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Superman jagt RassistenEcht gefährlich

Superman kämpft jetzt gegen die Wirklichkeit: Im neuen Heft sind seine Feinde US-Rassisten. Damit ist die Comic-Reihe nah am Geist der Zeit.

In Superman-Comics gab es bereits in den vierziger Jahren politische Gegner Foto: imago/Newscast

Ein weißer Mann mit Maschinenpistole steht breitbeinig da. Er bedroht eine Gruppe Migranten, drängt sie in die Ecke. Um den Kopf gebunden trägt er ein Tuch in den Farben der amerikanischen Flagge. Der Mann wirft den verängstigten Menschen wütend vor: Durch billige Arbeitskräfte wie sie, die nicht mal die Sprache ihres Gastlandes beherrschten, würden einheimische, rechtschaffene Bürger ihre Jobs verlieren. „Dafür bezahlt ihr“, ruft er – und feuert los …

Kann Superman ihn noch aufhalten?

In der aktuellen Ausgabe 987 der Heftreihe „Action Comics“ steht der Superheld einem globalen Chaos gegenüber – und einem ebenbürtigen Gegner. Ein gewisser Mr. Oz behauptet, die Menschheit sei per se schlecht und könne nun, ihr wahres Gesicht zeigen. Mr. Oz will Superman davon überzeugen, dass dessen Sisyphos-Projekt – das Böse aus der Welt der Menschen zu verjagen – vergeblich sei.

Gleichzeitig eskalieren in Supermans Wahlheimat, den USA, auch verschiedene innere Konflikte. In einer Szene beispielsweise wird ein schwarzer, langjähriger Mitarbeiter eines Unternehmens von Weißen grundlos entlassen. Den Arbeitsplatz des Mannes kann Superman nicht retten; aber die Kugeln aus der Maschinenpistole des weißen Rassisten prallen im letzten Moment an seiner „stählernen“ Brust ab.

Denkt man an Supermans Gegner, fallen einem schnell mächtige Bösewichte wie Lex Luthor oder irreale Freaks wie Toyman ein. Zu seinen Gegnern im neuen Heft aber gehören ziemlich realistisch gezeichnete Vertreter der White Supremacists in den USA; weiße Rassisten, die durch populistische Politik an Zulauf gewonnen haben. Superman bekommt es also massiv mit der Wirklichkeit der realen USA zu tun: der des Präsidenten Donald Trump und des von ihm hofierten politischen Lagers.

Zahlreiche Feine

Wer die Superman-Abenteuer im Laufe der Jahrzehnte verfolgt hat, weiß: Der Held hatte schon immer gegen alle möglichen Arten von Feinden zu kämpfen. Erfunden wurde Superman von Jerry Siegel (1914–96) und Joe Shuster (1914–92), zwei Schulfreunden aus Cleveland, Ohio.

Beide waren Kinder jüdischer Einwanderer aus Litauen, sie wuchsen in einem ärmlichen Umfeld auf. Wie viele Minderheiten waren auch Juden in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts Diskriminierung ausgesetzt. In den 1930er Jahren war zudem die Weltwirtschaftskrise noch deutlich zu spüren.

Nazis jagen: Nach Kriegsbeginn mischte sich Superman in die große Weltpolitik ein

Jerry Siegel hatte schon 1933 eine Kurzgeschichte geschrieben, „The Reign of the Superman“, die von einem übermenschlichen Bösewicht à la „Dr. Mabuse“ handelte. Die Illustrationen seines Freundes Shuster dazu spiegelten deutlich den Einfluss von Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ wider. 1935 überarbeiteten sie ihre Story, machten aus der Hauptfigur einen positiven Helden und versuchten, sie als Comicstrip zu verkaufen.

Alle Zeitungssyndikate winkten ab, die Idee sei abwegig und unverkäuflich. Doch als der Verlag Detective Comics (DC) unter dem Titel „Action Comics“ erstmals ein Heft mit neuen, eigenen Serien herausgeben wollte, bekamen die beiden ihre Chance.

Im Juni 1938 war es so weit, „Action Comics #1“ erschien, und Superman war Coverheld. Schon im typischen blauen Trikot und mit rotem Umhang stemmte er ein großes Gangsterauto und zerschmetterte es an einem Felsen. Schon in der ersten Geschichte hatte er zahlreiche Verbrecher zu jagen, rettete eine Frau vor ihrem gewalttätigen Ehemann und eine unschuldig zum Tode Verurteilte vor dem elektrischen Stuhl.

Schnell war klar, dass der Mann mit dem „S“ auf der Brust der beliebteste aller im Heft vorgestellten Comic-Helden war. Die „Action Comics“ verkauften sich bestens, die Auflage musste regelmäßig erhöht werden. In den Folgejahren wurde Superman nicht nur zum Titelhelden einer eigenen Heftreihe, sondern auch Hauptfigur eines Zeitungsstrips, einer Hörspiel- und einer Zeichentrickserie.

Superman ist Migrant

Superman heißt eigentlich Kal-El und stammt vom Planeten Krypton. Kurz vor dessen Kollaps wird er als Säugling per Raumkapsel zur Erde geschickt, wo er von der Familie Kent in Smallville, Kansas, aufgezogen wird. Als erwachsener Clark Kent zieht er in die Großstadt Metropolis, um als Zeitungsreporter des Daily Planet zu arbeiten. Sobald eine Unglücksmeldung eintrifft, schlüpft er seitdem – unbemerkt von seiner geliebten Kollegin Lois Lane – in sein Superheldenkostüm und macht sich auf den Weg, um das Übel zu beseitigen. Bis heute.

Superman ist also selbst ein Migrant – ein „Alien from Outer Space“. Der unscheinbare Clark Kent verwandelt sich in einen unverwundbaren Superhelden und Heilsbringer, der unermüdlich gegen das Böse kämpft. Diese Omnipotenzfantasie steht im krassen Widerspruch zu den Erfahrungen der beiden jungen Schöpfer, die sich in der Gesellschaft als Außenseiter empfanden. Jerry Siegel schrieb rückblickend über negative Erfahrungen auf dem Schulhof: „Ich fragte mich: Was, wenn ich ganz fantastisch wäre, wenn ich über Häuser springen und mit Autos um mich werfen würde?“

Das Erzählkonzept von Superman machte Schule. Schnell wurden weitere Superheroes erdacht (die damals Costumed Heroes genannt wurden), die fantastische Fähigkeiten in immer neuer Variation aufwiesen; Batman, Captain Marvel, Captain America (Supermans größter Konkurrent in Sachen Patriotismus), Wonder Woman (die erste Superheldin) und viele andere folgten. Erst 1977 war die Zeit reif für den ersten schwarzen Helden Black Panther.

Superman hat Nazis gejagt

Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs kämpfte Superman dann nicht mehr nur gegen Gangster; er mischte sich in die große Weltpolitik ein. Am 27. Februar 1940 gelang es ihm in dem Comic „How Superman Would End the War“, Hitler und Stalin zu entführen und vor den Gerichtshof des Völkerbundes in Genf zu zerren. Auch die zahlreichen anderen Superhelden wollten „Nazis jagen“. Und so war kaum ein Comic-Heft noch frei von Kloppereien mit Nazis.

In den folgenden Jahrzehnten richteten sich die Superhelden-Storys weniger nach einem festen Konzept als nach dem Zeitgeist: Was kam bei jungen Lesern gut an? Wenn den Autoren nichts einfiel, ließen sie einfach diverse Helden gegeneinander kämpfen. Ab den 60er Jahren kehrte die soziale Wirklichkeit in Serien wie The Green Lantern ein, Drogenmissbrauch und Rassismus wurden thematisiert.

Doch während etwa Batman ab den 80er Jahren wiederholt ein Revival erlebte, wurde es für einen heroischen Typus wie Superman immer schwerer, seinen Erfolgskurs fortzusetzen. Batmangeschichten lebten von ihrer düsteren Atmosphäre, zumal Batman ein echter Mensch mit Fehlern war.

Supermans Charakter hingegen bot wenig Raum für spannende Ambivalenzen: Er war ein unfehlbarer und nahezu unverwundbarer Außerirdischer, sein Image war das des netten, überkorrekten Angestellten, den er in seinem Reporterdasein als Clark Kent verkörperte. Frank Miller machte 1986 in seinem legendären Batman-Comic „The Dark Knight Returns“ Superman zu einer düsteren, korrupten Figur – ein Versuch, das öde Image des All-American Boy aufzubrechen.

Nah am politischen Zeitgeschehen

Supermans eigene Heftreihe verlor zu dieser Zeit an Beliebtheit. Für den Januar 1993 wurde dann gar sein Tod angekündigt. Proteste wütender Fans begleiteten die Veröffentlichung des Hefts, das durch diesen Marketingtrick das bestverkaufte Comic-Heft überhaupt wurde. Doch der „Man of Steel“ durfte zurückkommen. Und Lois Lane heiraten.

Heutige Superman-Comics sind komplexer geworden, ihre Erzählstruktur erstaunlich verschachtelt. Doch Clark Kent bleibt sich treu, auch die Präsidentschaft eines Donald Trump kann sein Weltbild nicht erschüttern. Er verkörpert noch immer das „alte“ Amerika, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrschen sollen – für alle.

Die Episode im neuen Heft macht deutlich, dass Superman am Zeitnerv entlang operiert. Die Probleme der Minderheiten liegen ihm am Herzen – auch und besonders im eigenen Land. Trotz seiner im Vergleich zu anderen Superhelden konservativen Attitüde würde er wohl selbst bei Konkurs des Daily ­Planet nie bei Steve Bannons Breitbart News anheuern – es sei denn als verdeckter Er­mittler, als Super-Investigative-Man.

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8 Kommentare

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  • Ralph Trommer , Autor*in des Artikels,

    Hallo Alreech, danke für deinen Hinweis. Vielleicht ist düster und korrupt bzgl. "The Dark Knight" etwas stark in dieser Verkürzung, aber zumindest ist Superman bei Miller doch eine ambivalent gezeichnete Figur, die eitel ist, zudem mit der US-Regierung kooperiert. Das wird ausdrücklich gesagt, dass er im Auftrag der Regierung bei Kampfeinsätzen dabei ist und Ronald Reagan verweist auch auf ihn. Deshalb meine Deutung/Zuspitzung als korrupt. Das beinhaltet nicht unbedingt, dass er zur negativen Figur wird.

  • Frank Miller machte 1986 in seinem legendären Batman-Comic „The Dark Knight Returns“ Superman zu einer düsteren, korrupten Figur...

    WTF ???

     

    Verwechselt hier die Autor das mit "Injustice" ? Dort schafft Superman eine Utopie ohne Gewalt und Kriminalität - in dem er eine Diktatur errichtet.

     

    In „The Dark Knight Returns“ ist Superman dagegen durchaus positiv dargestellt - als Kontrapunkt zum düsteren Batman der von Frank Miller als wahnhaft getrieben dargestellt wird.

     

    By the way, „The Dark Knight Returns“ wurde gerade eben von Panini wieder aufgelegt.

    Zwar nicht zu vergleichen mit Frank Millers "Martha Washington goes to War" und "Give me Liberty", aber immer noch lesenswert.

  • "Superman kämpft jetzt gegen die Wirklichkeit: Im neuen Heft sind seine Feinde US-Rassisten. Damit ist die Comic-Reihe nah am Geist der Zeit."

     

    Nicht nur Deutschland erlebt momentan eine schwere Zeit. Deswegen ist es sehr wichtig, den Nationalismus auf allen Kanälen und mit allen gesetzlichen Mitteln zu bekämpfen.

     

    Selbst so ein Comic-Heft ist nicht zu unterschätzen. Ein negatives beispiel. Wenn man Feinde der USA in den US Filmen nach deren Herkunft auswertet, so kommt da Russland sehr oft vor. Deswegen gibt es eine Wirkung auf Zuschauer und auch Vorurteile. Natürlich gibt es auch top sekret Projekte in bestimmten Ländern, die daraus abzielen, bestimmte Wirkungen auf die Bevölkerung auszuüben. Aber das ist ein anderes Thema.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Ein weißer Mann mit Maschinenpistole steht breitbeinig da. Er bedroht eine Gruppe Migranten, drängt sie in die Ecke. Um den Kopf gebunden trägt er ein Tuch in den Farben der amerikanischen Flagge." sehen so Neonazis aus? Könnte auch ein Rassist sein. Rassismus sehe ich auch bei dem "Schwarzen", der von "Weissen" grundlos entlassen wird.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Also wenn er ein Rassist ist, kann er natürlich nicht gleichzeitig auch noch Neonazi sein. Aha. Diese postmoderne Logik würde Paul Virilio sicher auch gefallen.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Spin:

        ...das eine schließt das andere nicht aus, sicher, aber "Superman jagt Neonazis"? Hier handelt es sich doch wohl eher um den Wunsch des Verfassers dieses Artikels, ich jedenfalls erkenne keine Neonazis. Bezüglich Paul Virilio und postmoderner Logik beanspruche ich für mich das "Recht auf Verweigerung".

        • Ralph Trommer , Autor*in des Artikels,
          @81331 (Profil gelöscht):

          Im Text habe ich den weißen Angreifer als Rassisten bezeichnet, die zusätzliche Überschrift "Superman jagt Neonazis" stammt von der Online-Redaktion, ist für mich auch nicht ganz zutreffend.

          • Ronja , Moderator
            @Ralph Trommer:

            Danke für den Hinweis - ist geändert.