Tarifeinigung bei der BVG: Nur ein paar Minütchen
BVG-Vorstand und Verdi haben einen neuen Manteltarifvertrag vereinbart. Beim Knackpunkt „Verschnaufpausen“ musste die Gewerkschaft zurückstecken.
Von den Verstimmungen, die es gab, als Verdi am 1. März auch in Berlin zum Warnstreik aufrief und der BVG-Vorstand daraufhin den für denselben Tag angesetzten Verhandlungstermin empört aufkündigte, war am Donnerstag in der Unternehmenszentrale an der Holzmarktstraße nichts mehr zu spüren. In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz verkündeten BVG-Personalvorständin Jenny Zeller und Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt die erzielte Einigung und zelebrierten dabei regelrecht das gegenseitige Vertrauen.
„Fängst du an, Jeremy?“, fragte Zeller, und Arndt zählte auf, worauf sich die rund 14.000 BVG-Beschäftigten und ihre knapp 2.000 BT-KollegInnen freuen dürfen: So fällt die Staffelung beim Urlaubsanspruch je nach Länge der Betriebszugehörigkeit weg – ab 2025 gibt es einen Anspruch auf 30 Urlaubstage, bislang müssen EinsteigerInnen mit 28 Tagen vorliebnehmen. Im laufenden und im kommenden Jahr zahlt das Unternehmen je 500 Euro Urlaubsgeld, ab 2026 sollen die Mitarbeitenden zwischen Urlaubsgeld und zwei freien Tagen wählen können.
Weitere Blüten aus dem „bunten Blumenstrauß“ an Ergebnissen, wie Jenny Zeller es nannte: Rückwirkend zum 1. Januar wird eine zusätzliche 6. Entgeltstufe eingeführt, die unbezahlten Pausenteile im Fahrdienst werden ab 2025 von 50 auf maximal 30 Minuten abgesenkt, es gibt eine Reihe neuer Zulagen und einen möglichen Zuschuss von immerhin 6,65 Euro zum Monatslohn als vermögenswirksame Leistung.
6 Minuten Wendezeit
Der eigentliche Knackpunkt, bei dem sich die Verhandelnden am längsten verhakt hatten, waren aber die „Wendezeiten“: die Minuten also, die FahrerInnen am Ende einer Strecke zumindest nominell zur Verfügung haben, um die Toilette aufzusuchen oder in die mitgebrachte Stulle zu beißen. Hier lautet der vereinbarte Kompromiss: Ab 2025 soll es bei sogenannten Umlauflängen ab 40 Minuten – also auf den mittleren und längeren Linien – durchschnittlich 6 Minuten Haltezeit geben. Aktuell sind es maximal 4, künftig sollen es also, rein rechnerisch jedenfalls, auch mal 8 Minuten sein können.
Das ist weit von den regulären 10 Minuten Haltezeit entfernt, auf die Verdi gepocht hatte, um den stressigen Arbeitsalltag der FahrerInnen erträglicher zu machen. Die BVG hatte dagegen immer darauf verwiesen, dass diese Forderung unbezahlbar und damit unerfüllbar sei, weil sie viele zusätzliche Stellen, aber auch neue Halteplätze für die Fahrzeuge erforderlich mache. Was die 6 Minuten nun kosten werden, konnte Zeller am Donnerstag nicht im Einzelnen sagen, alle Maßnahmen zusammen schlagen ihr zufolge aber mit 70 Millionen Euro für die Jahre 2024 und 2025 zu Buche.
Gesichtswahrend für Verdi ist nun ein vereinbarter Versuch auf einigen Bus- und Tramlinien, bei dem ab 1. Juli der Fahrplan durch ein Taktmodell ersetzt werden soll – also ein fester zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Fahrzeugen. Davon verspreche man sich eine Entlastung für die FahrerInnen, die derzeit ständig gegen die Uhr fahren müssten, aber auch mehr Verlässlichkeit für die Fahrgäste an den Haltestellen, sagte Arndt der taz.
Was bringt ein Takt?
Aber funktioniert so eine Taktung, wenn am Wendepunkt nichts abfahren kann, weil dort durch die üblichen Verspätungen gar kein Bus oder keine Tram bereitsteht? Und verlangsamt das Prinzip am Ende den gesamten Ablauf nicht noch mehr, wenn der Druck durch den Fahrplan wegfällt? Genau das werde sich zeigen, sagte Arndt – das Experiment werde wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Freude über das Ergebnis gab es nicht nur am Verhandlungstisch: Auch Fridays for Future Berlin, die Verdi im Arbeitskampf unterstützt hatten, finden den voraussichtlichen Abschluss grundsätzlich gut, wie Sprecherin Debby Roschka der taz sagte: „Schließlich sind es die Beschäftigten, die den Nahverkehr am Laufen halten und so klimafreundliche Fortbewegung ermöglichen.“ Es brauche aber „definitiv noch weitere Verbesserungen“, für die auch die Politik verantwortlich sei – „massive Investitionen von Bund und Ländern in einen guten ÖPNV, damit wir alle jeden Tag sicher von A nach B kommen können“.
Fridays for Future werde deshalb „dranbleiben“ und gemeinsam mit den Beschäftigten im ÖPNV kämpfen. „Wir überlegen bereits, wie wir im Rahmen der Tarifverhandlungen um bessere Löhne im nächsten Jahr gemeinsam Druck machen können“, sagt Roschka. Anfang 2025 steht nämlich die Entgelt-Tarifrunde für die BVG-Beschäftigten auf dem Programm.
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