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Tarifkonflikt bei der BVGButter bei die Fische bitte

Der Nahverkehr wird zum dritten Mal bestreikt. Mit zunehmender Dauer wird die Kommunikation der Ziele des Arbeitskampfes nicht einfacher.

Streikkundgebung der BVG-Beschäftigten Foto: dpa

Bei Sonnenaufgang geht auf der A113 stadteinwärts nichts mehr. Gut anderthalb Kilometer entfernt, am BVG-Bushof Britz, ist derweil die Stimmung entspannt. Zum dritten Mal im aktuellen Tarifkonflikt stehen hier ein paar Dutzend Streikposten vor dem Tor. Zum Betriebsbeginn wurden zwei Busse in die Einfahrt geparkt. Seitdem hier alles still. Bei knapp unter Null Grad wärmt kurz nach 6 Uhr nur der Kaffee aus einer großen Kanne, Essen muss individuell versorgt werden. Ein Mitglied des Personalrats freut sich, dass dieses Mal wieder alle Betriebsteile im Ausstand sind und nicht nur die Busfahrer*innen: „Das ist schon besser so.“ Die Kolleg*innen stünden zusammen und fühlten sich gut informiert über die Ziele des Arbeitskampfes.

Ob das auch für die breitere Öffentlichkeit gilt, ist aber langsam fraglich. Schließlich wird die Kommunikation bei fortdauerndem Arbeitskampf nicht einfacher. War die Losung am ersten Streiktag am 15. Februar noch ein relativ klares „Ein Streik für alle Berliner und Berlinerinnen“, verliert sich der Konflikt zunehmend im technischen Kleinklein der Gehaltstabellen und Abstandsgebote der Lohngruppen. Dabei sind die grundsätzlichen Probleme weiterhin ungelöst.

Selbst wenn die BVG hier und da noch eine Million draufpackt, ist zweifelhaft, ob das selbst gesetzte Ziel der Gewinnung von gut 1.300 neuen Beschäftigten allein in diesem Jahr erreicht werden kann. Selbst diesen leicht darzulegenden Punkt, bringt der zuständige Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt gegen 9 Uhr am ebenfalls bestreikten Bushof an der Weddinger Müllerstraße nicht mehr ein.

Auf einer kleinen Streikkundgebung spricht Arndt von Zwölfteln des Weihnachtsgeldes und Sozialabgaben, die unzulässigerweise Teil der Berechnung des BVG-Angebots über 90 Millionen Euro pro Jahr seien. Die Streikenden wirken weiterhin entschlossen, echte Begeisterung kommt unter den vielleicht 200 Anwesenden aber nicht auf. Immerhin mit Heiterkeit wird die Anmerkung bedacht, dass der Streik wohl ein gutes Geburtstagsgeschenk für die Vorstandsvorsitzende sei. Tatsächlich mag Sigrid Nikutta sich ihren 50. anders vorgestellt haben.

Solidarische Stadt

Das Presseinteresse ist weiterhin groß. Das ist kein Wunder, legt dieser Streik doch weite Teile der Stadt lahm. Im Laufe des Morgens und Vormittags verwandeln sich die Straßen Berlins in Schauplätze stockenden bis stehenden Verkehrs. Nach der Kundgebung vor dem Bushof müssen die Radio- und Fernsehinterviews immer wieder unterbrochen werden: Die in Tegel startenden Flugzeuge sind zu laut.

Weiter geht es mit einer neuerlichen Verhandlungsrunde, die kurzfristig für den kommenden Donnerstag angesetzt wurde. Man wünscht der Stadt und den Fahrgästen eine zügige Einigung. Sollte die weiterhin nicht möglich sein, brauchen die Beschäftigten eine kämpferische und klare, in die Stadt hineinreichende Ansprache, die Solidarität einfordert, indem sie ihre Forderungen nachvollziehbar macht und in den Kontext einer sozialen Stadtgesellschaft stellt.

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1 Kommentar

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  • Meine Güte! Heute ist der erste Tag dieses Arbeitskampfes, an dem die BVG komplett streikt, und überhaupt erst der dritte Streiktag seit dem 15. Februar. Dieses Arbeitskämpfchen reicht schon aus, um den seidenen Solidaritätsfaden der schreibenden Bourgeoisie reißen zu lassen?

    Die kapitalistische Logik hat der feine Herr Chef vom Dienst verinnerlicht: nicht die Bedürfnisse der Arbeiterschaft stehen im Vordergrund ("technische[s] Kleinklein der Gehaltstabellen und Abstandsgebote der Lohngruppen"), sondern die Bedürfnisse der Eigentümer ("Im Laufe des Morgens und Vormittags verwandeln sich die Straßen Berlins in Schauplätze stockenden bis stehenden Verkehrs", ogottogott, und "Man wünscht der Stadt und den Fahrgästen eine zügige Einigung.").

    Und wehe, es klappt nicht mit der zügigen Einigung! Dann "brauchen die Beschäftigten eine kämpferische und klare, in die Stadt hineinreichende Ansprache, die Solidarität einfordert, indem sie ihre Forderungen nachvollziehbar macht und in den Kontext einer sozialen Stadtgesellschaft stellt."

    Gerechte Bezahlung scheint demnach nicht im Kontext einer sozialen Stadtgesellschaft zu stehen, nachvollziehbar ist sie anscheinend auch nicht und die Eigentümer, also wir, sollen sich nicht etwa selbst fragen, was ihnen guter ÖPNV wert sein sollte, sondern andersherum, die dreisten Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter sollen uns bitteschön erklären, was WIR von ihrem Arbeitskampf haben! Denn erst, wenn an die Eigentümer gedacht ist, gibt's vielleicht auch ein Häuflein Solidarität von oben.