Tag der offenen Moschee in Berlin: „In Dialog treten“
Die Art, wie Politiker über Muslime reden, fördert die Diskriminierung, sagt Burhan Kesici. Am Dienstag sind in Berlin gut 20 Moscheen geöffnet.
taz: Herr Kesici, seit 20 Jahren findet der Tag der offenen Moscheen am Tag der Deutschen Einheit statt, als Zeichen der Zugehörigkeit der Muslime zu diesem Land. Wie ist es darum Ihrer Meinung nach heute bestellt?
Burhan Kesici: Der Tag der offenen Moschee ist inzwischen eine deutsche Tradition, eine Institution. Viele Menschen kommen, um Kontakte aufzufrischen und in Dialog zu kommen.
Die AfD hat bei der Bundestagswahl über 13 Prozent Zustimmung erhalten, auch in Berlin gibt es einen antimuslimischen Reflex bei vielen Nichtmuslimen. Was muss die Politik, was können Muslime und Moscheegemeinden dagegen tun?
Das Erstarken der AfD ist ja kein neues Phänomen. Die latent antimuslimische Stimmung war schon seit Langem spürbar. Wir haben Politiker schon länger darauf aufmerksam gemacht, dass die Art und Weise, wie sie über Muslime reden, die Diskriminierung fördert.
Besuchstag: Seit 1997 öffnen Moscheen ihre Türen für BesucherInnen regelmäßig am Tag der Deutschen Einheit. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto: „Gute Nachbarschaft – bessere Gesellschaft“. In Berlin beteiligen sich nach Auskunft des Zentralrats der Muslime (ZMD) rund 20 Moscheen, es würden rund 15.000 BesucherInnen erwartet. Unter anderen nehmen die Ayasofya Moschee (Stromstraße 35), die Emir Sultan Moschee (Hauptstraße 150), die Haci Bayram Moschee (Koloniestraße 128) und die Khadija Moschee (Tiniusstraße 7) teil.
Mehr Informationen: tagderoffenenmoschee.de/
Können Sie sich vorstellen, dass eine Moscheegemeinde ganz offensiv auf Rechte zugeht, wenn etwa in ihrer Nachbarschaft ein AfD-Treff ist?
Ob man mit solchen Leuten in Kontakt treten will, muss jeder selbst wissen. Aber was wir auf jeden Fall machen wollen, ist, noch mehr in die Öffentlichkeit treten. So gibt es schon jetzt europaweit einen Tag, den die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş organisiert, an dem sich Gruppen in Innenstädten präsentieren und Menschen angesprochen werden: „Gestatten, ich bin Muslim. Haben Sie Fragen?“ Wir haben das am Alexanderplatz und am Zoo gemacht. Ich bin dort zum Beispiel endlich mit Leuten von der jüdischen Gemeinde ins Gespräch gekommen, die zuvor unsere Kontaktangebote immer ignoriert hatten.
Spüren Sie in Berlin nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz ein Erstarken von antimuslimischen Tendenzen?
Ich muss gestehen, dass wir in Berlin eine relativ gute Lage haben, was Alltagsdiskriminierung angeht. Dennoch hören wir von jungen Leuten, die auf Wohnungs- oder Jobsuche sind, dass sie nach dem Anschlag vermehrt mit Abwertung und Diskriminierung zu tun bekamen. Inzwischen hat sich das wieder etwas beruhigt.
44, ist Vorsitzender des Islamrats in Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft an der FU.
Stellen Sie sich vor, ich sei ein muslimkritischer Mensch. Wenn ich jetzt meine Nachbarmoschee besuche: Woher weiß ich, dass mir dort kein liberales Theater vorgespielt wird und den Rest des Jahres islamistische Hetze gegen den „verdorbenen Westen“ gepredigt wird?
Die Personen, die Hetze machen, würden ja gar nicht am Tag der offenen Moschee teilnehmen. Das machen ja gerade Moscheen, die den Kontakt zur Nachbarschaft, zu den Menschen im Kiez suchen. Zudem: Solche Leute haben auch nicht das Bedürfnis, in Kontakt zu treten. Trotzdem muss man auch hier den Dialog suchen und zum Beispiel schauen, ob die Predigten in diesen Moscheen wirklich so hetzerisch sind, wie sie dargestellt werden. Oder ob da etwas missinterpretiert oder falsch übersetzt wird.
Das sollte natürlich nicht passieren. Aber dass es Hassprediger gibt, geben Sie doch zu, oder?
Es gibt immer Gruppen, die hetzen – und nicht nur gegen Nichtmuslime, sondern auch gegen Muslime, die anders denken. Das möchte ich nicht verschweigen. Aber das ist eine absolute Minderheit. Es ist doch interessant: Bei der AfD wird ja jetzt immer betont, dass 87 Prozent sie nicht gewählt haben. Aber dass 99 Prozent der Muslime keine Radikalen und Hetzer sind, wird nicht betont. Auf der einen Seite werden also Radikale kleingeredet, auf der anderen macht man sie groß.
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