Tarifgespräche bei der Bahn gescheitert: Schuld sind immer die anderen
Die Bahn will auf die Lokführergewerkschaft GDL zugegangen sein. Die wiederum sieht eher eine „Rolle rückwärts“. Und nun? Drohen neue Streiks.
BERLIN rtr | Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL sind überraschend gescheitert. Beide Seiten gaben sich dafür am Mittwochabend gegenseitig die Schuld. Die GDL kündigte an, ihrem Hauptvorstand und ihrer Tarifkommission am kommenden Mittwoch vorzuschlagen, die Mitglieder der Gewerkschaft erneut zu Streiks aufzurufen.
Die GDL habe die Verhandlungen platzen lassen, sagte DB-Personalvorstand Ulrich Weber nach den neunstündigen Gesprächen. Das Verhalten sei vollkommen unverständlich und „nicht rational nachvollziehbar“. Sein Unternehmen habe kurz vorher ein Papier vorgelegt, in dem weitgehend auf die Forderungen der GDL eingegangen werde.
In dem Papier erfülle die Bahn die zentrale Forderung, den Flächentarifvertrag für Lokomotivführer auch um Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten zu erweitern: Das würde der GDL ermöglichen, auch für diese die Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Dies sei bislang der Kern der Auseinandersetzung gewesen.
Die GDL wies die Vorwürfe zurück. Vielmehr habe die Bahn eine „unglaubliche Rolle rückwärts hingelegt“, erklärte der Bundesvorsitzende Claus Weselsky. Von einem umfassende Lösungsvorschlag der GDL habe das Unternehmen nichts wissen wollen, teilte die Gewerkschaft mit. Die Bahn haben in vier Verhandlungsrunden eine Einigung zu Strukturfragen der Tarifverträge blockiert und sei der GDL auch inhaltlich "keinen Schritt entgegengekommen". Statt Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, suche die Bahn „ihr Heil in einem beispiellosen Zeitspiel in der Hoffnung auf ein Tarifeinheitsgesetz“.
Vorschuss gezahlt
Die Tarif-Gespräche sind schwierig, da die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG und die GDL teils für die gleichen Beschäftigtengruppen Abschlüsse erzielen wollen. Die Bahn hatte den Konflikt zuletzt etwas entschärft, indem sie allen Beschäftigen für die Dauer der seit Sommer laufenden Verhandlungen einen Vorschuss mit dem Februar-Gehalt zahlen will. Dieser soll später mit dem Tarif-Abschluss verrechnet werden. Da die Bahn unterschiedliche Verträge für die gleiche Beschäftigtengruppe aber ablehnt, versucht sie mit beiden konkurrierenden Gewerkschaften identische Abkommen auszuhandeln.
Die GDL hat 2014 mehrfach gestreikt, wodurch der Zugverkehr in weiten Teilen zum Erliegen kam. Dabei setzte sie zunächst durch, dass sie außer für die 20.000 Lokführer auch für das Zugpersonal und die Rangierführer Verträge abschließen kann. Für diese Gruppen hatte bisher die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verhandelt. Zur Entspannung trug die Verständigung zwischen Bahn und GDL auf eine Einmalzahlung von 510 Euro für das Jahr 2014 bei. Die GDL signalisierte ferner Flexibilität bei ihrer Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn für 2015 und bei Arbeitszeitverkürzungen.
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