Tanja Tricarico über Strafgebühren bei Verstößen gegen die Impfpflicht: Geldstrafen allein reichen nicht
Endlich traut sich die Groko etwas bei der Kindergesundheit. Die Masern-Impfpflicht soll kommen, und wer gegen sie verstößt, muss zahlen. Bis zu 2.500 Euro Strafgebühren könnten fällig werden, dazu wird das Recht auf einen Kita-Platz verwirkt. Es ist ein gewagter Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Doch vermutlich nicht mutig genug. Echte Impfskeptiker*innen werden wissen, wie sie die Zwangsimpfung verhindern können. Strafgebühren von 2.500 Euro sind für viele wahrlich zu bewältigen. Ein Kita-Platz? Etliche werden ohnehin auf Fremdbetreuung verzichten oder sie sich im Zweifel privat organisieren.
Wie groß der Ärger unten den Gegner*innen ist, zeigt sich umgehend – und der Gesetzesentwurf ist noch lange nicht im Kabinett verabschiedet. Die Kritiker*innen sprechen von einem dramatischen Einschnitt in die Elternrechte, vom unheilvollen Einfluss übler Lobbyisten aus der Pharmaindustrie oder – wieder einmal – von Gefahren durch die Impfstoffe. Dabei hat an Letzteres auch Spahn gedacht. Kinder, die die Impfstoffe nicht vertragen, können eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Genauso wie die Kinder, die geimpft wurden, dies nachzuweisen haben.
Es geht um die Gesundheit der Kinder, der Gesellschaft und darum, Krankheiten, die schlimmste bleibende Schäden hinterlassen oder zum Tode führen können, auszumerzen. Spätestens dann ist das Recht auf Selbstbestimmung einzuschränken. Die Bundesregierung schließt sich mit dem Gesetz einer ganzen Reihe von EU-Staaten an. In Polen, Frankreich oder Belgien gibt es seit Jahren eine Impfpflicht. Wer dort seine Kinder nicht impft, muss schon jetzt mit Geldbußen rechnen. Doch Strafen allein werden nicht ausreichen, um die Mythen zu beenden, die die Kritiker*innen in die Welt setzen. Dazu braucht es erheblich mehr gesundheitliche Aufklärung, Kampagnen in Kitas, in Schulen, auf der Straße. Spahns Einnahmen durch die Strafgebühren wären an dieser Stelle bestens angelegt.
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