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Superrechner für die NSAEin Quantum Spionage

Der US-Geheimdienst NSA will mit einem Quantencomputer die üblichen Verschlüsselungsverfahren knacken. Was genau kann ein solcher Rechner?

Vorentwicklung des Superrechners: die Molekularstrahl-Epitaxie-Anlage Bild: dpa

BERLIN taz | Der Militärgeheimdienst der USA forscht an einem Supercomputer, einem sogenannten Quantenrechner. Das hat am Freitag die Washington Post unter Berufung auf Dokumente des früheren NSA-Vertragsarbeiters Edward Snowden berichtet. Dieser Quantencomputer soll bisher sichere Verschlüsselungsverfahren knacken. Mit diesen Sicherungsverfahren werden weltweit Regierungsdokumente oder Mails geschützt.

Bei den Details eines Quantencomputers wird es technisch bis philosophisch: Ein herkömmlicher Rechner arbeitet mit Nullen und Einsen, also mit An/Aus, ganz oder gar nicht. Das ist praktisch für schnelles Zählen oder Speichern.

Bei bestimmten Aufgaben allerdings scheitert dieses Null-Eins-Kombinieren, so auch beim Knacken von Verschlüsselungen nach dem sogenannten RSA-Verfahren. Dabei werden Botschaften kodiert mithilfe von zwei Primzahlen (also nur durch sich selbst teilbaren Zahlen, wie der 17 oder der 99.991), die miteinander multipliziert werden. Wer rückwärts rechnend diese beiden ursprünglichen Primzahlen wieder erhalten kann, hat die Botschaft entschlüsselt. Dumm für die Codeknacker ist, dass die verschlüsselte Botschaft durch schwierig zurückzuverfolgende mathematische Falltürfunktionen gejagt und dabei verzerrt wird.

Ein Quantencomputer arbeitet mit mehr als den zwei Zuständen Null und Eins sowie mit wahrscheinlichen Verteilungen zwischen diesen Zuständen. Er lässt sich nicht schnell auf ein diskretes Sein festlegen. Denn Elementarteilchen können unterhalb der atomaren Ebene verschiedene Quantenzustände annehmen und zwischen ihnen schweben.

Hier kommen nicht einfach Addition oder Multiplikation zu Einsatz, sondern quantenmechanische Operatoren, die zum Beispiel Anfangs- und Endzustände miteinander vergleichen. So wird die verschlüsselte Botschaft hin- und hertransformiert, bis aus solchen Vergleichen Rückschlüsse auf die anfänglichen Primzahlen gewonnen werden – vereinfacht gesagt.

Noch Zukunftsmusik

Praktisch bleibt der Quantencomputer allerdings noch für Jahre Zukunftsmusik – laut den Dokumenten selbst für die NSA und ihr 80 Millionen Dollar schweres Forschungsprogramm im Bundesstaat Maryland. Dort haben die Forscher von Umwelteinflüssen isolierte Labors gebaut, denn die Quantenbits („Qubits“) sind sehr leicht zu beeinflussen. So ein Quantenrechner muss mit Hunderten Qubits gleichzeitig jonglieren. Bis Ende September 2013, so die von der Washington Post zitierten Folien, wollte die NSA zwei Qubits beherrschen können.

So weit die Theorie. In der Praxis geht die Nationale Sicherheitsagentur und ihre Abteilung TAO so lange mit gezielten Einbrüchen und der Infizierung der Elektronik auf Zielpersonen los, meldet der Spiegel. So fängt der US-Geheimdienst über präparierte Netzwerktechnik Datenverkehr ab und mischt ihm Spionageprogramme von einem NSA-Server bei. Für ihre Angriffe habe die NSA gezielt Schwachstellen gelegt, vor allem in Programmen und Geräten von US-Firmen.

Es geht in einem NSA-internen Katalog auch um Hardware wie etwa ein präpariertes Monitorkabel, mit dem man per Radar auf Entfernung den Inhalt eines Bildschirms auslesen kann. Die NSA fange Produkte auf dem Weg zum Kunden ab und baue dann auch Spionagechips ein oder infiziere sie mit nicht zu findenden Spähprogrammen, so die Snowden-Folien aus dem Jahre 2008.

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20 Kommentare

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  • "Vorentwicklung des Superrechners: die Molekularstrahl-Epitaxie-Anlage" Letztere ist vom Quantencomputer weiter entfernt als das allererste Rad vom Elektroauto.

  • U
    ungeschminkt

    Überwachung im Kapitalfaschismus: gestern, heute und morgen!

     

    "Das Kapital", die herrschende Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren gesellschaftspolitische Administration, wird alles ökonomisch dafür notwendige aufbieten, um die Köpfe der Bevölkerung dauerhaft zu kontrollieren.

     

    Was die "Sozialpartner" der Finanz- und Monopolbourgeoisie: in bürgerlichen Parteien, Medien, Ministerien, Ver-'Bildungseinrichtungen (Hochschulen und Universitäten), Regierungen und Parlamenten, nicht schaffen, wird man versuchen über die Fortentwicklung der geheimdienstlichen und elektronischen Überwachung zu erreichen. Die nahezu absolute technisch-wissenschaftliche Kontrolle über die Bewusstseinslage der großen Mehrheit der (vor allem wertschöpfenden) werktätigen Bevölkerung.

     

    Merke: Es geht um die Weiterentwicklung des modifizierten (modernen) Kapital-Faschismus.

  • G
    g0n

    Dieser Rechner ist wird von einem zivilen Unternehmen entwickelt. Interessenten sind u.A. Google und die US-Regierung. Beim Lesen des Artikels hatte ich den Eindruck, die Entwicklung wird allein von der NSA betrieben. das ist mMn falsch.

  • R
    reblek

    "... zwei Primzahlen (also nur durch sich selbst teilbaren Zahlen, wie der 17 oder der 99.991)..." - Allerdings ist eine Primzahl dadurch definiert, dass sie nur durch 1 und sich selbst teilbar ist.

  • Die Quantenrechner-Technologie könnte die entscheidende Technologie zur Erhaltung der hegemonialen Stellung der USA werden. Wenn diese zuerst über diese Technologie und die notwendige Skrupellosigkeit zum Einsatz verfügen wird es möglich sein die Selbstbestimmung der Zivilgesellschaft auszuhebeln und den Zugang zu dieser Technologie zu verstellen.

    Für die vorhandene geheimdienstlich-militärische Struktur wäre das der passende Schlussstein, strategisch ähnlich wie bei thermonuklearen Waffen. Ein durchaus mögliches Szenario.

     

    Hier ist es von entscheidender Bedeutung dass die internationale Zivilgesellschaft die notwendigen Anstrengungen unternimmt um sich nicht abhängen zu lassen. Zumal wir hier nicht von Investitionen in der Grössenordnung des Manhattan-Projekts sprechen.

  • Reiner Metzger , Autor des Artikels, Leiter Wochenendtaz

    @T.GAS YRRAG: Die im Spiegel verwerteten Snowden-Folien sind von 2008, also etwa fünf Jahre alt. Die Washington Post sagt nichts zum Datum ihrer Dokumente, klingt aber nach jünger. Die jüngsten aus Snowdens Fundus sind vom Frühjahr 2013.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Und er beschleunigt ihre Entwicklung wesentlich. Die Informationssammelmanie der USA wird wohl auch bald Skynet Wirklichkeit werden lassen.

    • @774 (Profil gelöscht):

      ...Und die Informationen von Snowden zu diesem Thema sind ja laut dem TAZ-Artikel oben, mitlerweile auch schon ca. 6 Jahre alt ...

      Ich denke sowas wie "Skynet" wird es nicht erst irgendwann geben. Sowas gibt es schon, es steckt nur noch in den Anfängen.

      • Reiner Metzger , Autor des Artikels, Leiter Wochenendtaz
        @T. Gas Yrrag:

        Habe ich vielleicht missverständlich ausgedrückt: Nur der Spiegel nennt das Datum seiner Snowden-Folien, mit 2008. Die Washington Post sagt dazu nichts, es klingt aber neuer. Und es ist ein irrer Schritt von 2 auf hunderte beherrschte und doch Signale übergebende Qubits. Da braucht es schon noch einen technischen Durchbruch.

        Reiner Metzger

        • @Reiner Metzger:

          Danke für die Richtigstellung

          Ich wollte hier der Redaktion nicht auf die Füße treten.

           

          Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass m.M.n. die NSA wahrscheinlich schon weiter ist als erwartet wird (?)

      • @T. Gas Yrrag:

        PS

        Wenn ich mal verschwörungstheoretisch spekulieren darf...

        Um das (Un-)angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden:

        Wenn Snowden den US-Amerikanern wirklich so ein Dorn im Auge ist, warum lebt der Mann noch ?

        Eine vielleicht etwas steile Theorie, aber vielleicht ist diese Salamitaktik der Information zwei "Tatsachen" geschuldet. 1. Die Medien haben länger was davon und 2. die US-Regierung weiß, irgendwann kommt es sowieso raus und mit Snowden wollen sie eine zu große Schockwelle verhindern ?

        Ist nur so eine Idee...

        • @T. Gas Yrrag:

          Ich glaube, Snowdens Sicherheit ist solange gewährleistet, wie er noch genug weiß. Snowden hat gewiss eine Enthüllungslawine für den Fall seiner Eleminierung vorbereitet. Dass er noch genug weiß, was die US-Regierung in erhebliche Schwierigkeiten bringen könnte, halte ich für sicher.

          Sein Wissen ist sein Faustpfand und damit wird er haushalten müssen. Lässt USA ihn vor absoluter Preisgabe töten, droht ihnen umfassende internationale Ächtung. Ist alles veröffentlicht, macht die Tötung keinen Sinn mehr, außer den eines Racheaktes, der nicht im Interesse der USA liegen dürfte. Sie hätten ihn gern lebend, um ein Exembel an Snowden statuieren zu können.

          Gefahr für Snowden könnte durch Gegner der USA entstehen, die durch seine Tötung die Amerikaner dafür verantwortlich machen könnten und gleichzeitig die Enthüllungslawine auslösen.

          Ein Komplott von Snowden und den Medien halte ich für relativ ausgeschlossen, doch man weiß ja nie...

          • J
            JT
            @lions:

            Den USA droht meiner Meinung nach überhaupt nichts, denen ist alles wurscht.

            • @JT:

              Könnte am Ende alles möglich sein. Denoch bepinseln sich die Amis hin und wieder mit Moral, sonst wäre die Diktatur zu augenfällig.

  • M
    Michael

    Warum wird denn immer von der NSA gesprochen und nicht vom US Präsidenten Obama?

    • @Michael:

      1. in meinem Letzten Komentar meinte ich nicht Theorie sondern Hypothese. Entschuldigung

      2. ist in meinen Augen dieser "Friedensnobelpreisträger" nur ein reaktionärer Grüßaugust der mit den Drohnen, die u.a. auf Zivilisten schießen, schon genug in öffentlichen Misskredit geraten. Weshalb er jetzt, was die NSA-Affäre betrifft, von nichts gewußt haben möchte.

      3. ich hätte vielleicht doch NSA schreiben sollen. Ich meinte aber mit Regierung die Machthaber der USA (von denen die NSA nur ein Teil ist),oder wo auch immer die Fäden zusammenlaufen mögen, an denen m.M.n. auch die Präsidenten hängen. (siehe z.B. Kennedy)

  • NE
    never ever

    Nichts mehr von den USA kaufen; nicht in die USA fahren und so weiter und so fort.

    Die Unverantwortlichen, karrieregeilen so genannten ForscherInnen und so genannten EntwicklerInnen müssen auf diese Weise in die Knie gezwungen werden.

    Kein studentischer, kein kultureller Austausch mehr mit den USA.

    • NL
      nazed Levi
      @never ever:

      Und was soll die das jucken?

      Niedergang der Wirtschaft?

      Davon ausgehend, dass eben auch Finanzmärkte und (Zentral)Banken nicht sicher vor der NSA sind, was soll das bringen?

      Am schlechten Gewissen werden die USA bestimmt nicht zugrunde gehen.

    • U
      ui
      @never ever:

      lol

  • E
    emil

    die beschreibung des computers klingt sehr nach irgendwelche bakterienkulturen züchten und damit sehr weit weg von sonst so verwendeter hardware. das ist bestimmt ein gutes zeichen :D