piwik no script img

Tarifkonflikt bei der BVGStreik fürs Zweiklassensystem

Im öffentlichen Nahverkehr wird am Mittwoch wieder gestreikt - für mehr Geld für alle. So will die Gewerkschaft Lohngräben zwischen den Beschäftigten zuschütten, die sie selbst ausgehoben hat.

Ver.di hält die Busse an: Den ersten Warnstreik gab es schon Ende Januar Bild: dpa

Mittwoch Nachdruck zu verleihen.

Der Ausstand soll von 5 Uhr bis 15 Uhr dauern, sagte ein Sprecher. Anders als beim ersten Streik vor zehn Tagen wird es für die Fahrgäste diesmal weniger nervenaufreibend - bestreikt werden vor allem Bereiche jenseits von Gleisen und Straßen. "Es werden aber nicht alle Straßenbahnen, U-Bahnen und Busse verkehren", schränkte er ein. Details will die Gewerkschaft heute mitteilen.

Hauptstreitpunkt zwischen den Tarifparteien sind die 10.000 Altbeschäftigten der Verkehrsbetriebe, die vor 2005 eingestellt wurden. Ver.di fordert für sie und die Neueinsteiger 12 Prozent mehr Grundlohn, mindestens aber 250 Euro zusätzliches Bruttoentgelt. Die Arbeitgeber dagegen wollen nur den rund 1.600 Beschäftigten, die nach 2005 eingestellt wurden, Lohnerhöhungen gewähren. Diese sind offiziell nicht bei der BVG angestellt, sondern bei deren Tochterfirma Berlin Transport, die eigens für lohnsenkende Maßnahmen gegründet wurde. Für sie gilt ein eigener Tarifvertrag, den Ver.di mit ausgetüftelt und unterschrieben hat.

Je nachdem, bei welchem Unternehmen er angestellt ist, hat ein Busfahrer also unterschiedlich viel im Portemonnaie - mit gewerkschaftlicher Absegnung. Nach einem Rechenbeispiel der BVG fährt ein verheirateter Vater von zwei Kindern, Mitglied der Kirche und seit 1990 für die BVG hinterm Lenkrad, monatlich 2.015 Euro netto ein. Sein ebenfalls verheirateter Kollege, ein zweifacher Vater, der im Auftrag der BT denselben Bus steuert, müsste seine Familie von monatlichen 1.512 Euro ernähren. Diese Kluft von 25 Prozent kann je nach Berufsjahren und Familienstatus sogar noch wachsen. Neueingestellte Busfahrer verdienen etwa 1.200 Euro netto, inklusive Zuschläge für Nacht- und Wochenendfahrten.

Ursache für diese Lohnspreizungen ist die sogenannte Sicherungszulage. Als Ver.di 2005 deutliche Gehaltssenkungen akzeptierte, erhielten die bis dahin Eingestellten einen Zuschuss, der die Einbußen abfederte. Neueinsteiger erhalten nur den Grundlohn. "Die unterschiedlichen Lohngefüge haben die Spaltung der Belegschaft vorangetrieben", kritisiert Gerd Rainer Giese, Mitarbeiter von Berlin Transport. Er bereitet gerade die Gründung einer Ortsgruppe der Gewerkschaft der Lokführer vor - "als Alternative zu Ver.di".

Für die Sicherungszulage gebe die BVG jährlich 100 Millionen Euro aus, sagt Sprecherin Petra Reetz. Allein deshalb will die BVG nur für BT-Mitarbeiter spürbar mehr Geld ausgeben und der langjährigen Belegschaft im Gegenzug zu Tariferhöhungen die Zulage kürzen. Ver.di will die Mehrheit der Belegschaft dagegen nicht leer ausgehen lassen und die Lücke nur "in kleinen Schritten schließen". Auch im Hinblick auf den Altersdurchschnitt: "In zehn Jahren sind die meisten in Rente, dann hat sich das Problem sowieso erledigt."

Die Grünen warnen den Eigentümer der BVG, das Land Berlin, vor Zugeständnissen. Dies könne ein Signal an alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sein: "Wenn der Senat bei den BVG-Beschäftigten etwas zugibt, hat er keine Legitimation mehr, seinen Angestellten weniger zu zahlen", meint Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig. Für die 30.000 Angestellten des Senats und der Bezirksämter will Ver.di ebenfalls Lohnerhöhungen durchsetzen. Nach gescheiterten Verhandlungen sind auch hier Warnstreiks geplant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • RS
    Rainer Sommer

    Wenn dieser Artikel wirklich morgen in der taz erscheinen sollte, ist das eigentlich ein Grund, das Abo zu kündigen! Soviel geballte Inkompetenz ist nicht mehr mit diesem (politischen) Preis zu unterstützen. Anscheinend hat sich die Schreiberin wohl nur mit einem Ver.Di-Kontrahenten unterhalten, ohne dessen Angaben in irgendeiner Weise gegenzuchecken. Ich kennen keinen Busfahrer bei der BVG, der mit 2015 Euro netto nach Hause geht! Der Tarifvertrag bei BVG und BT ist derselbe Tarifvertrag Nahverkehr Berlin (TV-N). Sowohl bei der BVG als auch bei der BT gibt es sogenannte Alt-Beschäftigte, die zur Abmilderung der von Arbeitgeberseite durchgesetzten Lohnabsenkung einen "Sicherungsbetrag" erhalten, dessen Höhe von Senatsseite auch gern maßlos übertrieben wird. Die Zweiklassenbelegschaft gibt es im Grunde zwischen den Alt- und den Neubeschäftigten. Daß es überhaupt dazu kommen konnte, ist dem Senat zu verdanken, der den TV-N auch nicht haben wollte, weil er im Grunde den unbestritten hochqualitativen Nahverkehr in Berlin nicht angemessen bezahlen will.

     

    Rainer Sommer, Berlin Prenzlauer Berg