TV-Melodram „Jahr des Drachen“: Frau an frittiertem Frosch
Die ARD schickt Klaus J. Behrendt als Manager zum Verlieben nach Vietnam. In „Jahr des Drachen“ sind alle Fremde – und bleiben es auch.
„Year of the Dragon“ ist ein bald dreißig Jahre alter amerikanischer Thriller, der dritte Film in Michael Ciminos Amerika-Trilogie, Mickey Rourke gibt einen toughen Cop, der die Gangster in New Yorks Chinatown das Fürchten lehrt. Was ist nun davon zu halten, wenn die ARD einen nagelneuen Film mit dem Titel „Jahr des Drachen“ ins deutsche Fernsehen bringt? Mit „Tatort“-Ermittler Klaus J. Behrendt in der Hauptrolle. Bart tragend, wohl damit der Zuschauer nicht in die Versuchung kommt, Kommissar Max Ballauf zu sehen.
Der Anfang kann als Exposition für einen Thriller durchgehen. Ein deutscher Manager, Behrendt, schließt im wuseligen Saigon ein großes Geschäft ab. Er lässt sich auf die Usancen seiner gastgebenden Geschäftspartner ein, frittierter Frosch und Hostessenservice. Atmosphärische Exotik, Erotik. Allein die Thriller-Handlung will sich nicht entfalten. Die Geschäftspartner sind von der etwas windigen, postsozialistisch-turbokapitalistischen Sorte, wie sie das Südostasien-Stereotyp offenbar vorsieht.
Dazu passt das gute, alte Boy-meets-girl-Spiel des Managers und einer jungen, von den Gastgebern für eine Nacht bezahlten Frau (Nina Liu). Same same but different.
„Tom. You married?“
„Verheiratet? No. I’m divorced.“
Und: „Tom. You have girl?“
„Nein. Du bist mein girl.“
„Sure?“
„No have girl. Only you.“
Der Zuschauer weiß es besser. Der Manager ist nicht einfach nur verheiratet, seine Frau (Karoline Eichhorn) laboriert an einem Krebsleiden. Seinem Sohn (Florian Bartholomäi) hat der Manager, der Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen, mit seiner rigiden Art die Jugend versaut. Meint der Sohn. Er schmiert es dem nach Deutschland zurückgekehrten Vater in einer allzu brillanten, an William S. Burroughs geschulten Geburtstagsrede aufs Brot: „Ich danke dir für die Träume, die du für mich aufgegeben hast. Für den Realismus, mit dem du mir die Flausen aus dem Kopf getrieben hast. Ich danke dir für deine Wahrheitsliebe, die mich schon als kleinen Jungen hat spüren lassen, was Schuld und Scham heißt.“
Liebe + Geld = Paradox
Der Manager selbst muss erst 50 werden, um das am eigenen Leib zu erfahren. „Du bist nicht zynisch genug für die Geschichte“, sagt eine zynische Freundin, die Einzige, die er einweiht. Wie das bei Verliebten so ist, macht er sich zum Affen. Midlife-Crisis halt. So taugt er zum Schulterzucken, nicht zur Identifikation. Das gilt auch für alle anderen. Die Ehefrau hat sich eingemummt in ihre Krankheit, der Sohn ist zu larmoyant geraten, die Frau aus Vietnam bleibt eine Fremde. Die pragmatische Selbstverständlichkeit, mit der sie die große Liebe und wirtschaftliche Interessen kurzzuschließen vermag, ist aus westlicher Sicht paradox.
Identifikation ist nicht zwingend notwendig für einen guten Film. Es gibt solche, deren Stärke gerade in der Distanz allen Handelnden gegenüber liegt. Dieser Film von Torsten C. Fischer (Regie) und Karl-Heinz Käfer (Buch) gehört nicht dazu. Beide sind TV-Routiniers, viele Krimis, gleichwohl nicht festgelegt auf ein Genre. Mit „Jahr des Drachen“, das Ergebnis lässt das vermuten, wollten sie ein archetypisches Melodram im Stile Douglas Sirks machen. Das aber funktioniert nur mit Identifikation.
„Year of the Dragon“ sah sich seinerzeit heftigen Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt. „Jahr des Drachen“ wirkt da eher auf unbedarfte Weise klischeehaft.
„Jahr des Drachen“, 10. Oktober 2012, WDR, 20:15 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“