Tacheles: Kungelverdacht über der Kunstruine

In einem Monat ist Zwangsversteigerung - aber laut einem Investor steht längst fest, wer neuer Eigentümer wird: Spreedreieck-Planer Harm Müller-Spreer. Tacheles-Künstler kriegt derweil dubioses Angebot.

Das Tacheles an der Oranienburger Straße in Mitte: eine begehrte Ruine. Bild: dpa

Je näher der Termin der Zwangsversteigerung des Tacheles rückt, desto lauter werden die Namen derer gehandelt, die künftig Eigentümer der Kunstruine sein könnten. Laut einem der Mitinteressenten ist die Vergabe längst ausgekungelt: Neuer Besitzer soll der Hamburger Investor Harm Müller-Spreer werden, der Planer des Spreedreiecks.

Am 4. April werden das Tacheles und die umliegenden Freiflächen an der Oranienburger Straße in Mitte zwangsversteigert. Das hatte die HSH Nordbank als Gläubiger des früheren Eigentümers, einer insolventen Fundus-Tochter, veranlasst. Seit Wochen spricht die HSH Nordbank nur von "mehreren Interessenten" für das Gesamtareal, das gerichtlich auf 35,1 Millionen Euro taxiert wird.

Für Christian Krawinkel, Münchner Projektentwickler mit Wohnsitz in Berlin, steht der Auktions-Gewinner dagegen fest: Harm Müller-Spreer. Laut Krawinkel existieren bereits Vereinbarungen zwischen Müller-Spreer und der HSH Nordbank. Darin soll sich der Investor verpflichten, einen garantierten Mindestbetrag für das Gelände zu bieten. Im Gegenzug würden Müller-Spreer großzügige Zugeständnisse bei den Grundschulden - immerhin eine Summe von bis zu 70 Millionen Euro - gemacht, behauptet Krawinkel. "Müller-Spreer kann dadurch ungleich höher bieten, andere Wettbewerber haben keine Chance." Krawinkel hatte sich selbst für das Tacheles-Areal interessiert, wollte dort nach eigenen Auskünften zusammen mit den jetzigen Nutzern ein "Kunst- und Kulturzentrum" errichten. Davon sei er unter den gegebenen Umständen abgerückt, so der Immobilienunternehmer.

Müller-Spreer bestreitet die Übereinkunft gegenüber der taz: "Es gibt keinen Vertrag mit der HSH." Auch habe er aktuell kein Interesse am Tacheles. "Zumindest mit der derzeitigen Nutzerschaft", schiebt der Investor hinterher. Ohne die "Hausbesetzer", denen es nur um Kommerz ginge, wäre das Grundstück dagegen "nicht uninteressant". Müller-Spreer wird schon länger Interesse am Tacheles nachgesagt. Ebenso dem Chef der Bread-&-Butter-Modemesse Karl-Heinz Müller. Zuletzt kursierte auch der Name Harald Huth, Entwerfer des Steglitzer Einkaufszentrums "Schloss".

Aktuell nutzen Künstler und Gewerbetreibende das Tacheles unentgeltlich. Die HSH Nordbank ließ ihre Mietverträge Ende 2008 auslaufen. Ob es Vereinbarungen mit Müller-Spreer gibt, lässt die Bank unkommentiert. Beim Amtsgericht Mitte, wo die Versteigerung stattfinden wird, heißt es, derartiges Vorgehen wäre "private Verständigung".

Derweil hat die Metallwerkstatt auf den Freiflächen hinterm Tacheles ein ungewöhnliches Angebot erreicht. Für eine "kurzfristige Räumung bis spätestens 31. März" würde Künstler Hüseyin Arda eine "Abfindung in Höhe von 100.000 Euro" erhalten, heißt es in einem Schreiben einer Charlottenburger Kanzlei. Als "unmoralische Schweinerei" bezeichnet Arda diese Offerte. Seit 20 Jahren arbeite er auf dem Gelände, sieben Mal habe eine Räumung gedroht, erzählt Arda. "Sowas hab ich aber noch nicht erlebt." Auf das Angebot werde er keinesfalls eingehen: "Ich lasse mich nicht bestechen."

Wen die Kanzlei in dieser Angelegenheit vertritt, wollte sie nicht sagen. Man dürfe sich in dieser Angelegenheit nicht äußern, so eine Mitarbeiterin. Auch die HSH Nordbank lehnte einen Kommentar ab. Bisher waren Räumungen im Tacheles an den undurchsichtigen Nutzerverhältnissen gescheitert.

Linda Cerna, Sprecherin des Tacheles e.V., sind keine ähnlichen Angebote an andere Tacheles-Nutzer bekannt. "Wir wären auch in solcher Weise nicht käuflich." Für Cerna ist klar, dass ein neuer Eigentümer kein Konzept gegen die Künstler durchdrücken könne. "Das würde hier verbrannte Erde hinterlassen." Von Müller-Spreer hält Cerna wenig. Dieser habe beim Tränenpalast am Spreedreieck gezeigt, was er von Kultur halte. Nur nach zähem Ringen zwischen Senat und Investor wurde das Veranstaltungshaus vorm Abriss bewahrt.

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