TU streitet mit der Landesregierung: Der Rotstift geht um
Die Technischen Universität droht damit, den schwarz-roten Senat zu verklagen. Denn mit den Einsparbeschlüssen wird der Hochschulvertrag verletzt.
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Die Klage werde dann eingereicht, wenn die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra „bis zum 10. März 2025 keine substantiellen Verhandlungsvorschläge unterbreitet“, heißt es in dem Beschluss. Ob die SPD-Senatorin durch diese Hintertür zum Kompromiss schreiten wird, ist derzeit offen. Im Moment häufen sich im wissenschaftlichen Berlin die Hiobsbotschaften, die der abrupte Sparkurs des Senats ausgelöst hat.
Und die finanziellen Daumenschrauben werden nicht nur in diesem Jahr schmerzen, wo allen Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine Etatkürzung von 8 Prozent auferlegt wurde. Auch in den Jahren 2026 und 2027 regiert der Rotstift weiter, wie aus den am Dienstag vom Senat beschlossenen Eckwerten für den Doppelhaushalt dieser beiden Jahre hervorgeht.
Gegenüber den bisherigen Ansätzen muss in beiden Jahren der Landesetat um zusammen 1,5 Milliarden Euro schrumpfen. Das betrifft auch das Budget der Wissenschaftsverwaltung, die 2026 mit 3,5 Milliarden Euro auskommen muss – der zweitgrößte Posten im Berliner Etat nach dem Schulressort. Licht am Ende des Tunnels wird immerhin für 2027 vom Finanzsenator in Aussicht gestellt: Dann soll die Wissenschaft um den minimalen Betrag von 35 Millionen Euro wachsen. Bis dahin kann aber noch viel passieren.
Stillstand und Abbau
Oder eben nicht: Die Präsidenten und Rektoren der Hochschulen richten sich auf Stillstand und Abbau am einst prosperierenden Wissenschaftsstandort ein. „Wir hätten es uns anders gewünscht“, kommentiert TU-Präsidentin Geraldine Rauch den Beschluss des Akademischen Senats, dem gleichlautende Voten des Präsidiums und des Kuratoriums vorangegangen waren.
„In den vergangenen Monaten sind aber zu viele Versprechen gebrochen und zu viele Bemühungszusagen ergebnislos verlaufen“, sagt Rauch mit spürbarer Verbitterung. Die vom Regierenden Bürgermeister angekündigte Hochschulbauoffensive habe sich „zu einer Hochschulbaublockade umgewandelt“.
So habe die TU erst aus der Zeitung erfahren, dass die Finanzverwaltung die Finanzierung des geplanten Physikneubaus aus Eigenmitteln der Universität nicht erlaube. „Und dies, obwohl der Bund uns bereits 31,5 Millionen Euro an Förderung zugesagt hat“, betont die TU-Präsidentin.
Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin
Zuvor war die Hochschule von der Senatswissenschaftsverwaltung ausdrücklich aufgefordert worden, sich um diese Bundesmittel zu bewerben. „Die aktuelle Landesregierung scheitert offenbar nicht nur an einer Zukunftsstrategie für Berlin, sondern auch an internen Ressortabstimmungen“, bewertet Rauch das politische Chaos. Es sehe nun so aus, „als würden 31,5 Millionen Euro Bundesförderung verfallen und die experimentelle Physik als wichtiger Innovationstreiber für Wirtschaft und Transfer abgewickelt“. Dafür hat die TU-Chefin nur das Label: „Ein Armutszeugnis für Berlin.“
Wochen des finanziellen Fingerhakelns
Für den laufenden Etat 2025 haben die Wochen des finanziellen Fingerhakelns begonnen. „Eine Entscheidung über den Haushalt der Berliner Hochschulen wird im Rahmen der kürzlich gestarteten Verhandlungen von Änderungsverträgen zu den Hochschulverträgen 2024–2028 getroffen, die bis Mitte des Jahres 2025 abgeschlossen sein sollen“, erklärt eine Sprecherin von Wissenschaftssenatorin Czyborra der taz auf Anfrage.
Die aktuelle Summe, die die Hochschulen 2025 einsparen müssen, stehe „noch nicht endgültig fest“. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege „befindet sich mit den Hochschulen hierzu in einem engen Austausch“, so die Auskunft. Bislang war von einem „Aderlass“ von 106 Millionen Euro für die Hochschulen die Rede.
„Die Hochschulen haben ein großes Interesse an einer konstruktiven Lösung“, versichert die Sprecherin der Humboldt-Universität, Christiane Rosenbach. Die HU leitet derzeit die Konferenz der Berliner Hochschul-Rektoren und Präsidenten. Aber nicht überall kommen Gespräche in Gang. „Leider wurde eine Gesprächsanfrage von Anfang Januar an den Regierenden Bürgermeister, den Finanzsenator und die Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsfraktionen bisher nicht beantwortet“, bemerkt die HU-Sprecherin.
„Wir hoffen weiterhin darauf, dass die Landesregierung den Wert der Wissenschaft erkennt“, ergänzt die TU-Chefin. „Es muss etwas passieren beim Hochschulbau, die soziale Verantwortung für unsere Beschäftigten ist keine Verhandlungsmasse, unsere exzellenten Forscher*innen verdienen eine andere Wertschätzung“. Die Wissenschaftssenatorin sollte „mit einem Plan voranschreiten“. Dafür sei es noch nicht zu spät. „Es geht um nicht weniger als den internationalen Ruf des Wissenschaftsstandorts Berlin.“
„Bei der Bildung darf kein Cent gestrichen werden“
Auch die Wirtschaft ist alarmiert. „Vor allem die Ausgaben für die Infrastruktur, Bildung und Innovation haben eine überragende Bedeutung für unsere wirtschaftliche Zukunft“, sagte der Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg (UVB), Alexander Schirp, nach dem Senatsbeschluss zum Doppelhaushalt.
Nicht nur Straßen, Schienen und Brücken müssten in Berlin dringend ertüchtigt und ausgebaut werden. „Bei der Bildung darf kein Cent gestrichen werden“, wird der Wirtschaftsvertreter deutlich. Und zur Forschung mahnt er: „Berlin muss zudem weiter Top-Innovationsstandort bei Themen wie Künstliche Intelligenz, Quantencomputing und Additive Fertigung sein.“
Welche wirtschaftliche Bedeutung die Wissenschaft jetzt schon für Berlin hat, beleuchtete kürzlich eine Untersuchung des Netzwerks „Berlin Research 50“ für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Nach dem Papier „Wertschöpfung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Berlin“, generieren die außeruniversitären Institute der Helmholtz- und der Fraunhofer-Gesellschaft „durch direkte, indirekte und induzierte Beschäftigungseffekte ca. 34.000 Arbeitsplätze in Berlin und stellt somit ca. 1,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen in Berlin“.
Von ihnen wird eine Gesamtbruttowertschöpfung von 1,6 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaftet. Umgekehrt förderte das Land Berlin dieses Institut im Jahr 2023 mit ungefähr 208 Millionen Euro. Das meiste Geld kam dagegen aus dem Bundesetat, während die Hochschulen als Landeseinrichtungen vollständig aus dem Landessäckel finanziert werden. In der Summe wurden also pro investierten Landes-Euro weitere 8 Euro an Bruttowertschöpfung generiert – die Wissenschaft als Wirtschaftsmotor. Außerdem erhält das Land Berlin erhebliche Rückflüsse durch Steuereinnahmen. „Schätzungsweise fließen etwa 104,4 Millionen Euro an Steuereinnahmen ans Land Berlin, sodass sich die Nettobelastung auf circa 103,6 Millionen Euro belaufen“, bilanziert die Untersuchung.
Sparhammer schlägt unerbittlich zu
Doch von einer entsprechend zukunftsgerichten Sichtweise ist bei den politischen Akteuren derzeit wenig zu spüren. Der Sparhammer schlägt unerbittlich zu. Nach einer Meldung des Tagesspiegels hat es jetzt auch eine der ältesten und renommiertesten zivilgesellschaftlichen Bildungseinrichtungen der Stadt, die Urania in Schöneberg, getroffen.
Johanna Sprondel, Urania-Direktorin
Ab dem 1. April muss die Urania mit 950.000 Euro weniger auskommen, die ihr vom Senat zugesagt waren. „Berlin zerstört eine Institution, die es seit 1888 gibt“, entrüstete sich Urania-Direktorin Johanna Sprondel. „Wir machen Volksbildung, das ist direkte Demokratieförderung“, wird sie von der Zeitung zitiert. Bei Antritt des schwarz-roten Senats war die Zusage noch eine andere: „Die Urania als Bürgerforum für Demokratie wird bei ihrem Bauvorhaben und bei ihrer programmatischen Neuausrichtung begleitet und unterstützt“, wurde im Koalitionsvertrag formuliert.
Am Donnerstag traf es auch den Botanischen Garten, der von der FU betrieben wird. Das Abgeordnetenhaus kürzte die Mittel für die Sanierung des beliebten Mittelmeerhauses. „Das Jugendstilgebäude ist eine echte architektonische Rarität und beherbergt eine der wertvollsten Pflanzensammlungen des Mittelmeerraumes“, heißt es in einer Erklärung.
„Es ist der Publikumsliebling und das Älteste der insgesamt 15 historischen Gewächshäuser“. Für die Sanierung des Mittelmeerhauses waren 25 Millionen aus Landesmitteln angesetzt, die Vorbereitungen und die Bauplanung laufen seit 2020. Nun aber drohe die baldige Schließung.
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