piwik no script img

Systematisches Doping"Kollektives Versagen" im US-Baseball

Nicht nur im Radsport, sondern auch im US-Baseball wird systematisch gedopt, wie eine Untersuchung enthüllt. Auch einer der besten Pitcher aller Zeiten wird darin belastet.

Vom Ex-Konditionscoach schwer belastetet: Auch Roger Clemens soll gedopt haben Bild: ap

BERLIN taz Die Helden der Landstraße haben Konkurrenz bekommen. Die "Boys of Summer" schicken sich an, ihnen den Titel im Hochleistungsdrogenschlucken abzujagen. So wie im Radsport sind Dopingpraktiken auch im amerikanischen Profi-Baseball flächendeckend verbreitet. Aber Baseball hat es nun sogar schwarz auf weiß.

In der Nacht zu Freitag stellte in New York der ehemalige Senator George J. Mitchell seine von der Major League Baseball (MLB) in Auftrag gegebene Untersuchung vor. Der sogenannte Mitchell Report dokumentiert den verbreiteten Gebrauch von Anabolika und Wachstumshormonen unter Spielern der beiden großen Profi-Ligen. Auf 409 Seiten legt er Beweise vor, Zeugenaussagen von ehemaligen Spielern und Betreuern, ja sogar Kopien von Quittungen und Schecks. Und er nennt Namen, 89 insgesamt. Darunter bereits bekannte wie Barry Bonds, der momentan wegen Meineides vor Gericht stehende Homerun-Rekordhalter, oder den bereits vor Jahren geständigen Jason Giambi von den New York Yankees.

Gestützt auf die Aussagen von Brian McNamee und Kirk Radomski, zwei ehemaligen Betreuern und Trainern, die mit der Androhung einer Strafverfolgung gezwungen wurden zu kooperieren, belastet der Mitchell Report aber auch viele bislang unbescholtene Profis. Der prominenteste: Roger Clemens, einer der besten Pitcher aller Zeiten. Clemens hat die Anschuldigungen durch seinen Anwalt zurückweisen lassen, aber die Beweise sind überwältigend: Sein ehemaliger Konditionscoach McNamee beschreibt detailliert, wie er Clemens Spritzen mit Wachstumshormonen und Anabolika setzte.

Unter den weiteren Beschuldigten sind noch aktive Spieler und bereits zurückgetretene. Dopingsperren allerdings dürfte der Bericht kaum nach sich ziehen, liegen die meisten der dokumentierten Vorfälle doch bereits länger zurück - die MLB aber verbot Anabolika offiziell erst 2002 und startete ihr Kontrollsystem erst ein Jahr später.

Auch wenn keine direkten Konsequenzen zu erwarten sind für die genannten Spieler: Der Mitchell Report enthüllt, in den Worten seines Verfassers, ein "kollektives Versagen" des gesamten Baseball-Sports: "Jeder, der in den vergangenen beiden Jahrzehnten etwas mit Baseball zu tun hatte, der Liga-Chef, Klubfunktionäre, die Spielergewerkschaft und die Spieler selbst, sie alle tragen bis zu einem gewissen Grad die Verantwortung für die Anabolika-Ära", sagte Mitchell. Das Problem, so Mitchell, wurde verdrängt und wird bis heute nicht konsequent angegangen. Die Folge: die größte Herausforderung für den Baseball seit dem Black-Sox-Skandal von 1919, als acht Spieler gesperrt wurden, die die World Series verschoben hatten. Dabei hatte Mitchell in seiner Untersuchung die weitverbreiteten Aufputschmittel ausgeklammert.

Wichtiger noch als die Enttarnung der Doping-Sünder könnten die längerfristigen Konsequenzen für die MLB werden. Mitchell empfiehlt, auf eine Verfolgung der Sünder weitgehend zu verzichten, stattdessen das Antidopingsystem zu verbessern. Bluttests müssen eingeführt werden, denn der Missbrauch von Wachstumshormonen ist mit den bisherigen Urintests gar nicht nachweisbar. Vor allem aber sollen die Tests einer unabhängigen Instanz übergeben werden. Bislang werden sie noch von MLB und Spielergewerkschaft organisiert. Mitchell deutete an, dass Spieler in einzelnen Fällen vor angeblich unangekündigten Dopingtests gewarnt wurden. MLB-Chef Bud Selig, der die Studie in Auftrag gegeben hatte, bezeichnete die Ergebnisse denn auch als einen "Aufruf zum Handeln". Donald Fehr dagegen, als betonköpfig bekannter Boss der Spielergewerkschaft, verteidigte die aktuellen Dopingtests als "effektiv" und lehnt weiterhin Bluttests ab.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!