Svenja Bergt über neue Überwachung und alte Monopole: An der Schwelle zum KI-Zeitalter
Drei Nachrichten aus dieser Woche zum Thema künstliche Intelligenz: Die Bundesregierung setzt sich in der EU für lockerere Regeln bei biometrischer Massenüberwachung – zum Beispiel Gesichtserkennung – ein. Microsoft will sich 49 Prozent an dem Anbieter des Textgenerators ChatGPT sichern. Und wir hören von der größten Sorge von Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) in Sachen KI. Was könnte das sein? Intransparente Systeme, die diskriminierende Entscheidungen treffen? Oder, Science-Fiction-Klassiker, eine KI, die die Weltherrschaft übernehmen will? Nein, nichts davon: Seine größte Sorge sei, dass es auf europäischer Ebene eine Mehrheit gibt, die durch Verbote die Anwendung von KI-Systemen einschränken will.
Ja, das wäre wirklich schrecklich. Zum Beispiel zu sagen, nein, in einem Unternehmen darf keine KI einen Vorfilter für die Stellenbesetzung übernehmen. Aber Ironie beiseite: Die drei Nachrichten zeigen exemplarisch ganz gut, wie die Interessenlage ist im Moment, in dem wir an der Schwelle zum KI-Zeitalter stehen.
Da ist die Politik. Sie sieht eine neue Technologie und denkt: Großartig. Nutzen wir sie für mehr Überwachung und halten wir uns dabei möglichst viele Optionen offen. Schließlich ist jetzt noch gar nicht klar, was in fünf oder zehn Jahren geht. Da sind die Unternehmen und ihre wirtschaftsnahen Vertreter:innen, die möglichst wenig Regulierung wollen. Und da sind die Big-Tech-Konzerne, die ihre marktbeherrschenden Stellungen gerne in das neue Segment ausdehnen möchten und das dank finanzieller Mittel auch können.
Wie schön wäre es, eine neue Technologie als Chance zu sehen, Dinge neu zu denken. Zu überlegen, was wir als Gesellschaft eigentlich von und mit Technologie wollen. KI als eine Komponente, die Wertschöpfung schafft vielleicht, woraufhin Care- und Erwerbsarbeit besser verteilt und bezahlt werden und wir insgesamt eine egalitärere Gesellschaft hinkriegen? Es wäre eine Idee von unzähligen. Wie schade, dass festgefahrene Interessen und Strukturen das gerade schon im Ansatz verhindern.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen