Syrer*innen in der Türkei: Angriff auf TV-Moderator
Nach einer Eskalation im TV-Studio nimmt die Polizei zwei syrische Journalisten zeitweise fest. Die Stimmung gegen Geflüchtete in der Türkei kippt.
Doch das Gespräch lief aus dem Ruder: Als der Moderator Ahmad Rihawi die Polizeigewalt gegen Syrer*nnen an der Grenze zur Türkei zur Sprache bringt, wird Yilmaz wütend. Er findet es unverschämt, dass Rihawi die türkische Polizei und das türkische Militär beschuldigt, Syrer*innen an der Grenze getötet zu haben.
Erregt widerspricht er dem Moderator, der daraufhin das Interview beenden will, doch Yilmaz ist nicht zu stoppen. Er beschimpft Rihawi als undankbaren miesen Syrer, der erst in die Türkei flüchtet und dann das Land kritisiert. Es kommt zu Tätlichkeiten, Yilmaz geht auf den Moderator zu, reißt ihm sein Skript aus den Händen und zerreißt es. Erst als zwei Security-Männer das Studio betreten, lässt er sich hinausführen.
Doch es wird noch unschöner. Kurz darauf betritt die von Yilmaz informierte Polizei das Studio und nimmt den Moderator Rihawi und den Direktor des Senders, Alaat Turhat, fest. Beide werden erst zur Ausländerbehörde und dann zur Polizeistation gebracht. Der Vorwurf lautet, sie hätten den türkischen Staat beleidigt. Zwei Tage verbringen sie in Polizeihaft, bevor sie wieder auf freien Fuß gesetzt werden, nachdem ein Staatsanwalt sich gegen ein Strafverfahren entschieden hat.
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Christian Mihr, der deutsche Vorsitzende der Organisation Reporter ohne Grenzen, die den Vorfall öffentlich gemacht hat, sagt, die Festnahme der beiden Journalisten sei „pressefeindlich und rassistisch zugleich“. Reporter ohne Grenzen verweist darauf, dass kürzlich bereits zwei andere syrische Journalisten festgenommen wurden, von denen einer am Ende ausgewiesen wurde.
Aggressive Stimmung gegen Syrer*innen
Der Vorfall spiegelt zum einen die immer prekärer werdende Situation der syrischen Flüchtlinge in der Türkei wider, zum anderen aber auch die sich abkühlenden Beziehungen zwischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seinen bisherigen syrischen Unterstützern der oppositionellen „Free Syrian Army“. Der Gruppierung steht der Sender Orient News, der in Dubai sitzt, nahe.
Angesichts der Wirtschaftskrise in der Türkei ist die Stimmung gegen die große Zahl von fast vier Millionen syrischen Flüchtlingen immer negativer bis aggressiv geworden. Beide großen Parteienblöcke versprechen vor den für Mai geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, sie würden dafür sorgen, dass die Flüchtlinge wieder zurückkehren müssen.
Die Situation hat sich nach dem Erdbeben Anfang Februar im Süden der Türkei zugespitzt. Verzweifelte Türk*innen, die beim Beben alles verloren hatten, gingen in einigen Regionen entlang der syrischen Grenze auf Flüchtlinge los, die angeblich in den verlassenen Häusern plündern wollten. Auch kam es an der Grenze zu Tumulten, weil türkische Sicherheitskräfte keine Flüchtlinge mehr in die Türkei lassen. In diesem Zusammenhang soll es auch zu Schüssen gekommen sein.
Angesichts der innenpolitischen Spannungen ist Erdoğan politisch bereit, seine bisherigen syrischen Verbündeten fallenzulassen. Wie in diversen arabischen Ländern wird auch in Ankara über eine Normalisierung der Beziehungen zum Assad-Regime nachgedacht. Vor allem auf Druck des russischen Präsidenten Putin, der einen neuerlichen Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien verhindern will, scheint Erdoğan mittlerweile bereit, sich auch selbst mit Assad zu treffen. Bislang gab es in Moskau Treffen des türkischen Außen- und Verteidigungsministers mit ihren jeweiligen syrischen Amtskollegen.
Angesichts dieser politischen Veränderungen scheint auch der syrische Oppositionssender Orient News in der Türkei nicht mehr so gern gesehen zu sein wie noch vor einigen Jahren.
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