„Tatort“ aus Göttingen: Ist das Rassismus oder Engagement?
Im Göttinger „Tatort“ werden Frauen vergewaltigt, dann wird eine tote Joggerin gefunden. Angeblich soll ein Geflüchteter der Mörder sein.
Mit einer geballten Ladung Frauenhass den Sonntagabend ausklingen lassen. Möglich macht es der Göttinger Tatort mit dem leicht unterkühlten Ermittlerinnenduo Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anais Schmitz (Florence Kasumba). Ein Serientriebtäter mit einem antiken Dolch geht in der beschaulichen Stadt um, sein Ziel sind arglose Frauen, die er vergewaltigen kann.
Seine Vorgehensweise verschafft ihm den reißerischen Namen „Der Wikinger“. Bis dato hat er noch nicht gemordet, doch das scheint sich zu ändern, als ein ältlicher Wandersmann bei der Suche nach einem schönen Notdurftplatz im Wald eine tote Joggerin findet. Den Täter will er auch gesehen haben, ein Flüchtling soll es gewesen sein. Das passt nicht so recht ins Bild des Wikingers, dessen Opfer ihn eher als europäischen Typus erkannt haben wollen.
Nun beginnt ein interessantes Zusammenspiel der beiden Kommissarinnen, wobei sich die Frage stellt: Wie weit darf man für die Ermittlungen gehen? Ab wann ist ein polizeiliches Vorgehen rassistisch? Als Lindholm dem DNA-Analysten Nick Schmitz (Daniel Donskoy) den inoffiziellen Auftrag gibt, die am Tatort gefundene DNA nach Amsterdam zu schicken, um dort eine (in Deutschland verbotene) erweiterte Herkunftsanalyse des Erbgutes vom Täter machen zu lassen, stößt dies bei ihrer Kollegin auf wenig Gegenliebe.
Beide Frauen vertreten dabei nachvollziehbare Standpunkte; immerhin fand in unmittelbarer Nähe des Tatorts ein Dauerfußballspiel mit geflüchteten Menschen statt, und natürlich müsse man dort auch ermitteln. Zudem engagierte sich die getötete junge Frau ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, gab Deutschunterricht in der WG-Küche und war mit etlichen der Fußballspieler gut bekannt. Wie ihre Mitbewohnerin später in der Befragung erwähnt, waren diese Deutschstunden auch nicht nur von eitel Sonnenschein geprägt, denn „jede Kultur bringt ihre eigenen Arschlöcher hervor“.
Göttingen-„Tatort“: „Die Rache an der Welt“, So., 20.15 Uhr, ARD und in der ARD-Mediathek
So zum Beispiel auch die äußerst engagierte, dabei aber auch recht übergriffige Familie Kaul (Michaela Hanser und Jogi Kaiser), die etliche geflüchtete Menschen bei sich aufnahm und sich ihren vermeintlichen Humanismus mit Schauergeschichten aus Syrien und „Flüchtlingsfolklore“ fürs eigene Ego gut ausgleichen ließ. Viele Interessen prallen hier aufeinander, und nur die wenigsten sind gut oder tatsächlich uneitel. Richtig schön ist die Welt in Göttingen nicht!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball