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Suizidprävention in DeutschlandSinkende Zahlen, bleibende Herausforderung

Suizid zählt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Trotz Fortschritten bleibt die Prävention eine dauerhafte Aufgabe.

Über 100.000 Menschen unternehmen jährlich einen Suizidversuch in Deutschland Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Suizid ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland und übertrifft in ihrer Häufigkeit andere Todesursachen wie Verkehrsunfälle, AIDS, Drogenkonsum und Gewalt. Besonders betroffen sind Männer, die einen Großteil der Fälle ausmachen. In den letzten Jahren hat zudem die Zahl der assistierten Suizide zugenommen. 2024 verloren mehr als 10.000 Menschen ihr Leben durch Suizid, und über 100.000 unternahmen einen Versuch.

In den 1970er Jahren entstanden in Deutschland erste Institutionen zur Suizidprävention und Aufklärung. 1972 wurde die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) in München als interdisziplinäre und überregionale Fachgesellschaft gegründet. Seit 1977 gibt es zwei bundesweit geltende Sonderrufnummern für die TelefonSeelsorge. 2002 wurde zusätzlich das Nationale Suizidpräventionsprogramm gestartet, um die Aufklärung und Information über Suizid und Prävention zu stärken.

Insgesamt hat sich seit den 1980er Jahren so die Zahl der Suizide, von etwa 18.000 auf 9.000 bis 10.000 Suizide jährlich, fast halbiert. Im Jahr 2022 (10.119) ließ sich jedoch ein unerwarteter Anstieg von 9,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (9.215) beobachten. Dass die Zahl der Suizide seit 20 Jahren nicht weiter abnehme, beklagte zuletzt der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und forderte „das gesellschaftliche Tabu von Tod und Suizid“ zu überwinden. 2024 wurde in diesem Zusammenhang eine Nationale Suizidpräventionsstrategie vorgestellt.

Der Blick hat sich über die Jahre gewandelt: Anstatt einer religiös motivierten, tabuisierenden Haltung werde Suizid heute mit einer annehmenden, die Selbstbestimmung des Individuums achtenden Haltung begegnet, heißt es im Bericht zu Suizidprävention von 2021. Im Vordergrund steht dabei das Verständnis der individuellen Umstände der Betroffenen und das Angebot – nicht der Zwang – zur Hilfe.

Hilfe bei Suizidgedanken

Haben Sie den Verdacht, an Depression zu leiden? Oder haben Sie sogar suizidale Gedanken? Andere Menschen können Ihnen helfen. Sie können sich an Familienmitglieder, Freun­d:in­nen und Bekannte wenden. Sie können sich auch professionelle oder ehrenamtliche Hilfe holen – auch anonym. Bitte suchen Sie sich Hilfe, Sie sind nicht allein. Anbei finden Sie einige Anlaufstellen.

Akute suizidale Gedanken: Rufen Sie den Notruf unter 112 an, wenn Sie akute suizidale Gedanken haben. Wenn Sie sofort behandelt werden möchten, finden Sie Hilfe bei der psychiatrischen Klinik oder beim Krisendienst.

Depression und depressive Stimmung: Holen Sie sich Hilfe durch eine Psychotherapie. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe kann Ihnen ferner Hilfe und Information zum Umgang mit Depression bieten.

Kummer: Sind Sie traurig und möchten jemanden zum Reden haben? Wollen Sie Sorgen loswerden und möchten, dass Ihnen jemand zuhört? Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr besetzt. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Sie können auch das schriftliche Angebot via Chat oder Mail in Anspruch nehmen.

Onlineberatung bei Suizidgedanken: Die MANO Suizidprävention bietet eine anonyme Onlineberatung an. Wenn Sie über 26 Jahre alt sind, können Sie sich auf der Webseite registrieren. Sollten Sie jünger sein, können Sie hier eine Helpmail formulieren.

Hilfsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern: Die Nummer gegen Kummer hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern zu helfen. Kinder erhalten dort Unterstützung unter der Nummer 116 111, Eltern unter 0800 111 0 550, und bei der Helpline Ukraine unter 0800 500 225 0 finden Sie auch Hilfe auf Russisch und Ukrainisch.

Hilfsangebot für Mus­li­m:in­nen: Die Ehrenamtlichen des Muslimischen Seelsorgetelefons erreichen Sie anonym und vertraulich unter 030 443 509 821.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention können Sie nach weiteren Seiten und Nummern suchen, die Ihrem Bedarf entsprechen.

Zunehmende Arbeitslosigkeit ein großer Faktor

Weiterhin bestehen jedoch Risikofaktoren, die es wahrscheinlicher machen, dass Menschen an Suizid versterben. Diese sind laut der DGS psychische Erkrankungen, Suchterkrankungen, Schizophrenie, und Arbeitslosigkeit. Zunehmende Arbeitslosigkeit in Deutschland ist dabei ein Faktor, der sich auf eine steigenden Suizidrate auswirkt. Faktoren, die die Suizidrate senken sind wiederum die Enttabuisierung von Suizid und Präventionsprogramme für Suizidgefährdete. Auch den Medien wird eine große Rolle zugeschrieben, weil sie gesellschaftliche Vorstellungen von und Einstellungen gegenüber Suizidalität und Suizidgefährdeten maßgeblich prägen kann.

Haben Sie suizidale Gedanken? Dann sollten Sie sich unverzüglich ärztliche und psychotherapeutische Hilfe holen. Bitte wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder rufen Sie in aktuen Fällen den Notruf an unter 112. Eine Liste mit weiteren Angeboten finden Sie unter taz.de/suizidgedanken.

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