dem aktuellen Anstieg des Goldpreises habe es zuletzt verstärkt „zama zamas“, wie die Kleinbergarbeiter auch genannt werden, in den Untergrund gezogen, sagt David van Wyk.
Nach Protesten, der Bergung eines toten Minenarbeiters und scharfer Kritik durften Anwohner*innen schließlich einige Lebensmittel und Wasser zu den Arbeitern unter Tage bringen. Mehr als zwei Kilometer führt der Einstieg in den „Margaret Shaft“ senkrecht nach unten. Zuvor hieß es, die Polizei habe Teile der Konstruktion demontiert, die den Ein- und Ausstieg ermöglicht. Auch wird befürchtet, dass die Minenarbeiter zu schwach sein könnten, um aus eigener Kraft an die Oberfläche zu gelangen. Ob in den Tiefen gefangen oder freiwillig unten: Die Lage in der südafrikanischen Kleinstadt spitzt sich weiter zu.
Allein in der Provinz Gauteng schätzt die Bench Marks Foundation die Zahl der illegalen Arbeiter unter Tage auf 36.000. Es ist das Resultat einer Ära, in der internationale Konzerne südafrikanischen Boden lukrativ ausbeuteten und im Anschluss die erschöpften Minen sowie ihre Arbeiter zurückließen. 1988 waren allein in den Goldminen 488.000 Bergarbeiter angestellt. Heute sind es nach Angaben von Saftu lediglich 93.000. Trotzdem sich das Ende von Südafrikas Goldrausch lange angekündigt hatte, wurden keine alternativen Industrien aufgebaut.
Vor allem in sozialen Medien erhält das drastische Vorgehen gegen die Syndikate viel Zuspruch. Die Menschen seien müde von der grassierenden Kriminalität, noch dazu habe es in den vergangenen Monaten wieder einen Anstieg von Ausländerfeindlichkeit gegeben, sagt Wissenschaftler Dale McKinley von der International Labour Research And Information Group (Ilrig). „Viele Arbeiter stammen aus Simbabwe, Lesotho, Eswatini und Mosambik. Sie werden zu Sündenböcken für die Kriminalität und die schlechte wirtschaftliche Lage gemacht.“ Es handele sich um populistische Politik, um den Anschein zu erwecken, dass etwas gegen die Kriminalität getan werde, sagt McKinley.
Allein in den vergangenen Wochen sind 1.000 Bergarbeiter festgenommen worden, so die Polizei am Freitag. Man sei entschlossen, sich „weiterhin für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung“ einzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?