Syrische Kriegsverbrecher in Deutschland: Arzt wegen Folter unter Verdacht
Die Bundesanwaltschaft lässt einen mutmaßlichen Mitarbeiter des Assad-Regimes festnehmen. In Syrien soll er für den Geheimdienst gefoltert haben.
Nach Angaben der Ermittler hat Alaa M. 2011 als Arzt im Gefängnis des Militärischen Geheimdienstes im syrischen Homs gearbeitet. Dort wurde demnach im Oktober 2011 ein Mann, der sich an den Demonstrationen gegen das Regime beteiligt hatte, inhaftiert. Als dieser nach Folterungen einen epileptischen Anfall bekam, bat ein Mitgefangener darum, einen Arzt zu holen. Alaa M. erschien, aber half dem Mann nicht, sondern schlug mit einem Plastikrohr auf diesen ein.
Als sich am kommenden Tag der gesundheitliche Zustand des Opfers erheblich verschlechterte, soll Alaa M. erneut auf den geschwächten Mann, der nicht mehr eigenständig gehen konnte, eingeschlagen haben, bis dieser das Bewusstsein verlor. Das Opfer wurde anschließend von Wächtern weggetragen und starb in der Folgezeit. Die Ursache für den Eintritt des Todes sei unklar, so die Ermittler. Die Bundesanwaltschaft wirft Alaa M. nun Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gefährliche Körperverletzung vor.
Die Ermittlungen der deutschen Behörden sind wegen des sogenannten Weltrechtsprinzips möglich, das seit 2002 im deutschen Völkerstrafgesetzbuch verankert ist. Seitdem kann die hiesige Justiz Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann verfolgen, wenn weder Täter noch Opfer Deutsche sind. In Koblenz stehen derzeit zwei mutmaßliche Mitarbeiter des Allgemeinen Syrischen Geheimdienstes vor Gericht. Es ist weltweit der erste Fall, in dem sich Mitarbeiter des Regimes von Baschar al-Assad vor Gericht verantworten müssen.
Rund 20 Ermittlungsverfahren
„Spätestens seit Ende April 2011 ging das syrische Regime dazu über, sämtliche regierungskritischen Aktivitäten der Opposition flächendeckend mit brutaler Gewalt zu unterdrücken“, so die Bundesanwaltschaft. Den syrischen Geheimdiensten sei dabei eine wesentliche Rolle zugekommen. Überall im Land seien tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle ohne Rechtsgrundlage festgenommen, inhaftiert, gefoltert und zum Teil getötet worden.
Insgesamt sind in Deutschland seit 2014 rund 20 Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Mitarbeiter des syrischen Regimes eingeleitet worden. Der bekannteste Fall: Jamil Hassan, der ehemalige Leiter des syrischen Luftwaffengeheimdienstes, gegen den der Bundesgerichtshof 2018 einen internationalen Haftbefehl erlassen hat.
Alaa M. hat nach Angaben der Ermittler Mitte 2015 Syrien verlassen und ist nach Deutschland gekommen. Bis zu seiner Festnahme hat er hier als Arzt praktiziert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge