TV-Kameras im Gerichtssaal?: „Nicht im Namen des Fernsehens“
Angst vor Übertragung: Justizminister Maas will das TV-Kameraverbot an Bundesgerichten lockern. Doch dort formiert sich Widerstand gegen den Plan.
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Justizminister Heiko Maas (SPD) will die Fernseh- und Radioübertragung von Urteilen der Bundesgerichte erlauben. Doch alle Bundesgerichte seien dagegen, wie die Präsidentin des Bundesgerichtshofs (BGH), Bettina Limperg, bei einer Veranstaltung der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin erklärte. Seit 1965 sind Bild und Ton-Aufnahmen von Gerichtsverhandlungen in Deutschland generell verboten. Nur Urteile des Bundesverfassungsgerichts dürfen seit 1998 übertragen werden.
Diese restriktive Rechtslage will der Justizminister lockern. So sollen Urteile der fünf Bundesgerichte (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht) künftig für Radio- und Fernsehaufnahmen zugänglich sein. Sein Gesetzentwurf ist derzeit in der Ressortabstimmung.
Am stärksten betroffen wäre der BGH mit jährlich mehr als 600 mündlich verkündeten Zivil- und rund 150 Strafurteilen. Die ablehnende Haltung der Bundesgerichte sei aber einmütig, sagt Limperg. Es habe auch schon einen gemeinsamen Brief an Maas gegeben.
Limpergs Sorge ist der „Missbrauch“ der Bilder. Wenn sich ein Richter verhaspele oder verspreche, dann könnte das in Satireshows oder auf YouTube landen. „So etwas gefährdet das Ansehen der ganzen Justiz“, glaubt sie. ARD-Rechtskorrespondent Frank Bräutigam erinnerte Limperg daran, dass Urteile „im Namen des Volkes“ gesprochen werden. „Aber nicht im Namen des Fernsehens“, entgegnete die BGH-Präsidentin. Limperg befürchtet, dass die Übertragung von Urteilen der Bundesgerichte lediglich als Einstieg dient.
„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Forderung nach einer weiteren Öffnung der Justiz für Kameras kommt.“ Die Vernehmung von Zeugen und Angeklagten im Strafprozess sei hierfür jedoch völlig ungeeignet, dies gefährde die Wahrheitsfindung und verletze Persönlichkeitsrechte.
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