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Syriens Opposition hofft auf US-AngriffRatschläge für den Notfall

Die syrische Opposition ist vor allem enttäuscht wegen der Verschiebung der US-Strafaktion. Staatschef Assad dagegen gibt sich selbstbewusst.

Gestrandet in Reyhanli an der türkisch-syrischen Grenze: Sieben von zwei Millionen Flüchtlingen im Ausland. Bild: dpa

BERLIN taz | Seit dem Wochenende verbreitet das syrische Oppositionsbündnis Nationale Koalition (NK) in Istanbul ein arabisches Video mit Ratschlägen für den Notfall. Mit leicht verständlichen Piktogrammen bebildert, wird darin empfohlen, die Wasservorräte aufzustocken, Nüsse, Trockenobst, Honig, Ölsardinen, Batterien, Feuerzeug, Kerzen, eine Tasche mit Dokumenten und einen Erste-Hilfe-Koffer bereitzuhalten.

Kinder, mit Namensschildchen versehen, sollten nicht alleingelassen werden. Im Falle eines Angriffs solle man im Erdgeschoss unter einer Betontreppe Schutz suchen.

Dies sind Tipps für den Fall eines begrenzten Angriffs der USA auf Syrien als Strafaktion für den vermuteten Giftgasangriff durch die Truppen des Regimes in Damaskus. Doch der ist nun zunächst einmal verschoben.

Das hat in den Reihen der Opposition Enttäuschung und Kritik ausgelöst. „Seit Tagen warten wir schon. Wir hatten so viel Hoffnung. Und jetzt müssen wir schon wieder warten“, sagt Abu Akram, ein Arzt aus einem von Aufständischen kontrollierten Vorort von Damaskus gegenüber Reuters.

Der Botschafter des Oppositionsbündnisses in Doha, Nisar al-Haraki, lästert: „Alle Linien sind überschritten, die roten Linien, die gelben und die lila Linien. Und die Welt schaut immer noch zu, wie jeden Tag Syrer sterben, und unternimmt nichts.“

7 Millionen auf der Flucht

Der Bürgerkrieg in Syrien stürzt immer mehr Menschen ins Elend. Inzwischen sind sieben Millionen Syrer – und damit fast ein Drittel der Bevölkerung – auf der Flucht, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk am Montag berichtete. Fünf Millionen sind innerhalb Syriens vertrieben worden und etwa zwei Millionen haben Unterschlupf im Ausland gefunden. Das sagte der UNHCR-Leiter für Syrien, Tarik Kurdi am Montag. Nach UN-Angaben sind seit dem Frühjahr 2011 mindestens 100.000 Menschen getötet worden. Die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag auf mehr als 110.000. (ap/afp)

Die Koalition appellierte am Sonntag an die Mitglieder des US-Kongresses, die „richtige Wahl“ zu treffen und die Bemühungen der Regierung zu unterstützen, „Assads Todesmaschinerie“ zu stoppen.

Auch Aktivisten in Syrien sind unzufrieden. Gegenüber der deutschen Solidaritätskampagne „Adopt a Revolution“ sagt Ahmad, ein Geschichtslehrer aus Damaskus: „Zu lange wurde jede andere Option ausgeschlossen. Jetzt gibt es einfach keine Alternative mehr zu militärischen Angriffen. Zwar werden sicherlich nur ein paar Ziele angegriffen und es wird nicht gekämpft, bis das Regime stürzt. Das reicht nicht. Aber hoffentlich wird Assad so sehr geschwächt, dass er sich wenigstens ernsthaft auf Verhandlungen einlässt.“

Die humanitäre Krise nicht vergesssen

Ein Aktivist aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet, der sich gegen einen US-Angriff ausspricht, befürchtet, dass Syrien wieder von der politischen Agenda verschwindet. „Wir brauchen weiterhin Medikamente, Lebensmittel, Zelte“, fügt er hinzu. „Die humanitäre Krise geht weiter, das Töten geht weiter. Das darf jetzt nicht vergessen werden!“

Während die Arabische Liga in Kairo am Sonntagabend „abschreckende und notwenige Maßnahmen“ gegen die Führung in Damaskus wegen des Gilftgaseinsatzes forderte, wies das Oppositionsbündnis darauf hin, dass die Verzögerung des Angriffs Präsident Baschar al-Assad Zeit für entsprechende Vorbereitungen gebe. In einer Erklärung hieß es, das Regime verlege militärisches Gerät und Personal in zivile Gebiete und staatliche Institutionen.

Unterdessen erklärte Präsident Assad laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana, Syrien sei in der Lage, sich „jeder äußeren Aggression“ zu stellen. Gleichzeitig forderte der syrische UN-Botschafter Baschar al-Dschaafari jedoch die UNO auf, „jede Aggression“ gegen Syrien zu verhindern.

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17 Kommentare

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  • was frau seel und ihre kollegen der taz nach über zwei jahren nicht kapiert haben: die nationale koalition ist nicht die einzige oppositionsgruppe! es gibt noch andere große oppositionsbündnisse, deren einfluss in syrien wesentlich größer ist und die sind gegen eine intervention von außen.

  • A
    Arne

    Ich kann keine Tendenz in diesem Artikel erkennen, wenn man ihn unvoreingenommen liest.

    Es wird beschrieben, dass z.B. angebliche Oppositionelle, die in Katar oder Istanbul sitzen, natürlich für einen Krieg in Syrien sind, den eine Nation führen soll, zu deren militärischen Image der Einsatz von Agent Orange im Vietnamkrieg gehörte. Es wird auch beschrieben, dass es Kräfte in Syrien gibt, die dort humanitäre Hilfe leisten, die sich natürlich dagegen aussprechen. Menschen, die in Gebieten leben, wie der zitierte Arzt, die offenbar Gebiete in Syrien bereits kriegerisch erobert haben, sind wohl auch für eine Ausweitung des Krieges in der Hoffnung, dass ihr eigener Machtanteil dadurch vergrößert wird.

    Wichtig bleibt für mich die Frage, ob es berücksichtigt wird, wenn syrische Flüchtlinge in der BRD oder in der EU Asyl beantragen, ob sie nicht selbst durch Unterstützung kriegerische Handlungen etwas zu ihrem Elend beigetragen haben.

  • S
    Simone

    Warum sollte Assad auch nicht selbstbewusst sein? Westeuropa ist Kriegsmüde und Zentraleuropa (d.h. Deutschland) ist im Wesentlichen durch Russland gesteuert. Was Putin sagt, wird gemacht, da Linkspartei und SPD komplett und die Grünen zu einem Großteil gehorchen. Die APO noch dazu.

     

    Da weiß auch Kohls Mädchen, dass man damit nicht spaßen sollte. Hoffen wir darauf, dass mit der nächsten russischen Revolution, d.h. mit Aufstand des Volkes gegen den von der deutschen Linken verehrten Neofeudalismus, auch der Einfluß auf die SPD schwindet und Leute wie Scheinbück sich nicht um das Bundeskanzleramt bewerben, nur um anschließend von Putin angestellt zu werden wie es sein Vorbild und -gägner Schröder tat.

  • Sehr geehrte Kommentatoren,

     

    ich finde ihre Vorwürfe gegen Frau Seel reichlich an den Haaren herbei gezogen.

    Mir ist schleierhaft wie Sie darauf kommen, dass das militärische Vorgehen gegen Syrien legitimiert wird.

    Die Autorin schildert nur eine Perspektive und das ist wohl keinesfalls erfunden, es gibt genug leute die den Angriff befürworten, sei es aus Machtkalkül oder Sie haben den Krieg einfach satt. Ob es nach einem solchen Angriff besser wird ist trotzdem fragwürdig.Wenn Sie regelmäßig taz lesen würden, wüssten Sie, dass keinesfalls einseitig über Syrien berichtet wird:

     

    http://taz.de/Kommentar-Militaerschlag-gegen-Syrien/!122649/

     

    http://www.taz.de/Kommentar-Obamas-Kehrtwende/!122930/

    • T
      treibsand
      @M knows best:

      Zitat M knows best:

      "Die Autorin schildert nur eine Perspektive ..."

       

      Genau diese Einseitigkeit ist das Problem, Bestwissender. Und an dieser Stelle unterscheidet sich seriöser Journalismus von ... sagen wir mal - einem MEINUNGKOMMENTAR.

       

      Die Perspektive der Regierung bleibt bei Taz leider komplett unterbelichtet, Taz verhält sich PARTEIISCH - und leider auf eine sehr plumpe Art.

       

      Niemand wird wohl ernsthaft bestreiten, daß es innerhalb der syrischen Rebellengruppen Demokraten gibt. Aber das etwas heuchlerische Rührstück von Frau Seel blendet halt die unschönen Wahrheiten über die "Opposition" komplett aus.

      • @treibsand:

        Es geht in diesem Artikel schlicht um die Enttäuschung der Opposition bezüglich des (bis jetzt) ausbleibenden Angriffs.

        Nicht um mehr, nicht um weniger.

         

        Ich finde Ihren Vorwurf der Parteinahme immer noch unhaltbar.

        Wenn Sie in der Sparte "Nahost" nachschauen werden Sie Artikel mit verschiedensten Perspektiven auf die Ereignisse in Syrien finden. Diese befassen sich u. a. mit den Kurden, radikalen Islamisten, Vertretern der gemäßigten Opposition und Assad.

         

        Die Syrische Situation ist ein absolutes Dilemma und ich denke das wird aus der Berichterstattung der taz auch deutlich.

        • GS
          Günter Scholmanns
          @M knows best:

          Warum taucht im taz-Text Assads Armee als „Assads Todesmaschinerie“ auf? Die Todesmaschinerie der Rebellen bleibt aber gänzlich unerwähnt?

           

          "Der Text hat einen Nachrichtenteil, einen Subtext, eine Botschaft usw."

        • T
          treibsand
          @M knows best:

          Schon gut, Bestwissender ...

           

          Ich werde jetzt keine vertiefte Textanalyse oder Erörterung vornehmen. Warum nicht? Weil Ihr Statement keinen Grund zur Hoffnung gibt, daß die Mühe lohnt.

           

          Dieser Text steht selbstverständlich nicht isoliert im Webspace. Er ist Teil von mehr oder weniger offener Kriegshetze und Propaganda allerorten.

          Der Text hat einen Nachrichtenteil, einen Subtext, eine Botschaft usw. Er zielt auf Emotionen ab, er will nicht nur sachlich informieren. Er gewichtet Positionen unterschiedlich, er verwendet Schlüsselwörter. Das ist untersuchbar. Aber, wie gesagt, es führt zu weit.

           

          Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag. Lesen Sie den Text und die Kommentare in einigen Wochen resp. in einigen Monaten noch einmal.

           

          Vielleicht sehen wir ihn dann in einem anderen Licht.

      • GS
        Günter Scholmanns
        @treibsand:

        Genau so sehe auch ich das! Und das ist nicht nur bei Frau Seel so: Frau Rogg,Frau Kappert,Herr Johnson,Herr Waibel...

  • T
    toddi

    das Problem ist, die wenigsten "Reporter" haben Journalismus studiert und so wenigstens im Studium von so etwas wie journalistischer Verantwortung/ Handwerk gehört, bevor sie oft schon während des Studiums mit der kapitalistischen Realität der freien Berichterstattung und die heißen Quotendruck, Quotendruck und Quotendruck und irgendwo auch noch Redaktionsvorgaben und Existenzkampf.

    Froh im Geschäft zu sein brechen dann selbst viele das Studium ab ich musste sehr viele mit dieser Story kennenlernen. Dann kommt noch hinzu das wir hier allermeist im lo/no Budgetsektor nicht gerade von Nannenabsolventen reden sondern oftmals von gescheiterten Juristen, BWLer, wenn man großes Glück hat "Völkerkundler" oder Historikern oder Philosophen . Im übrigen Reporter, Korrespondent, Autor, Realisator selbst „Journalist“ darf sich jede Pfeife nennen einzigst „Redakteur“ ist normalerweise geschützt, da muss man mindestens ein Volo hinter sich haben und im Falle ÖR eine Festanstellung, ob wohl man sich in manchen Fällen selbst da nicht mehr sicher sein kann...

  • AU
    Andreas Urstadt

    Frau Seel laesst auch andere Sichtweisen zu Wort kommen, ich bin aber schon streng geworden, da zu viel Seltsames passiert.

     

    Assad hat vor 10 Jahren bereits einen syrischen Fruehling selbst initiiert. Es war der kleine Finger, sog Intellektuelle nahmen die ganze Hand und das zu schnell, und unklug. Dabei ging es auch um Konkurrenzverhaeltnisse untereinander, also Verantwortung war sekundaer und nicht im Dialog mit Assad.

     

    Frau Seel hat sich um Ausgewogenheit bemueht, aber am Ende billig provoziert. Das Zeitungsformat ist zu knapp.

  • F
    Frage

    Was ist dran an den Meldungen, dass die Giftgaswolke ein Unfall sein könnte, ausgelöst durch unsachgemäßes hantieren von Rebellen mit saudi-arabischer Gasmunition?

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

     

    die Leute auf dem Foto haben nichts mit denen zu tun, die anfangs demonstrierten. Das Foto zeigt keine saekularen Syrer. ... Ist es das, fuer was die taz steht?

  • AU
    Andreas Urstadt

    Friedensaktivisten werden von "Rebellen" gehaengt oeffentlich.

     

    Wer sich das dort traut, fuer Frieden, steht gleich mit der Weissen Rose. Vielleicht noch mutiger in Buergerkriegen. Adopt a what?!

     

    Die "Karten", das Mapping des Kriegs in den Medien und besonders in Deutschland ist schwer mangelhaft. Eben bringt das ZDF nicht grad Sympathietraeger, die dieselben Argumente aeusserten wie Oppositionelle in Syrien, nur liessen die direktes Verteidigen von Assad weg.

     

    Das Mapping dessen, was dort abgeht ist mangelhaft. Assad ist nebenbei mit einer Sunnitin verheiratet, was durch den Krieg passiert ist, dass sowas in von Rebellen kontrollierten Gebieten nicht mehr passiert. Diese Gruppen sind nicht offen und haben nichts mit den Demonstranten ganz am Anfang zu tun. D h dass die Trennungslinien auch so fuer lange vorgegeben werden. Wer mit wem bekommt religioese Konnotierung, das ist ein Abbau von Freiheit.

     

    Mit den Aenderungen, welche die Demonstranten wollten hat das nichts zu tun.

     

    Jeder Staat, der so einen Aufstand im eigenen Land hat, wuerde sich verhalten wie Assad. Die Amerikaner nicht einen Deut anders. Das Format Zeitung ist hier nicht mehr leistungsfaehig. Schon lang nicht mehr. Es fehlt die offene Akkumulation der Zusammenhaenge. Die taz hat was von Politfanzine. Zu oft. Das dt TV eh.

  • GS
    Günter Scholmanns

    Frau Seel kann einfach nicht anders. Was hat man der eigentlich seinerzeit als für den Journalismus Auszubildende beigebracht: Sie bleibt unbenommen dabei,die taz-Leser für bescheuert zu halten, indem sie meint, wir schlucken ihre andauernden, unreifen Drauflosgestoppelversuche, ihre Artikel journalistisch durchgehend hohl im geistigen Zusammenhang so zu zurichten, dass man als Leser das GEFÜHL bekommen soll, jaja, es ist wohl Assad der Giftteufel. Seel ist fehl für eine Zeitung, welche sich an ein geistig nicht drastisch unterentwickeltes Lesepublikum wenden will. Schickt Seel zum Boulevardjournalismus für allerniedrigste Instinktauslöser. Aber besser noch wäre, in einen Studiengang für die Herausbildung eines moralischen Verantwortungsbewußtsein für das Leben fremder Leute und deren Kinder. Unerhört dass die taz solchen Journalismus autorisiert.

    • A
      Argumente
      @Günter Scholmanns:

      es wäre nett wenn sie dieser Tirade auch noch inhaltliche Argumente nachliefern könnten

      • GS
        Günter Scholmanns
        @Argumente:

        Haben Sie denn den Seel-Artikel überhaupt gelesen? Z.B. wäre ein Hinweis auf die Stiftung geistig hohler Zusammenhänge durch eine Journalistin: Assads Armee als "Assads Todesmaschinerie" im Text auftauchen zu lassen, aber die Todesmaschinerie der Rebellen unerwähnt zu lassen. Eines von Seels semantischen Spielchen, die so manche Leser benebeln sollen. Lesen Sie den Artikel doch einfach nochmal, unter Beachtung der Gesamtsphäre seiner Absichten und versuchen Sie dann doch einfach mal, ihn hier zu rechtfertigen.Da könnten ja dann auch Sie "mal inhaltliche Argumente nachliefern".Sie sind ja das Äußern eigener Argumente

        hier schuldig geblieben. Obwohl Sie sich mit Ihrem hier gewählten Bühnennamen,wohl ausgerechnet mit diesen Anspruch im Namen präsentieren wollen? Also los.