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TV-Duell zwischen Sarkozy und HollandeKampf um die Unentschlossenen

Viele Franzosen geben an, nicht zu wissen, wen sie am Sonntag zum Präsidenten wählen wollen. In einem hitzigen TV-Duell am Mittwochabend wollten die Kandidaten das ändern.

„Glauben Sie, mir alles sagen zu können?“: Aufregung im Fernsehstudio. Bild: dpa

PARIS dpa | Mit dem großen TV-Duell zwischen Nicolas Sarkozy und François Hollande ist der französische Präsidentschaftswahlkampf auf die Zielgerade gegangen. Der amtierende Präsident und sein sozialistischer Herausforderer lieferten sich am Mittwochabend einen knapp dreistündigen verbalen Schlagabtausch.

In beiden Lagern wurde die teilweise sehr hitzig geführte Rededebatte als mögliche Vorentscheidung vor der entscheidenden Stichwahl am Sonntag gesehen. In Umfragen lag der Sozialist Hollande bis zuletzt klar vor dem konservativen Amtsinhaber Sarkozy – etliche Wähler gaben aber an, noch unentschlossen zu sein.

Das erste und einzige direkte Duell der Präsidentschaftskandidaten war von Anfang an durch einen offensiven Ton geprägt. Der 57-jährige Sarkozy versuchte mit Angriffen auf das Zahlenwerk im Wahlprogramm seines gleichaltrigen Kontrahenten zu punkten. Hollande dagegen konterte mit Hinweisen auf die Regierungsbilanz des um eine zweite Amtszeit kämpfenden Staatschefs – und die hohen Arbeitslosenzahlen.

„Sie suchen permanent Sündenböcke, es ist nie Ihre Schuld“, betonte er, als Sarkozy auf die Krise verwies. Dieser warf Hollande hingegen vor, sich nicht am erfolgreichen Modell Deutschland orientieren zu wollen. „Wettbewerbsfähigkeit ist das Schlüsselwort“, sagte Sarkozy. „Glauben Sie wirklich, dass Sie mir alles sagen können?“, empörte sich Hollande, als er der Lüge bezichtigt wurde.

Die Pläne der Wahlkämpfer zum Abbau des französischen Budgetdefizits standen im Zentrum der von Millionen Franzosen verfolgten Debatte. Beide bezogen sich in ihren Reden mehrfach auf Deutschland und dessen wirtschaftliche Bilanz. In der Europa-Politik hielt der Sozialist seinem Kontrahenten mit Blick auf Frankreichs wichtigsten Partner Deutschland vor: „Sie haben sich nicht gut gehalten, Sie haben nichts erhalten (von Deutschland)!“

„Atomenergie ist Trumpf“

Hollande will unter anderem Spitzenverdiener deutlich höher belasten, projektbezogene Eurobonds einführen und die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) ausweiten, um das Wachstum anzukurbeln. „Selbst von der deutschen Seite gibt es dazu schon eine neue Geisteshaltung“, behauptete er.

Sarkozy, der erneut Eurobonds ablehnte, plant nach deutschem Vorbild die Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung. Hollande will unter anderem den Fiskalpakt neu verhandeln und bis Ende 2012 die französischen Truppen aus Afghanistan abziehen. Sarkozy hält beide Vorschläge für unverantwortlich.

Im Bereich der Energiepolitik verteidigte der Präsident die 58 Atomreaktoren des Landes mit den Worten: „Die Atomenergie ist ein französischer Trumpf – unsere deutschen Freunde zahlen 35 Prozent mehr für ihren Strom als wir.“ Deutschland habe im Bereich der erneuerbaren Energien eine knappe Viertel Million Arbeitsplätze, Frankreich 50.000, konterte Hollande, der bei seiner Wahl das AKW Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze schließen will. Es ist das älteste des Landes.

In der zweiten Runde der französischen Präsidentenwahl sind am kommenden Wochenende rund 46 Millionen Franzosen aufgerufen, das Staatsoberhaupt für die kommenden fünf Jahre zu wählen. Sollte Hollande gewinnen, käme 17 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist an die Macht.

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4 Kommentare

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  • S
    Sören

    Ich denke, dass bei diesem Duell die Inhalte eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Nach dem wochenlangen Wahlkampf dürften die Positionen der Kandidaten ja bekannt sein. Im Mittelpunkt stand eher das Verhalten der Beiden, und nach allem, was ich gelesen habe, scheint N. Sarkozy hier kein Sieg gegen F. Hollande gelungen zu sein.

     

    F. Hollande geht also wohl als Favorit in die Wahl am Sonntag. Interessant wird sein, mit welcher Parlamentsmehrheit es der neugewählte Präsident zu tun haben wird. Die Wahlen zur Nationalversammlung finden ja im Juni statt.

     

    Es ist nicht „undemokratisch“, dass Mme Le Pen nicht an dem Duell teilgenommen hat. Sie steht schließlich nicht zur Wahl, es handelte sich um ein reines Duell zwischen den Kandidaten der Stichwahl.

  • W
    Weinberg

    Ob die deutschen Spezial-Sozialdemokraten an François Hollande als dem neuen französischen Präsidenten ihre Freude haben werden?

     

    In Sachen Fiskalpakt wollen Gabriel, Steinmeier und Konsorten bekanntlich Merkel derzeit noch rechts überholen.

     

    Darf aber vermutet werden, dass die deutschen Sozis nach der Wahl von Hollande nach einer kleinen Schamfrist ganz schnell von ihrem Vorhaben, den Fiskalpakt noch weiter zu verschärfen, ablassen?

  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    Wenn man der französischen Presse von heute morgen glaubt, dann war das Ergebnis Unentschieden. Das Wahlthema Nr. 1, die Massenarbeitslosigkeit wurde von beiden Kandidaten nur am Rande angesprochen.

    Aber das ist nicht überraschend, nach alter Weisheit wählt man im 1. Wahlgang den Kandidaten nach seinem Programm und im 2. Wahlgang stimmt man gegen den Kandidaten, den man auf keinen Fall will. Für viele Wähler ist es die Wahl zwischen Pest und Colera.

  • V
    viccy

    Le Pen mit rund 18 Prozent wird nicht eingeladen, ist das demokratisch?