Takkos Textilproduktion: Billigklamotten, aber fair
Takko konkurriert bei seinen Preisen mit Kik oder NKD. Trotzdem bemüht sich der Textildiscounter laut einem Bericht um faire Arbeit.
Zwischen all diesen Nachrichten geht eines unter: Der Discounter aus Telgte ist eines der spannendsten Modeunternehmen in Deutschland. Es zeigt: Preiswert und fair, das geht. Die Läden charmant wie Fabrikhallen, darin preiswertes Flitterflatter, viele rosa Shirts und hellblaue Jeans mit massig Platz für bunten Glitter – doch hinter den Kulissen: Ringen um Fairness. „Ich habe wirklich Respekt vor denen“, sagt Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero, Fachmann für die globale Textilproduktion.
Seit sieben Jahren arbeitet Takko mit der Fair Wear Foundation zusammen, also lange bevor der Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch die Missstände der globalen Textilproduktion auf die Agenda brachte. Die Fair Wear Foundation, eine Stiftung mit Sitz in Amsterdam, da sind sich Menschenrechtler einig, ist eine der wenigen Institutionen, die glaubwürdig die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken verbessert.
Die Auftraggeber in den Industrieländern arbeiten mit den Fabriken in Ländern wie Bangladesch, Pakistan oder Vietnam zusammen, möglichst langfristig. Lokale Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen werden einbezogen, suchen Probleme und Lösungen. Bei Takko sind nach Selbstauskunft KollegInnen aus unterschiedlichen Abteilungen an der Arbeit mit der Stiftung beteiligt, das Kernteam umfasst 20 Mitarbeiter.
Die kontrollierte Lieferkette
Die Arbeit mündet schließlich in jährlichen „Brand Performance Checks“, die auf der Website der Fear Wear Foundation veröffentlicht werden. In den nächsten Tagen soll der neue zu Takko Fashion online gehen. Alle Interessierten können dort nachlesen, wie viel Prozent seiner Lieferkette Takko kontrolliert (rund 92 Prozent) und dass der Filialist zwar aussagekräftige Berichte liefert, es an manchen Stellen aber hapert. So gibt es widersprüchliche Angaben in Bezug auf die Überstunden, die in den Fabriken geleistet werden. Insgesamt bewertet die Fear Wear Foundation Takko als „good“. Das ist ein schlechteres Ergebnis, als es etwa Öko-Pioniere wie zum Beispiel Hess Natur erreichen.
Die Fair Wear Foundation ist eine Stiftung mit Sitz in Amsterdam. Sie wurde 1999 gegründet und hat heute 50 Mitgliedsunternehmen in Europa. Die Mitglieder verpflichten sich, in ihrer Lieferkette für existenzsichernde Löhne, feste Arbeitszeiten, sichere und gesunde Arbeitsplätze, Versammlungsfreiheit und die freie Wahl des Arbeitsplatzes einzutreten. Die Fortschritte in diesem langen Prozess werden in jährlichen Fortschrittsberichten veröffentlicht. Die Fair Wear Foundation vergibt keine Produktsiegel, die an der Kleidung der Mitglieder angebracht werden.
Doch selbst der Öko-Versandhändler Hess Natur habe drei bis vier Jahre gebraucht, um alle Zulieferer zu überblicken, sagt Textilexperte Pflaum. „Die waren dort selbst erstaunt.“ Noch immer sei es keine Selbstverständlichkeit, „dass die Markenfirmen und Händler in den Industrieländern wissen, wer eigentlich ihre Sachen herstellt“, so Pflaum. „Schon gar nicht die großen Konzerne mit ihren Hunderten von Zulieferern.“ Transparenz, betonen Textilexperten wie die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Femnet, Gisela Burckhardt, sei so notwendig wie selten in der Branche.
Transparenz ist genau das, was die Fair Wear Foundation herstellt. Neben den Jahresberichten gibt es laufend weitere Infos über das Geschäftsgebaren des Unternehmens: Im September 2017 zum Beispiel wurden in einer Fabrik in Bangladesch, die für Takko fertigt, ArbeiterInnen des Diebstahls beschuldigt. Alle Beschäftigten sollten die verschwundene Kleidung mit Gehaltskürzungen bezahlen. Die Betroffenen riefen bei der Beschwerdestelle der Stiftung an, Takko mischte sich in den Konflikt ein. Schließlich bekamen die ArbeiterInnen die einbehaltenen Gehälter ausgezahlt. All dies lässt sich auf der Webseite nachlesen. Die Stiftung beschert ihren Mitgliedern also, bei aller Anstrengung, die Lage zu verbessern, vor allem eins: negative Nachrichten.
Öko-Pionier Adidas?
„Es überrascht mich gar nicht, wenn auch bei Mitgliedern der Fair Wear Foundation einmal Missstände auftauchen“, sagt Pflaum. Doch genau das sei der Fortschritt, dass Probleme transparent würden und dauerhaft daran gearbeitet werde, sie zu beheben. „Das Management arbeitet verantwortungsbewusst“, so Pflaum. „Der Einkaufschef weiß genau, was Arbeitsrechte sind.“ Das sei in der Bekleidungsbranche ungewöhnlich.
Adidas zum Beispiel, der global agierende Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach, verkauft kleine Kollektionen aus recyceltem Ozeanplastik. Trotz fragwürdiger Umweltbilanz erregt er damit Aufmerksamkeit als Öko-Pionier. In den Filialen der schwedischen Modekette H&M werden die Kunden aufgefordert, beim „globalen Recycling“ mitzumachen, aussortierter Kleidung „ein zweites Leben zu schenken und natürliche Ressourcen zu schonen“. In der Kinderabteilung im zweiten Stock werden Unterhosen und T-Shirts mit Biobaumwolle verramscht, nimm 3, zahl 2.
Adidas und H&M sind zwar, wie Takko auch, Mitglied im Textilbündnis von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU). Alle Mitglieder haben dort eine eigene Roadmap entwickelt, also Pläne, ihre Produktionskette zu verbessern. Doch als die Bündnismitglieder die Roadmaps freiwillig veröffentlichen sollten, machten die Konzerne dicht. Probleme lassen sich eben nur schlecht kommunizieren. „Es ist wirklich etwas Besonderes, dass sie eine unabhängige Organisation wie uns ihre Arbeit überprüfen lassen und die Ergebnisse öffentlich machen“, sagt Lotte Schuurman von der Fair Wear Foundation.
Der ökologische Markt ist winzig
In der Branche würden Ökologie und soziale Gerechtigkeit von den meisten Unternehmen noch immer als Kommunikationsproblem betrachtet, sagt Pflaum. „Möglich, dass diese Unternehmen etwas tun, aber sie tun nicht das Nötige.“ Es ist ihnen nicht egal, dass sie Millionen für Werbung ausgeben, um am Ende mit Fabrikeinstürzen in Bangladesch, Kinderarbeit in Indien und vergifteten Flüssen in China in Zusammenhang gebracht zu werden. „Der öffentliche Druck ist stark“, sagt Tina Weber, Professorin für International Fashion Retail an der Hochschule Reutlingen. Vor allem die Discounter stehen unter Beobachtung. Billig gelte noch immer als schlecht, „obwohl teure Marken nicht notwendigerweise unter besseren Bedingungen produziert werden“, so Weber.
Die Verbraucher mögen zwar keine hässlichen Nachrichten; in einer Umfrage von Greenpeace gab die Hälfte der Befragten an, sie wünschten sich beim Shoppen Siegel, um ökologisch und fair hergestellte Kleidung erkennen zu können. Doch nur bei jedem Vierten bestimmt das auch die Kaufentscheidung. Folgerichtig kommuniziert Takko sein Engagement auch äußerst defensiv. In den Läden findet sich kein Hinweis auf die Fair Wear Foundation, auf der Website sind die Informationen gut versteckt.
Die in der ökosozialen Nische übliche Offenheit rentiert sich nicht wirklich: Noch immer ist der Markt winzig klein. Offiziell weiß niemand, wie viel sozial produzierte Biokleidung es gibt. Branchenkenner vermuten aber, dass es nicht mal ein Prozent der Kleidung ist. Die wenigen kleinen Unternehmen könnten zwar schneller handeln und ihre Kunden eher in ihre Arbeit einbeziehen – dafür hätten sie aber kaum Marktmacht, sagt Schuurman von der Fair Wear Foundation. Unternehmen wie Takko besäßen eine große Hebelwirkung, bestätigt Pflaum. Ob das Experiment Takko gelinge, werde man erst in einigen Jahren sagen können. „Doch wenn es gelingt und wenn sich die großen Sportartikelkonzerne und Ketten dann ihrer Verantwortung stellen“, sagt Pflaum, „dann könnte sich in der Branche endlich wirklich etwas bewegen“.
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