Suizid eines Oppositionellen: Lieber tot als nach Russland zurück
Der Aktivist Alexander Dolmatow nimmt sich in niederländischer Abschiebehaft das Leben. Zuvor ist sein Asylantrag abgelehnt worden.
BERLIN taz | Alexander Dolmatow, Aktivist der nicht registrierten russischen Oppositionspartei „Das andere Russland“, hat sich am Donnerstag in der Abschiebehaft das Leben genommen. „Ich bin in einem Gefängnis in Rotterdam“ waren die letzten Worte, die er Stunden vor seinem Tod an seine Freundin per SMS geschickt hatte. Kurz zuvor war sein Asylantrag abgelehnt worden. In der kommenden Woche sollte die Berufungsverhandlung stattfinden.
Obwohl laut Dolmatows Anwältin Oxana Tschelyschewa der Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft war, habe man Dolmatow zu verstehen gegeben, dass er mit seiner Abschiebung rechnen müsse. Bereits am 13. Januar hatte er versucht, sich umzubringen.
„Dolmatow hatte politische Verfolgung zu befürchten. Die Weigerung der niederländischen Behörden, ihm Asyl zu gewähren, war nicht richtig“, sagte die russische Migrationsexpertin Swetlana Gannuschkina der taz. „Haben denn die niederländischen Behörden nicht gewusst, dass Dolmatow bei einer Rückkehr nach Russland mit einer mehrjährigen Gefängnisstrafe zu rechnen hatte?“, fragte Ljudmilla Alexejewa von der Moskauer Helsinki Gruppe.
Die niederländischen Behörden glauben jedoch nicht an einen asylrelevanten Grund des Selbstmordes. Dolmatows letzte Nachricht zeige eindeutig, dass sein Freitod nicht in Zusammenhang mit der Ablehnung seines Asylantrages stehe, erklärte Onno Elderenbosch von der niederländischen Botschaft in Moskau.
Doch nicht nur die russischen Behörden hatten auf Dolmatow Druck ausgeübt. Die niederländischen Behörden hätten dem Ingenieur, der bei dem Werk „Taktische Raketenwaffen“ eine Top-Stellung gehabt hatte, eine Zusammenarbeit nahe gelegt, sagte der ebenfalls in den Niederlanden als Flüchtling lebende russische Antifaschist Denis Solopow dem Kommersant.
Doch Dolmatow habe sich geweigert, Geheimnisse preiszugeben. Dolmatow war seit zwei Jahren in der russischen Oppositionsszene aktiv. Bei einer Demonstration am 6. Mai 2012 in Moskau war er verhaftet worden. Nach Drohungen durch den Geheimdienst FSB und zwei Hausdurchsuchungen floh er am 9. Juni 2012 in die Niederlande. Russlands Behörden gehen unerbittlich gegen die Organisatoren und Teilnehmer der Demonstration am 6. Mai vor. 18 sind angeklagt, ein weiterer wurde im November zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Gegen 12 Demonstranten wird strafrechtlich ermittelt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens