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Tagebuch aus KasachstanLachen hilft. Immer

In Kasachstan steht ein Satiriker vor Gericht. Unser Autor fragt sich, wann auch das Lachen verboten wird, dieses befreiende Lachen über gute Witze.

Wladimir Putin und einer seiner Bewunderer: Kasachstans Präsident Kassym-Jomart Tokajew, Dezember 2024 Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

I n Kasachstan wird der Journalist Temirlan Yensebek derzeit strafrechtlich verfolgt. Sein Haus wurde durchsucht, er wurde verhaftet und wartet nun auf seinen Prozess. Der Grund ist eine Veröffentlichung, in der der kasachische Journalist die russische Propagandistin Tina Kandelaki verspottet.

In meiner Stadt Almaty gehen die Menschen auf die Straße, um gegen Yensebeks Verhaftung zu protestieren, aber sie werden selbst von der Polizei festgenommen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Verfolgung des kasachischen Journalisten nicht nur als Abrechnung mit Kritik und Humor, sondern auch als Versuch der kasachischen Behörden, sich mit Russland besonders gut zu stellen. Kasachstan hat die russische Aggression gegen die Ukraine nie verurteilt, und Wladimir Putin ist nach wie vor gern gesehener Gast beim kasachischen Präsidenten Kassim-Schomart Tokajew. Die russische Propaganda ist sehr mächtig, und die kasachischen Behörden unterstützen sie.

Wladimir Putin ist ein ausgezeichneter Präsident. Er übertrifft mich in allem.

Ein Zitat, das QazNews24 dem kasachischen Präsidenten Kassim-Schomart Tokajew in den Mund legte

Temirlan Yensebek, der für das Satiremagazin QazNews24 arbeitet und nun auf seinen Prozess wartet, saß im Januar 2025 wegen Aufstachelung zum Hass hinter Gittern. Zu diesem Zeitpunkt hatte seine Publikation bereits seit mehreren Jahren fiktive Nachrichten auf Instagram gepostet, die sich über kasachische Beamte, die Polizei, den Präsidenten Tokajew und dessen enge Beziehung zu Putin lustig machten.

Eine schlimme Bedrohung namens Humor

Als Wladimir Putin im November 2024 einmal mehr Kasachstan besuchte, begrüßte ihn am Flughafen ein riesiges elektronisches Banner mit der Aufschrift „Willkommen, Eure Exzellenz!“ Unmittelbar danach veröffentlichte QazNews24 eine Meldung mit einem fiktiven Zitat Tokajews: „Wladimir Putin ist ein ausgezeichneter Präsident. Er übertrifft mich in allem“ – und führte damit das Lächerliche und Absurde der Situation vor.

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie QazNews24 sich über die Maßnahmen der kasachischen Behörden lustig macht. Zugleich haben die Autoren nie versucht, die Menschen durch Fälschungen in die Irre zu führen. Immer verwiesen sie darauf, dass alle ihre Veröffentlichungen Satire sind. Über 72.000 Menschen haben die Seite inzwischen auf Instagram abonniert.

Satire ist eine Form des öffentlichen Dialogs und eine Möglichkeit, die Absurdität dessen, was geschieht, zu reflektieren. Doch wahrscheinlich sind die kasachischen Behörden derart verunsichert, dass sie Satire als schlimme Bedrohung empfinden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die kasachischen Behörden Anstoß an denjenigen nehmen, die sich über sie lustig machen. Im vergangenen Sommer wurden die Stand-up-Comedians Nuraskhan Baskojaev und Alexander Merkul 15 Tage in Administrativhaft genommen, weil sie bei ihren Auftritten „unflätige Sprache“ verwendet hätten. Nun ist unflätige Sprache in der Comedy nichts Ungewöhnliches. Aber es macht halt nicht jeder Comedian Witze über Beamte und Korruption, und genau das taten Baskozhayev und Merkul oft.

Schon jetzt ist es in Kasachstan aufgrund der Zensur und des Drucks der Sicherheitsdienste schwierig, Kritik an der Regierung zu üben oder über die Opposition zu schreiben. Wenn man sich all dies ansieht, fragt man sich, wann in Kasachstan der Punkt erreicht sein wird, an dem Menschen nicht nur dafür verurteilt werden, dass sie Witze machen, sondern auch dafür, dass sie über Witze lachen. Wann wird unser Lachen als Akt des zivilen Ungehorsams angesehen werden?

Nikita Danilin, Jahrgang 1996, ist ein Journalist aus Almaty (Kasachstan). Er war Teilnehmer eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung.

Aus dem Russischen von Tigran Petrosyan. Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

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