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Tabak setzt Pharma unter Druck

Philip Morris soll Macht ausgespielt und die Vermarktung von Mitteln zur Überwindung der Zigarettensucht verhindert haben. Drohung in verschiedenen Fällen mit Herstellerwechsel bei Pestiziden aus gleichem Hause. Aktuelle Daten nicht veröffentlicht

von KATHRIN BURGER

20 Jahre lang hat die Tabakindustrie Anti-Tabak-Kampagnen der Pharmafirmen blockiert, um den Nikotinsüchtigen bei der Stange zu halten. Das decken Untersuchungen der Universität in San Francisco im renommierten Journal of the American Medical Association (Jama, Ausgabe 14. 8. 02) auf. Die Autorinnen der Studien, Bhavna Shamasunder und Lisa Bero, prangern vor allem die Machenschaften der Firma Philip Morris an.

Am Anti-Tabak-Kaugummi „Nicorette“ wird gezeigt, wie sich die Firma Gewinne sicherte. Im Jahr 1982 drohte die Firma dem Kaugummihersteller und zugleich Pestizidproduzenten Dow Chemicals damit, seine Unkrautvernichtungsmittel bei einem anderen Hersteller zu kaufen, wenn die laufende Nicorette-Werbung nicht zurückgefahren würde. Für Dow wäre das ein Umsatzausfall von acht Millionen Dollar gewesen – konventioneller Tabakanbau ist sehr pestizidintensiv. Eine Werbebroschüre namens „Smoking Cessation Newsletter“, die auch Todesstatistiken zum Thema beinhaltete, erschien daraufhin nur einmal. Der Kaugummi wurde lediglich mit „Wenn Sie aufhören wollen zu rauchen, fragen Sie Ihren Arzt“ beworben.

Ein anderer Fall von Philip Morris datiert in den Neunzigerjahren. Die Tabakfirma setzte zu der Zeit die Chemiefirma Ciba-Geigy mit denselben Mitteln wie Dow unter Druck, um die Werbung für das Nikotinpflaster Habitrol einzustellen.

Im dritten in Jama geschilderten Fall lautete die Taktik der Tabakproduzenten: mit einem Produkt Sucht zu erzeugen, um ein Gegenmittel zu verkaufen. So verdiente die schwedische Holdingfirma Procordia sowohl an Zigaretten als auch an Ersatzprodukten zur Suchtbekämpfung. Die Informationen stammen aus Dokumenten, die die Firmen selber auf ihren Internetseiten veröffentlicht hatten. „Die Studie zeigt auf, wie die Tabakindustrie ihre ökonomische Macht gegen die öffentliche Gesundheit ausgespielt hat“, schreiben die Autorinnen in Jama. Wie die Firmen heute vorgehen, sei nicht bekannt, da die Firmen keine aktuellen Daten veröffentlichen.

Dow Chemicals hat zwischenzeitlich seine Pharmaabteilung verkauft, und Nicorette wird von GlaxoSmithKline produziert. Ein Sprecher von Glaxo versicherte gegenüber amerikanischen Tageszeitungen, dass seine Firma nicht unter Druck gesetzt wurde. Auch der Ciba-Geigy-Nachfolger Novartis, der seine Agrargeschäfte vor zwei Jahren abgespalten hatte, schreibt in einem Brief an Jama, „dass Novartis immer im Interesse der Gesundheit des Patienten gehandelt hätte“.

Zur Philip-Morris-Gruppe gehören nicht nur Zigarettenmarken wie Marlboro und Chesterfield, sondern auch die Firma Kraft Foods International, die vor allem mit Schokolade (Milka), Keksen und Kaffee weltweit im Geschäft ist.

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