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Tatort aus KielVon der Vergangenheit eingeholt

Kommissar Klaus Borowski bekommt es diesmal mit einem Fall aus der eigenen Jugend zu tun. Und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht.

Vater und Sohn: August Millberg, Sohn von Axel, spielt die Jugendversion des Kommissar Foto: Christine Schroeder/NDR

Ach, der deutsche Wald. Der spielt eine tragende Rolle im neuen „Tatort“ aus Kiel, dem nun schon 37. Fall für Kommissar Klaus Borowski. Der ist seit 2002 im Dienst und wird jetzt von seiner Vergangenheit eingeholt. Aber so richtig heftig: Eine riesige Eiche liegt im Wald nach einem Sturm entwurzelt da und gibt ein lang gehütetes Verbrechen preis. Ein skelettierter Leichnam kommt zum Vorschein. Kein schöner Anblick.

In dieser Eingangssequenz begegnen wir kurz einem älteren Herrn mit Dackel auf einem Waldspaziergang, er heißt Michael Mertins (von Stefan Kurt hübsch verklemmt gespielt), der allzu auffällig in Szene gesetzt ist. Wenn der mal nichts mit der Leiche zu tun hat, denkt man sich – und wird flugs abgelenkt und in ein anderes Jahrzehnt gebeamt.

Der Krimi

Kiel-„Tatort“: „Borowski und der Schatten des Mondes“, So., 20.15 Uhr, ARD

Zwei junge Leute wollen zu einem Musikfestival am Strand, Jimi Hendrix spielt auf – love and peace! Susanne Hansen (Mina Rueffer) und Klaus Borowski freuen sich auf ein ausgeflipptes Wochenende. Aber Moment mal, Klaus Borowski? Ja, genau der, also der spätere Kommissar. Nur dass er hier, 1972, gerade mal 14 Jahre alt ist. Gespielt wird er von August Milberg, dem Sohn von Axel Milberg.

Die Jugendlichen wollen trampen, damals gängig, heute eher aus der Mode gekommen. Doch sie streiten, es regnet, und keiner hält an, um sie mitzunehmen. Klaus will umkehren, ruft zu Hause an, das Kleingeld fällt runter: In dem Moment steigt Susanne in ein Auto ein. Und weg ist sie. Für immer.

Die Überreste 50 Jahre später

Rund 50 Jahre später realisiert Kommissar Borowski schnell, dass es sich bei der skelettierten Leiche um die Überreste von Susanne handelt. Eigentlich ist er damit raus aus dem Fall, weil zu befangen. Aber Borowski ermittelt weiter, quasi im Alleingang. Damals wurde der junge Borowski als Zeuge befragt, die Akten geben Auskunft darüber. Doch dass alles eine Frage der Wahrnehmung ist, wird dem alten Klaus im Laufe der heutigen Ermittlungen schmerzhaft bewusst. Auch und gerade, als eine weitere Zeugin auftaucht, die sich an ein anderes Fahrzeug erinnert, in das Susanne eingestiegen sein soll – in das Auto eines Serienmörders.

Zu sehen, wie Borowski langsam, aber sicher erkennt, dass er einer falschen Spur aufgesessen ist, wie sich Fall und Auflösung (auf zwei Zeitebenen) entwickeln, ist sehr spannend, schlüssig, hoch emotional und vor allem bildgewaltig inszeniert (Kamera: Philipp Kirsamer). Ach, da dürfen gerne noch ein paar mehr Krimis aus dem schönen Kiel kommen.

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1 Kommentar

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  • Die überschwenglich positive Rezension des Tatorts aus Kiel können wir nicht nachvollziehen. Die Ausgangsidee der Bewältigung eines Jugendtraumas ist OK, auch deren Ableitung in die Gegenwart. Zur Nebensache gerät, dass im Tatort ein Serienmord aufzuklären ist, ein Serienmörder, der Frauen mit Waffen jagt, um seinen eigenen Alpdruck eines ihn roh unterdrückenden Vaters auf Kosten seiner unbewaffneten weiblichen Opfer niederträchtigst und brutal zu kompensieren.



    Beim Lesen der taz-Rezension fällt auf, dass das Wort "Frau" nicht auftaucht, nicht ein einziges Mal verwendet wird, der Frauenserienmord sozusagen tazmäßig(?) weggegendert wird. Auch dass das Leid der weiblichen Opfer mehrfach - einmal sogar in einer völlig unnötigen Doppelung der Großaufnahme des Tötungsmoments eines 14jähigen wehrlosen Mädchens - nur männlich-schaulustig dazu dient, mehr Nervenkitzel in den Zuschauern (!) zu wecken, stört den Rezensenten wenig.



    Die angeblich hoch emotionale Spannung gerät in der Schlussequenz zum absichtlich gedehnten Horror, als es lediglich um männlich-schaulustige Befriedigung, aber nicht um "supense" geht, also der gesteigerten Erwartung dessen was kommen könnte. Zu sehen ist ein Frauenserienmörder, der ein neues weibliches Opfer betatscht, in den Unterarmwürgegriff nimmt und viele Sekunden zu Erwürgen versucht, während der Kommissar verpeilt durch den Wald stolpert. Wir wünschen uns zukünftig sensiblere Fernsehempfehlungen und Kritiker und der in die Jahre gekommenen Kieler Tatort-Figur Borowski eine möglichst baldige Tatortschlusssequenz.