TV-Doku „Jeder schreibt für sich allein“: Geister der Vergangenheit
Kann man Autor:in und Werk voneinander trennen? Das fragt eine Arte Dokumentation zu Schriftsteller:innen im Nationalsozialismus.
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Der Titel „Jeder schreibt für sich allein“ mag an stille Autor:innen erinnern, deren Werke nie das Licht der Welt erblickten. Doch die Arte-Dokumentation, basierend auf dem Buch von Anatol Regnier, beschäftigt sich mit bedeutenden deutschen Schriftsteller:innen und ihrem Schaffen während des Nationalsozialismus.
Dominik Graf porträtiert in seinem Film etwa Heinrich Mann, der aus dem Ausland seine deutschen Kolleg:innen kritisiert, oder Gottfried Benn, der NS-Denkweisen im deutschen Radio predigt. Erich Kästner, Hans Fallada und Ina Seidel sind weitere Autor:innen, die in der Dokumentation wegen ihrer Passivität und Gefühlskälte kritisiert werden.
Passagen aus ihren Texten werden mit melancholischer Stimme eingesprochen, dazu Naturimpressionen. Fast alle genannten Autor:innen akzeptierten das NS-Regime ohne öffentliche Kritik.
Die immerhin dreistündige Dokumentation fragt, ob man Autor und Werk trennen kann. Historiker:innen berichten über ihre eigenen Wahrnehmungen der Schriftsteller:innen. Sie erläutern, wie sich ihre kindliche Bewunderung für die Künstler wandelte, als sie vom Verhalten der Autor:innen während des NS-Regimes erfuhren.
Und dann Dr. Benn
Besonders bei Benn stellen die Historiker:innen einen Zwiespalt dar. Wie konnte jemand, dessen Gedichte voll von „Doppelbödigkeit und Gefühlstiefe“ waren, gleichzeitig Nazisprache verwenden und Menschenverachtung bekunden?
Der Film ist durch die langen Textpassagen aus den Werken der Autoren nicht unermüdend. Auch eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Werk und Autor bleibt er letztlich schuldig.
Wichtig ist die dennoch, denn: Die Dokumentation „Jeder schreibt für sich allein“ ist ein bedeutendes Stück Aufklärungsarbeit, die uns dazu bewegen kann, aus dem widerspruchslosen Folgen rechter Denkweisen auszubrechen.
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