Tarifstreit: Am Freitag streiken die Lokführer
Die Lokführergewerkschaft ruft zum bundesweiten Ausstand auf. Sie will einen eigenen Tarifvertrag durchsetzen. Die Bahn will jeden zweiten Zug fahren lassen - trotz Streik
BERLIN taz Zum Erfolg verdammt, möchte die Lokführergewerkschaft GDL ihren regulären Arbeitskampf bei der Bahn mit einem Paukenschlag beginnen: Ausgerechnet am Freitag, wenn hunderttausende Wochenendpendler in den Schnellzügen auf Heimreise sind, werden die Lokführer bundesweit streiken. Von dem befristeten Ausstand betroffen sind sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr. Die genauen Streikzeiten und -strecken will die GDL am Donnerstag bekannt geben - die Folgen für die Bahnkunden dürften drastisch sein. "Wir gehen davon aus, dass dieser Arbeitskampf am Freitag reichen wird", meinte GDL-Chef Manfred Schell am Montag.
Der angekündigte Ausstand der Lokführer am Freitag wird den Bahnverkehr in Deutschland sehr wahrscheinlich stark beeinträchtigen. Für die KundInnen der Bahn heißt das: Wer kann, sollte auf frühere oder spätere Züge ausweichen - also etwa schon am Donnerstagabend oder erst Samstagmorgen fahren. Ein Ausweichen auf die Straßen und Autobahnen am Freitag ist weniger empfehlenswert, denn das werden ohnehin alle tun, die keine andere Wahl haben. Entsprechend ist mit Staus und langen Fahrtzeiten zu rechnen. Für die Kunden im Personenverkehr gibt es aktuelle Informationen im Internet (s. Link) . Telefonisch will die Bahn zudem unter 0 80 00-99 66 33 erreichbar sein. Wer auf Grund streikbedingter Zugausfälle nicht reisen kann, hat die Möglichkeit, sich seine Fahrkarte erstatten zu lassen. Bei Zugausfall können die Reisenden auf den nächsten, auch höherwertigen Zug umsteigen. In diesen Fällen wird die Zugbindung aufgehoben.
Die Lokführergewerkschaft fordert einen eigenständigen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Lohn. Die anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA hatten im Sommer einer Tariferhöhung von 4,5 Prozent für alle Bahner zugestimmt. Die Bahn bietet den Lokführern nun diesen Tarifabschluss sowie eine Aufstockung der Arbeitszeit an - zusammen könnten laut Bahn Lokführer so 10 Prozent mehr Lohn bekommen. Schell bezeichnete dies als "Witz der Woche".
Für die GDL geht es bei dieser Tarifauseinandersetzung um alles: Erzielt sie ein Ergebnis, das sich von dem der anderen Bahngewerkschaften unterscheidet, ist sie aus dem Tarifgeschäft bei der Bahn nicht mehr wegzudenken. Verfehlt sie dieses Ziel, verschwindet die Organisation in der Bedeutungslosigkeit. Entsprechend erbittert wird der Kampf von der GDL auf der einen und von der Bahn und den konkurrierenden Bahngewerkschaften geführt. Es könne nicht sein, dass 34.000 GDL-Mitglieder einer übergroßen Mehrheit von 230.000 Bahnmitarbeitern ihren Willen aufzwinge, sagte Bahnvorstand Margret Suckale am Montag in Berlin. "Jede Berufsgruppe bei uns kann die Bahn lahmlegen." Deshalb werde man sich jetzt von der GDL nicht erpressen lassen.
Die Bahn will mit Notfallplänen einen eingeschränkten, aber zuverlässigen Fahrplan gewährleisten. Bei einem längeren Streik sollen etwa 50 Prozent der Regional- und S-Bahnen fahren - trotz des Streiks. Zudem sollen fast alle ICEs und alle Auto- und Nachtzüge unterwegs sein. Die Bahn will dafür beamtete, neu eingestellte und Lokführer anderer Gewerkschaften einsetzen. Lokführer aus der Schweiz oder Österreich kämen aber nur in Einzelfällen im grenzüberschreitenden Verkehr in Betracht, hieß es. Die österreichischen Lokführer wollen sich in den deutschen Tarifkonflikt ohnehin nicht einmischen, sagte ein Sprecher der österreichischen Verkehrsgewerkschaft der taz.
Der Plan der Bahn: Bleibt ein Zug in einem Bahnhof wegen des Ausstands stehen, soll der streikwillige Lokführer aussteigen und durch einen dienstwilligen Kollegen ersetzt werden. So will die Bahn verhindern, dass bestreikte Züge Gleise blockieren und für einen Rückstau sorgen. Allerdings sei im Streikfall mit Verspätungen zu rechnen, räumte Bahnvorstand Karl-Friedrich Rausch ein. Im Nahverkehr werde aber jeder Kunde morgens zur Arbeit und abends nach Hause kommen, möglicherweise jedoch nicht immer mit den gewohnten Zügen. "Zum Anfang wird es etwas holpern."
GDL-Chef Schell schätzt die Chancen der Bahn, den Lokführerstreik mit Hilfe des Einsatzes von Beamten ins Leere laufen zu lassen, als sehr gering ein. "Der Freitag wird zeigen, dass diese Marschroute nicht aufgehen wird", so Schell. Die GDL, deren Kurs im Gewerkschaftslager auf Kritik stößt, organisiert nach eigenen Angaben rund drei Viertel der 20.000 Lokführer und etwa ein Drittel der Zugbegleiter bei der Bahn. Rechtliche Schritte der Bahn fürchtet die GDL nicht.
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