TV-Serien: Dänisch für Anfänger

Das ZDF nimmt erstmals Mal seit Jahrzehnten ausländische Serien ins Vorabendprogramm. Den Auftakt macht "Anna Pihl - Einsatz in Kopenhagen".

Prügeleien mit reiferen Hooligans: Polizistin Anna Pihls Bild: ZDF/ Thomas Marott

An ihrem ersten Arbeitstag als Streifenpolizistin in Kopenhagen prügelt sich Anna Pihl gleich mit Rune, einem schon etwas reiferen Hooligan, obwohl sie dem doch eigentlich nur klarmachen soll, dass er die gerichtliche Auflage hat, sich nicht seiner Ehefrau zu nähern. Aber der Einsatz in Runes Restaurant steht von vornherein unter keinem guten Stern, denn der Wirt hält Anna für eine der Stripperinnen, die er bestellt hatte, und weibliche Polizisten nimmt er natürlich eh nicht für voll. So läuft die Aktion aus dem Ruder, und Anna bekommt einen Rüffel ihres Vorgesetzten. Man ahnt, dass das noch öfter passieren wird in den nächsten 15 Folgen.

Die Titelheldin der neuen ZDF-Serie "Anna Pihl - Auf Streife in Kopenhagen", die am Donnerstag startet, ist dickköpfig, aufmüpfig, übereifrig, tapsig, herzensgut und leicht naiv, und mit ihrem, tja, natürlichen Charme dürfte es ihr auch gelingen, Menschen für sich einzunehmen, die am frühen Abend normalerweise nicht fernsehen. Diese Figur verkörpert Charlotte Munck, die in Dänemark auch als Sängerin bekannt ist.

Fürs ZDF ist "Anna Pihl" der Auftakt zu einer international angehauchten Sommer-Offensive im Seriengenre. Am 25. Juli hat mittwochs um 20.15 Uhr "Dr. Martin" Premiere, die Adaption einer englischen Serie, in der Axel Milberg einen ostfriesischen Landarzt spielt, der keine Menschen mag, kein Blut sehen kann und zwanghaft die Wahrheit sagt. Martin sei "eine Light-Variante von 'Dr. House'", sagt Klaus Bassiner, der beim ZDF die Abteilung Reihen und Vorabendserien leitet. Im August folgt freitags im Vorabendprogramm mit "Wild at Heart" eine Serie um einen Arzt, der mit seiner Patchworkfamilie ein neues Leben in Afrika beginnt.

Klaus Bassiner sagt, es gehe grundsätzlich darum, in dieser Jahreszeit nicht mehr so viele Wiederholungen zu senden wie bisher. Man könne es sich nicht mehr erlauben, den Sommer als weniger wichtige TV-Saison zu betrachten. Internationale Serien im ZDF-Vorabendprogramm - das hat es zuletzt in den 80er- und frühen 90er-Jahren gegeben ("Ein Colt für alle Fälle", "Alf"). Zum einen, weil inhaltlich vorabendgerechte ausländische Serien aus Längengründen um 18 bzw. 19.25 Uhr normalerweise nicht ins Programm passen. Zum anderen, weil der Sender längst weiß, dass man auf diesen Sendeplätzen Erfolg hat, wenn man dem Publikum Heimatkolorit liefert. Das gilt für "Notruf Hafenkante" und "Rosenheim Cops" sowie besonders für die seit fast 30 Jahren ermittelnde "SOKO 5113" aus München und die zahlreichen "SOKO"-Ableger.

"Natürlich ist es ein Risiko, die neuen Serien einzukaufen", sagt Bassiner. Schließlich kann keiner wissen, ob dem deutschen Zuschauer möglicherweise britische oder dänische Eigenarten nicht behagen. In den Ursprungsländern sind die Sendungen überaus erfolgreich: Die ITV-Produktion "Wild at Heart" lockt in Großbritannien zehn Millionen Menschen an, und wenn in Dänemark "Anna Pihl" läuft, schauen 1,42 Millionen zu - ein Viertel der Landesbevölkerung.

Die grundsätzliche inhaltliche Ausrichtung des Vorabends bleibt von den Ankäufen übrigens unberührt. Abgesehen vom Montag, wenn das Verbrauchermagazin "WISO" läuft, lautet das Rezept für die beiden Vorabendsendeplätze entweder Krimi plus Krimi oder Krimi plus Arztserie. Und es gilt: Je mehr Familienthemen drin sind, desto besser.

Private Probleme nehmen auch bei "Anna Pihl" viel Raum ein: Sie ist alleinerziehende Mutter, der Exmann ist ein Spacken, und ihr Vater hat den Tod seiner Frau noch nicht verwunden. Im weitesten Sinne zur Familie gehört auch Annas schwuler Mitbewohner - und vielleicht auch bald ihr Kollege, mit dem sie in den ersten beiden Folgen flirtet, von dem man aber noch nicht weiß, was er im Schilde führt.

Manchmal berühren auch Annas Fälle ihr Privatleben, um spektakuläre Delikte geht es kaum. Adam Price, dem auch fürs Theater tätigen Autor der Serie, ist es gelungen, die Eigenarten des traditionellen skandinavischen TV-Krimis aufs Vorabendformat zu übertragen. Und wenn man einen genauen Blick auf Requisite und Licht wirft, entdeckt man ein Charakteristikum, das für eine Vorabendserie sehr ungewöhnlich, am ehesten jedoch bei einer dänischen zu erwarten ist: "Anna Pihl" hat einen Hauch von Dogma.

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