Südkoreas Linke verliert erneut: Erfolgreiche Coronapolitik reicht nicht
In Südkoreas Städten und Provinzen siegen die Konservativen bei den Kommunalwahlen erdrutschartig. Die Wahlbeteiligung ist niedrig.
![Koreaner in roten Arbeitskitteln und mit Schutzmasken jubeln vor der Kamera. Koreaner in roten Arbeitskitteln und mit Schutzmasken jubeln vor der Kamera.](https://taz.de/picture/5596018/14/sudkorea-kommunalwahlen-lee-jun-seok-1.jpeg)
International ist Südkoreas Kommunalwahl vom Mittwoch wenig beachtet worden. Und doch hat sie Geschichte geschrieben: Mit Cha Hae-yeong hat erstmals eine offen queere Kandidatin einen Sitz im Bezirksrat gewonnen. Die 35-Jährige von der linksliberalen Partei Minjoo („Demokratische Partei“) setzte sich im Mapo-Bezirk in der Hauptstadt Seoul durch. Sie wolle dabei helfen, „die Diskriminierung und den Hass in der Gesellschaft zu verändern“, sagte sie.
Doch ihr politisches Lager, das mit Moon Jae-in noch bis vor kurzem den Präsidenten stellte, erlitt eine herbe Niederlage. Die Konservativen, die inzwischen Moons Nachfolger Yoon Suk Yeol stellen, gewannen in 12 der 17 großen Städte und Provinzen, darunter auch in Seoul und der Küstenstadt Busan. Bei der letzten Wahl hatte das linke Lager noch 14 dieser 17 Führungsposten geholt.
Präsident Yoon interpretierte die Wahl als demokratische Bestätigung seiner Politik. „Das dringlichste Anliegen ist die Wiederbelebung der Wirtschaft“, ließ er erklären.
In der Tat dominieren traditionell ökonomische Themen den politischen Diskurs. Südkorea, das epidemiologisch vorbildlich und wirtschaftlich solide durch die Pandemie kam, erlebt derzeit einen Post-Corona-Frühling: In Seouls traditionellem Jongro-Bezirk sind die Grill-Restaurants voller denn je und auch die Clubs im Ausgehviertel Itaewon sind wieder geöffnet.
Rückkehr zur Normalität
Der Alltag ist vollkommen wieder hergestellt, nur weiterhin getragene Masken erinnern an die Pandemie. Mehr noch: Es ist, als wollten junge Koreanerinnen und Koreaner die verlorene Zeit der letzten zwei Jahre nun mit voller Euphorie nachholen.
Dass das Land ohne Lockdown durch die Pandemie kam, ist eines der großen Verdienste von Ex-Präsident Moon. Doch scheint dies vergessen.
Insbesondere junge Männer wandten sich in Scharen dem konservativen Lager zu. Ihre Enttäuschung wurzelt vor allem in der gescheiterten Immobilienpolitik unter dem linken Ex-Präsidenten. Dieser wollte den aufgeheizten Markt mit Preisdeckeln und Reformen entschleunigen, doch erreichte er das Gegenteil.
Geringste Wahlbeteiligung seit über 20 Jahren
Miet- und Immobilienpreise schossen im Rekordtempo in die Höhe. In Seoul kann sich inzwischen niemand mit einem Angestelltenlohn allein und ohne reiche Eltern ein eigenes Apartment leisten.
Hinzu kamen mehrere Skandale innerhalb der Parteiführung, die von Korruption bis hin zu sexueller Belästigung reichen. Dabei wird der Minjoo-Partei besonders wenig verziehen, gab sie sich doch zuvor als besonders sauber und vorbildlich.
Wie nachhaltig der politische Umschwung nach rechts ist, wird sich noch zeigen. Bislang hält das progressive Lager immerhin noch eine Mehrheit in der Nationalversammlung.
Auch wenn zur Wahl traditionell ein Feiertag ausgerufen wurde, lag die Beteiligung jetzt nur bei 50,9 Prozent – der niedrigste seit über 20 Jahren.
Dennoch steht der lebhafte Zustand der südkoreanischen Demokratie außer Frage: Das Recht auf freie Wahlen, das sich die Südkoreaner vor 35 Jahren erkämpften, wird weiterhin von der Gesellschaft als hohes Gut zelebriert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören