Tag des inhaftierten Schriftstellers: „Stets im Visier der Regierung“
Der türkische Schriftsteller Ahmet Altan wurde im Februar 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt. Regierungskritik liegt in seiner Familie.
Er ist einer der bekanntesten Schriftsteller und Journalisten der Türkei. Altans Kriminal-, Liebes- und Geschichtsromane zählen zu den meistverkauften Büchern des Landes. Jedes seiner 16 Bücher, die er in 20 Jahren geschrieben hat, stand auf der Bestsellerliste. Seit zwei Jahren sitzt Ahmet Altan im Gefängnis.
Im September 2016 wurde Altan mit dem Vorwurf verhaftet, den Putschversuch unterstützt zu haben. Die Staatsanwaltschaft legte ihm zur Last, am Tag vor dem Putschversuch am 15. Juli 2016 in einem Fernsehprogramm „unterschwellige Putschbotschaften“ verbreitet zu haben. Sie geht davon aus, dass Altan zuvor von den Putschplänen wusste. Im Februar 2018 wurde Ahmet Altan wegen des „Umsturzversuchs der Verfassungsordnung“ zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt.
Ahmet Altan wurde 1950 in Ankara geboren. Bevor er 2007 die Zeitung Taraf gründete, arbeitete er viele Jahre als Kolumnist für die Zeitungen Hürriyet, Güneş, Milliyet und Yeni Yüzyıl. Bereits 1995 wurde Altan wegen einer Kolumne mit dem Titel „Atakürt“ vom Staatssicherheitsgericht zu einer Haftstrafe verurteilt, die später in eine Geldstrafe umgewandelt wurde.
2009 berichtete er tagelang über die zwölfjährige Ceylan Önkol, die von einer Mörserrakete getötet wurde. Das türkische Militär hatte die Rakete auf den Bezirk Lice im südosttürkischen Diyarbakır abgeworfen. Altan war einer der Wenigen, die über militärische Angriffe in den kurdischen Regionen berichtete. Nach seinem Bericht über das Roboski-Massaker, bei dem das türkische Militär 2011 34 Zivilist*innen im kurdischen Südosten bombardierte, wurde er erneut zu einer Haftstrafe verurteilt, musste die Strafe jedoch nicht antreten.
„Dieses Land hat immer seine Schriftsteller bekämpft“
Es ist kein Zufall, dass Ahmet Altan, genauso wie sein Vater, der bekannte türkische Schriftsteller Çetin Altan, mehr als hundertmal wegen seiner Texte vor Gericht verurteilt worden ist. „In der Türkei schert sich der Staat nicht um die Belange seiner Bürger*innen. Die Regierung betreibt eine Politik, durchzogen von Lügen und Profitgier“, sagt seine Tochter Sanem Altan. Çetin und Ahmet Altan seien Intellektuelle, die offen ausgesprochen hätten, dass so ein Staat kein Staat sein könne. „Aus diesem Grund sind mein Vater, Großvater und Onkel stets ins Visier der Regierung geraten. Dieses Land hat immer schon seine Schriftsteller bekämpft.“
Sanem Altans Großvater Çetin stand 300 Mal vor Gericht. „Kann es ein Zufall sein, dass sein Sohn in dem selben Land im Gefängnis sitzt?“, fragt sie und gibt sich selbst die Antwort: „Natürlich nicht.“
Kurz nach Altans Verurteilung unterschrieben im Februar diesen Jahres fast 300 Schriftsteller*innen und Akademiker*innen, darunter 38 Nobelpreisträger*innen wie Orhan Pamuk oder Hertha Müller, einen offenen Protestbrief an den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und forderten Altans Freilassung. Am 26. September erschien Altans neuestes Werk „Ich werde den Himmel nie wieder sehen“ – eine Essaysammlung mit Texten aus dem Gefängnis.
Ahmet Altan ist einer von zahlreichen inhaftierten Schriftsteller*innen und Journalist*innen. Nicht nur in der Türkei, sondern weltweit werden kritische Autor*innen von ihren Regierungen zu Unrecht verhaftet und verfolgt, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Am 15. November erinnert der internationale Autorenverband PEN mit dem „Tag des inhaftierten Schriftstellers“ an diese Menschen.
Aus dem Türkischen von Elisabeth Kimmerle und Canset İçpınar
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