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TBT-Gift in die Nordsee: Ja, bitte

■ Trotz Ächtung des Umweltgiftes Tributylzinn hofft Bremen, seinen verseuchten Hafenschlamm doch in die Nordsee kippen zu dürfen.

a klar bin ich zuversichtlich. Ich gehe davon aus, daß wir weitermachen können“, frohlockt Hinrich Gravert, Leiter des Hafenamtes Bremerhaven. Ihm sitzt sein mit dem Umweltgift Tributylzinn (TBT) verseuchter Hafenschlamm im Nacken, den er auf Grund einer Vereinbarung mit der Bezirksregierung Lüneburg nicht mehr in der Nordsee verklappen darf. Am Montag entscheidet die Bezirksregierung erneut über eine Verklappungsgenehmigung. Dann sollen die Ergebnisse neuer Kontrollmessungen komplett vorliegen.

Was genau schon jetzt die Zuversicht des Hafenamtsleiters hervorruft, ist unklar. Jedoch ist das Verklappen des Hafenschlammes die billigste Lösung für die klamme Bremer Haushaltskasse. Entsprechend stark war der politische Druck, den das Land Bremen auf die niedersächsische Landesregierung und Lüneburg ausgeübt hat. „Schließlich kann man ja die Schiffahrt nicht verbieten“, argumentiert der Sprecher des Häfensenators, Rüdiger Staats.

Grund für den noch geltenden Verklappungsstopp ist die Belastung des Schlammes mit dem Umweltgift Tributylzinn (TBT), die taz berichtete mehrfach ausführlich. TBT vergiftet nachhaltig das Ökosystem Wattenmmeer. TBT wird als Anstrichfarbe für Schiffe verwendet und soll einen Bewuchs der Schiffsböden verhindern. Der Bewuchs führt zu erhöhtem Treibstoffverbrauch und verlangsamt die Schiffe (siehe auch nebenstehendes Interview).

Tatsächlich hat Bremen mehr Geld in die dubiose Meßungen von TBT-Vorkommen und Studien über mögliche Beeinträchtigungen der Weser und der Nordsee gesteckt, als in die Suche nach Alternativen zur Verklappung. Obwohl es Verfahren gibt, TBT-Meßungen seriös zu bewerten, ging Bremen mit extrem von einander abweichenden Meßdaten hausieren. So erteilte die Bezirksregierung Lüneburg seinerzeit auf Grund sehr niedriger TBT-Werte, die ihr vom Bremerhavener Hafenamt gegeben wurden, ihre Verklappungsgenehmigung, die jetzt zurückgenommen wurde.

Aufgeschreckt durch das internationale Verbot von TBT-haltigen Anstrichen an Schiffen unter einer Länge von 25 Metern reagieren Bremerhavener Werften gereizt. „Es ist zum verrückt werden, die TBT-Herstellung ist erlaubt, die Nutzung für Schiffsanstriche ist, wenn auch eingeschränkt, erlaubt. Aber jetzt sind es die Werften, die Schuld an der Meeresvergiftung haben“, erregt sich Dieter Haake von der Bremerhavener Lloyd-Werft.

Bei Schiffsneubauten und Reparaturen fallen große TBT-Mengen an, die in das Hafenwasser gelangen können. „Uns ist das Problem seit zehn Jahren bekannt, und wir haben immer nach Alternativen gesucht. Hätte der Zusammenbruch des Vulkan uns nicht finanziell in Bedrängnis gebracht, hätten wir unsere Docks schon längst sicherer gemacht.“

Spät kommt die Einsicht, immerhin sie kommt: Lloyd will in nächster Zeit für die Modernisierung seiner Reparaturdocks fünf bis sechs Millionen Mark investieren. „Wie wir das finanzieren, weiß ich noch nicht“. Haake hofft auf öffentliche Gelder.

Er muß sich beeilen, denn des Umweltbundesamt will TBT international ächten. „Schiffsfarbenhersteller arbeiten fieberhaft an Alternativen zu TBT. Wir müssen sofort Kriterien entwickeln, wie das hochgiftige TBT zu behandeln ist. In den nächsten zehn Jahren muß TBT grundsätzlich verboten werden“, sagt Anita Künitzer vom Umweltbundesamt. Künitzer weiß, warum ihr Amt Druck auf die Schiffslobby ausüben muß. Noch unveröffentlicht schlummert in ihrer Schublade die jüngste umfassende Studie über TBT-Belastung in der Nord- und Ostsee. Danach ist die Nordsee flächendeckend und vor den Häfen Norddeich, Dornumer-Accumersiel und Harlingersiel schwer belastet.

Kurzfristig hat die Koblenzer Bundesanstalt für Gewässerkunde inoffizielle Grenzwerte für den Umgang mit TBT festgelegt. Nach dieser Orientierungshilfe dürfte, zieht man alle bisherigen Daten zu Rate, kein Schlamm aus Bremerhaven in die Nordsee gekippt werden. Anita Künitzer vom Umweltbundesamt sagt resignierend: „Verglichen mit gleichwertigen Nationalparks in der Welt, ist der Nationalpark Wattenmeer der am wenigsten geschützte. Hier darf aus wirtschaftlichen Gründen noch vieles gemacht werden, was in anderen Ländern undenkbar wäre.“

Darauf gründet sich wohl die Hoffnung des Bremerhavener Hafenamtsleiters. T.S./Foto: K. H.

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