Urnengang in Südkorea: Zwei Unbeliebte zur Wahl

Südkorea wählt ein neues Staatsoberhaupt. Die besten Chancen hat der Konservative Yoon Suk Yeol – er will das Frauenministerium abschaffen.

Mann in Anzug und mit Mund-Nasen-Schutz reckt auf der Bühne die Faust

Der konservative Präsidentschaftskandidat Yoon Suk-yeol macht bei einem Auftritt auf dicke Hose Foto: Ahn Young-Joon/AP/dpa

BERLIN taz | Vor dem Hintergrund von Rekordinfektionen durch die Omikron-Variante sind an diesem Mittwoch 44,2 Millionen Süd­ko­rea­ne­r:in­nen zur Wahl eines neuen Staatsoberhauptes aufgerufen. Für Infizierte gibt es abendliche Extrazeiten in den Wahllokalen. Den Wahlkampf dominierte ein Zweikampf zwischen dem sozialliberalen Ex-Provinzgouverneur Lee Jae-myung der Demokratischen Partei (DP) und dem Ex-Generalstaatsanwalt Yoon Suk Yeol von der konservativen People Power Partei. Der bisherige Präsident Moon Jae-in (DP) darf nicht mehr antreten.

Yoon führte leicht in den letzten Umfragen. Er rühmt sich, die konservative Ex-Präsidentin Park Geun-hye wegen Korruption und Amtsmissbrauch hinter Gitter gebracht zu haben. Zum Generalstaatsanwalt ernannt hatte ihn der damalige Präsident Moon. Als Yoon auch gegen dessen Umfeld ermitteln wollte, kam es zum Bruch und Yoon wechselte in die Politik.

Als Präsident, droht Yoon, wolle er auch gegen Moon ermitteln lassen. In Südkorea sind schon mehrere Ex-Präsident:innen verurteilt, aber später auch begnadigt worden.

Gestiegene Immobilienpreise, hohe Inflation, die Pandemiefolgen und die Jugendarbeitslosigkeit wurden in Umfragen als größte Herausforderung der künftigen Präsidenten genannt.

„Südkoreas erfolgreicher Bernie Sanders“

Lee verspricht mehr öffentlichen Wohnungsbau, Yoon mehr marktwirtschaftliche Anreize beim Bau. Doch jenseits klassischer Links-rechts-Muster haben sie wenig Konkretes zu bieten und sich vor allem eine Schlammschlacht geliefert, die beiden geschadet hat. Medien sprechen von einer „Wahl der Unbeliebten“.

Der 57-jährige Ex-Fabrikarbeiter Lee, der sich zum Menschenrechtsanwalt hochgearbeitet hat, spricht von sich selbst als „Südkoreas erfolgreicher Bernie Sanders“.

Lee ist für ein bedingungsloses Grundeinkommen und positioniert sich außenpolitisch vorsichtig zwischen den USA und China. Gegenüber Nordkorea setzt er eher auf Entspannung. Sein Problem ist ein Baulandskandal aus seiner Zeit als Bürgermeister einer Seouler Vorstadt, bei dem zwei Zeugen inzwischen Suizid begingen.

Der konservative Yoon sucht außenpolitisch mehr Nähe zu den USA und Japan und mehr Distanz zu China. Er will das US-Raketenabwehrsystem THAAD in Südkorea stärken, das zu chinesischen Sanktionen führte. Yoon befürwortet gegenüber Nordkorea sogar Präventivschläge.

Schweigen nach Ausfall des Teleprompters

Kritiker halten ihm mangelnde Regierungserfahrung vor, dass er beim Ausfall eines Teleprompters minutenlang schwieg und zu Schamanismus und Aberglauben neige.

Wegen der Art seiner Rhetorik und des Gegeneinanderausspielens gesellschaftlicher Gruppen verglich der Korea Herald Yoon gar mit Donald Trump. Der 61-Jährige griff auch eine unter jungen Männern grassierende Stimmung auf, die Frauenquoten für Karriereprobleme von Männern verantwortlich macht. Yoon behauptet: „Frauen werden nicht systematisch benachteiligt“, Männer hingegen „werden wie potenzielle Sexualstraftäter behandelt“.

Er hat angekündigt, das erst 2001 eingeführte Ministerium für Frauen und Familien abzuschaffen und will Strafen für Falschaussagen von Frauen in Vergewaltigungsprozessen verschärfen. Das dürfte solche Prozesse für Vergewaltigte noch schwieriger machen.

Nach Ansicht von Beobachtern hat der hohe Leistungsdruck in Südkoreas Gesellschaft dazu geführt, dass Männer bis 30, die früher eher links wählten, jetzt konservativer sind. Für ihre beruflichen Probleme machten sie öfter Frauen verantwortlich und sehen sich zugleich durch die 18-monatige Wehrpflicht benachteiligt.

Südkorea: Größtes „Gender Pay Gap“ aller Industrieländer

Konservative machen den Feminismus auch für Südkoreas geringe Geburtenrate verantwortlich, die niedrigste der Welt.

Frauen hingegen beklagen weit verbreitete sexuelle Belästigungen sowie fortgesetzte patriarchale Strukturen wie etwa die geschlechtsspezifische Lohnlücke („Gender Pay Gap“). Sie ist mit rund 32 Prozent die höchste aller Industriestaaten.

In den letzten Jahren konnte Südkoreas #MeToo-Bewegung in Fällen sexueller Belästigungen einige öffentlichkeitswirksame Erfolge feiern, die insbesondere in den sozialen Medien zu heftigen Gegenreaktionen von Männern geführt haben.

Auch der linksliberale Lee hat im Wahlkampf kleinere Änderungen im Frauenministerium versprochen und erst spät damit begonnen, offensiv um Frauenstimmen zu werben.

Keine Wahlkampfauftritte mehr mit den Ehefrauen

Gemein ist Lee und Yoon, dass sie zuletzt im Wahlkampf jeweils nicht mehr mit ihren Ehefrauen aufgetreten sind. Denn diese hatten sich jeweils für eigene Verfehlungen und Skandale öffentlich entschuldigen mussten.

Meinungsumfragen sind in der Woche vor dem Wahltag nicht mehr erlaubt. Doch seitdem dürfte der konservative Yoon weiter von den Ängsten profitiert haben, die Russlands Angriff auf die Ukraine ausgelöst hat sowie Nordkoreas letztem Raketentest am Samstag. Es war bereits der neunte allein in diesem Jahr.

Vor allem aber dürfte Yoon das erst am Donnerstag besiegelte Bündnis mit dem bisher in Umfragen drittplatzierten Ahn Cheol-soo nützen. Der Softwaremillionär neigte einst zum liberalen Lager, konnte sich dort aber nicht durchsetzen. Kam er 2017 noch auf 21,4 Prozent, lag er jetzt in Umfragen zuletzt nur unter zehn Prozent. Sollten jetzt die meisten seiner Anhänger Yoon wählen, dürfte dessen Sieg feststehen.

Als chancenlos gilt dagegen Sim Sang-jung von der kleinen linken Gerechtigkeitspartei. Umfragen sehen die 63-jährige frühere Gewerkschaftsaktivistin bei ihrer bereits zweiten Präsidentschaftskandidatur nur bei um die zwei Prozent.

Im Januar hatte sie schon einmal aufgegeben, nach fünf Tagen aber ihren Wahlkampf doch noch fortgesetzt. Die als integer geltende Feministin schaffte es aber nicht, sich als realistische Alternative zwischen den beiden großen Lagern zu präsentieren.

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