„Tatort“ Franken: Zerrüttete Familie
Kommissar Felix Voss begibt sich auf die Spuren seiner Vergangenheit. Dabei gerät er in kirchliche Kreise. Heraus kommt ein gelungener Krimi.
Wie gequält Fabian Hinrichs gucken kann, da muss man direkt mitleiden. In dem neuen „Tatort“ aus Franken, nun schon der neunte seit 2015, spielt Hinrichs den sensiblen Kriminalhauptkommissar Felix Voss und diesmal reisen wir mit ihm in seine Vergangenheit.
Es geht mysteriös los. Voss wird nach Jahren absoluter Funkstille von seinem alten Freund Marcus angerufen, der zu seiner Überraschung inzwischen Pfarrer ist und zu einer Sonntagspredigt einlädt. Es würde um Antonia gehen, von allen nur Toni genannt – einer gemeinsamen Freundin von einst.
Also fährt Voss über Land und ist irritiert, denn Toni ist gar nicht da. Nachfragen bringen nichts. Dafür übermannen Voss die Erinnerungen von einst, wir sind in Rückblenden voller glücklicher Momente auf Partys oder am See dabei: Alles klar, Toni war seine große Liebe zu Studienzeiten in Berlin. Zusammen mit Marcus bildeten sie ein eingeschworenes Trio.
Doch zur Predigt kommt es nicht. Marcus wird tot aufgefunden. Alles sieht nach Raubmord aus, es wurden zwei vergoldete Kreuze gestohlen, auch der Laptop fehlt. In der Kirche hatte Marcus, eher ungewöhnlich für einen Gottesdienst, Beamer und Leinwand aufgebaut. Er wollte etwas über Toni enthüllen. Nur was bloß? Voss erfährt nun, dass Toni seit zwei Jahren tot ist. Er besucht ihr Grab auf der Nordseite des Friedhofs, also da, wo jene liegen, die Suizid begangen haben … Voss ist wie vor den Kopf geschlagen (später ist das auch wörtlich zu nehmen), nimmt aber die Ermittlungen auf, außerhalb der Zuständigkeit.
„Hochamt für Toni“,
So., 20.15 Uhr, ARD; 21.45 Uhr, ONE
So weit erwartbar
Die Familie – sie war zu Marcus’ Predigt geladen – blockt ab, so weit erwartbar. Tonis Vater, der Chef des Familienbetriebs, ein wichtiger Zulieferer der Autoindustrie, ist ein Tyrann. Die Mutter, krank und elegisch, hat nichts zu melden. Die beiden Brüder parieren, die Tochter Eva ebenso, aber sie spielt eh keine große Rolle im Familiengefüge – weil sie eine Frau ist. Und das war am Ende auch Tonis Problem, aber mehr soll hier nicht verraten werden.
Nur so viel: Auch der Kollege vor Ort blockt erwartungsgemäß ab, für ihn ist der Fall schnell erledigt. Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) dagegen pfeift auf Zuständigkeitsbereiche und reist an und wähnt sich „am Arsch der Heide“. Sie ist zunächst irritiert und versteht ihren Kollegen nicht, ahnt aber, wie tief Voss mit diesem Fall verwoben ist, und hilft dann, wo sie kann, auch mit kritischen Fragen an ihren Kollegen Voss. Und die Landesregierung mischt sich in die Ermittlungen ein – das macht Ringelhahn stutzig. Ach so, es geht um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Was ist da schon ein Menschenleben, oder zwei?
„Hochamt für Toni“ ist ein berührender, ambitionierter, durchweg spannender, ja kreativer und gut gemachter und gegen Ende wendungsreicher Krimi über eine zerrüttete Familie, über skrupellose Menschen. Und über die Liebe und verpasste Chancen. Darüber, „wer wir sind und wer wir sein könnten“, wie Schauspieler Fabian Hinrichs im Pressematerial zum Film sagt. Also wärmstens empfohlen, aber mit Triggerwarnung.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sollten Sie von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner, anonym. Rufnummern: 0800/1110 111 und0800/111 0 222.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl