Superman jagt Rassisten: Echt gefährlich
Superman kämpft jetzt gegen die Wirklichkeit: Im neuen Heft sind seine Feinde US-Rassisten. Damit ist die Comic-Reihe nah am Geist der Zeit.
Ein weißer Mann mit Maschinenpistole steht breitbeinig da. Er bedroht eine Gruppe Migranten, drängt sie in die Ecke. Um den Kopf gebunden trägt er ein Tuch in den Farben der amerikanischen Flagge. Der Mann wirft den verängstigten Menschen wütend vor: Durch billige Arbeitskräfte wie sie, die nicht mal die Sprache ihres Gastlandes beherrschten, würden einheimische, rechtschaffene Bürger ihre Jobs verlieren. „Dafür bezahlt ihr“, ruft er – und feuert los …
Kann Superman ihn noch aufhalten?
In der aktuellen Ausgabe 987 der Heftreihe „Action Comics“ steht der Superheld einem globalen Chaos gegenüber – und einem ebenbürtigen Gegner. Ein gewisser Mr. Oz behauptet, die Menschheit sei per se schlecht und könne nun, ihr wahres Gesicht zeigen. Mr. Oz will Superman davon überzeugen, dass dessen Sisyphos-Projekt – das Böse aus der Welt der Menschen zu verjagen – vergeblich sei.
Gleichzeitig eskalieren in Supermans Wahlheimat, den USA, auch verschiedene innere Konflikte. In einer Szene beispielsweise wird ein schwarzer, langjähriger Mitarbeiter eines Unternehmens von Weißen grundlos entlassen. Den Arbeitsplatz des Mannes kann Superman nicht retten; aber die Kugeln aus der Maschinenpistole des weißen Rassisten prallen im letzten Moment an seiner „stählernen“ Brust ab.
Denkt man an Supermans Gegner, fallen einem schnell mächtige Bösewichte wie Lex Luthor oder irreale Freaks wie Toyman ein. Zu seinen Gegnern im neuen Heft aber gehören ziemlich realistisch gezeichnete Vertreter der White Supremacists in den USA; weiße Rassisten, die durch populistische Politik an Zulauf gewonnen haben. Superman bekommt es also massiv mit der Wirklichkeit der realen USA zu tun: der des Präsidenten Donald Trump und des von ihm hofierten politischen Lagers.
Zahlreiche Feine
Wer die Superman-Abenteuer im Laufe der Jahrzehnte verfolgt hat, weiß: Der Held hatte schon immer gegen alle möglichen Arten von Feinden zu kämpfen. Erfunden wurde Superman von Jerry Siegel (1914–96) und Joe Shuster (1914–92), zwei Schulfreunden aus Cleveland, Ohio.
Beide waren Kinder jüdischer Einwanderer aus Litauen, sie wuchsen in einem ärmlichen Umfeld auf. Wie viele Minderheiten waren auch Juden in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts Diskriminierung ausgesetzt. In den 1930er Jahren war zudem die Weltwirtschaftskrise noch deutlich zu spüren.
Jerry Siegel hatte schon 1933 eine Kurzgeschichte geschrieben, „The Reign of the Superman“, die von einem übermenschlichen Bösewicht à la „Dr. Mabuse“ handelte. Die Illustrationen seines Freundes Shuster dazu spiegelten deutlich den Einfluss von Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ wider. 1935 überarbeiteten sie ihre Story, machten aus der Hauptfigur einen positiven Helden und versuchten, sie als Comicstrip zu verkaufen.
Alle Zeitungssyndikate winkten ab, die Idee sei abwegig und unverkäuflich. Doch als der Verlag Detective Comics (DC) unter dem Titel „Action Comics“ erstmals ein Heft mit neuen, eigenen Serien herausgeben wollte, bekamen die beiden ihre Chance.
Im Juni 1938 war es so weit, „Action Comics #1“ erschien, und Superman war Coverheld. Schon im typischen blauen Trikot und mit rotem Umhang stemmte er ein großes Gangsterauto und zerschmetterte es an einem Felsen. Schon in der ersten Geschichte hatte er zahlreiche Verbrecher zu jagen, rettete eine Frau vor ihrem gewalttätigen Ehemann und eine unschuldig zum Tode Verurteilte vor dem elektrischen Stuhl.
Schnell war klar, dass der Mann mit dem „S“ auf der Brust der beliebteste aller im Heft vorgestellten Comic-Helden war. Die „Action Comics“ verkauften sich bestens, die Auflage musste regelmäßig erhöht werden. In den Folgejahren wurde Superman nicht nur zum Titelhelden einer eigenen Heftreihe, sondern auch Hauptfigur eines Zeitungsstrips, einer Hörspiel- und einer Zeichentrickserie.
Superman ist Migrant
Superman heißt eigentlich Kal-El und stammt vom Planeten Krypton. Kurz vor dessen Kollaps wird er als Säugling per Raumkapsel zur Erde geschickt, wo er von der Familie Kent in Smallville, Kansas, aufgezogen wird. Als erwachsener Clark Kent zieht er in die Großstadt Metropolis, um als Zeitungsreporter des Daily Planet zu arbeiten. Sobald eine Unglücksmeldung eintrifft, schlüpft er seitdem – unbemerkt von seiner geliebten Kollegin Lois Lane – in sein Superheldenkostüm und macht sich auf den Weg, um das Übel zu beseitigen. Bis heute.
Superman ist also selbst ein Migrant – ein „Alien from Outer Space“. Der unscheinbare Clark Kent verwandelt sich in einen unverwundbaren Superhelden und Heilsbringer, der unermüdlich gegen das Böse kämpft. Diese Omnipotenzfantasie steht im krassen Widerspruch zu den Erfahrungen der beiden jungen Schöpfer, die sich in der Gesellschaft als Außenseiter empfanden. Jerry Siegel schrieb rückblickend über negative Erfahrungen auf dem Schulhof: „Ich fragte mich: Was, wenn ich ganz fantastisch wäre, wenn ich über Häuser springen und mit Autos um mich werfen würde?“
Das Erzählkonzept von Superman machte Schule. Schnell wurden weitere Superheroes erdacht (die damals Costumed Heroes genannt wurden), die fantastische Fähigkeiten in immer neuer Variation aufwiesen; Batman, Captain Marvel, Captain America (Supermans größter Konkurrent in Sachen Patriotismus), Wonder Woman (die erste Superheldin) und viele andere folgten. Erst 1977 war die Zeit reif für den ersten schwarzen Helden Black Panther.
Superman hat Nazis gejagt
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs kämpfte Superman dann nicht mehr nur gegen Gangster; er mischte sich in die große Weltpolitik ein. Am 27. Februar 1940 gelang es ihm in dem Comic „How Superman Would End the War“, Hitler und Stalin zu entführen und vor den Gerichtshof des Völkerbundes in Genf zu zerren. Auch die zahlreichen anderen Superhelden wollten „Nazis jagen“. Und so war kaum ein Comic-Heft noch frei von Kloppereien mit Nazis.
In den folgenden Jahrzehnten richteten sich die Superhelden-Storys weniger nach einem festen Konzept als nach dem Zeitgeist: Was kam bei jungen Lesern gut an? Wenn den Autoren nichts einfiel, ließen sie einfach diverse Helden gegeneinander kämpfen. Ab den 60er Jahren kehrte die soziale Wirklichkeit in Serien wie The Green Lantern ein, Drogenmissbrauch und Rassismus wurden thematisiert.
Doch während etwa Batman ab den 80er Jahren wiederholt ein Revival erlebte, wurde es für einen heroischen Typus wie Superman immer schwerer, seinen Erfolgskurs fortzusetzen. Batmangeschichten lebten von ihrer düsteren Atmosphäre, zumal Batman ein echter Mensch mit Fehlern war.
Supermans Charakter hingegen bot wenig Raum für spannende Ambivalenzen: Er war ein unfehlbarer und nahezu unverwundbarer Außerirdischer, sein Image war das des netten, überkorrekten Angestellten, den er in seinem Reporterdasein als Clark Kent verkörperte. Frank Miller machte 1986 in seinem legendären Batman-Comic „The Dark Knight Returns“ Superman zu einer düsteren, korrupten Figur – ein Versuch, das öde Image des All-American Boy aufzubrechen.
Nah am politischen Zeitgeschehen
Supermans eigene Heftreihe verlor zu dieser Zeit an Beliebtheit. Für den Januar 1993 wurde dann gar sein Tod angekündigt. Proteste wütender Fans begleiteten die Veröffentlichung des Hefts, das durch diesen Marketingtrick das bestverkaufte Comic-Heft überhaupt wurde. Doch der „Man of Steel“ durfte zurückkommen. Und Lois Lane heiraten.
Heutige Superman-Comics sind komplexer geworden, ihre Erzählstruktur erstaunlich verschachtelt. Doch Clark Kent bleibt sich treu, auch die Präsidentschaft eines Donald Trump kann sein Weltbild nicht erschüttern. Er verkörpert noch immer das „alte“ Amerika, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrschen sollen – für alle.
Die Episode im neuen Heft macht deutlich, dass Superman am Zeitnerv entlang operiert. Die Probleme der Minderheiten liegen ihm am Herzen – auch und besonders im eigenen Land. Trotz seiner im Vergleich zu anderen Superhelden konservativen Attitüde würde er wohl selbst bei Konkurs des Daily Planet nie bei Steve Bannons Breitbart News anheuern – es sei denn als verdeckter Ermittler, als Super-Investigative-Man.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!