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Südkorea bei der Fußball-WM„Es ging um Erfolg um jeden Preis“

Im koreanischen Fußball war K-League war als Projekt der Militärdiktatur nie sonderlich populär, sagt Sport-Experte Lee Jung-Woo.

Die wichtigere Sportart in Südkorea ist eigentlich Baseball Foto: dpa
Interview von Frederic Valin

taz: Welche Bedeutung hat der Fußball für die südkoreanische Gesellschaft?

Lee Jung-Woo: Baseball ist der wichtigste Sport in Korea. Im Fußball spielt vor allem die Nationalmannschaft eine Rolle, die K-League war nie sonderlich populär, obwohl der Fußball aufs Engste mit der koreanischen Gesellschaft verknüpft ist.

Sie würden der Idee zustimmen, dass eine Nationalmannschaft immer auch die Gesellschaft repräsentiert, aus der sie hervorgeht?

Ja, aber nicht eins zu eins. Drei historische Ereignisse prägen maßgeblich die südkoreanische Gesellschaft: die Zeit als Kolonie Japans bis 1945, dann der Krieg, und anschließend der ökonomische Aufschwung. In der Zeit der kolonialen Unterdrückung, die sehr repressiv und grausam gewesen ist, war Fußball eines der wenigen kulturellen Felder, in der eine koreanische Identität behalten oder auch entwickelt werden konnte.

Die Spiele koreanischer Mannschaften in Japan waren ein nationales Ereignis, auch nach der Befreiung. Der Sport bringt in Korea die stärksten anti-japanischen Ressentiments hervor. Vor dem ersten Spiel nach der Okkupation, 1954 war das, sagte der damalige Trainer: „Wir werden gegen Japan gewinnen. Wenn nicht, schmeißen wir uns ins Meer.“

Parallel dazu hat die Militärdiktatur versucht, sich nach innen und nach außen durch die Nationalmannschaft gut darzustellen, etwa durch den Presidents Cup. Da lud man möglichst nicht konkurrenzfähige Mannschaften ein, um sich als großen Sieger darzustellen.

Bild: privat
Im Interview: Lee Jung-Woo

ist Dozent an der University of Edinburgh am Intitut „Sport, Physical Education and Health Sciences“. Er forscht und lehrt über Leisure Policyund den Olympischen Spielen.

Es ging um Erfolg um jeden Preis. Die Siege im Fußball sollten den ökonomischen Aufschwung illustrieren. Und der Fußball sollte dadurch eine beruhigende Wirkung auf die Bevölkerung haben. Nach dem Aufschwung gab es in den achtziger Jahren demokratische Massenproteste, und auch die Einführung der K-League im Jahr 1983 war als Ablenkung gedacht, um die Massen durch Unterhaltung ruhig zu halten. Das hat nicht funktioniert, auch weil es eine enge Vermischung zwischen großen Unternehmen und den Fußballvereinen gab; darüber konnte kaum ein Verein eine regionale Identität mit eigener Fankultur entwickeln. Deswegen interessieren die Fußballclubs nur wenige.

Mir scheint, dass koreanische Fußballer die am wenigsten kriegerische, maskulin geprägte Körperkultur in die Weltmeisterschaft einbringen. Die Haare sind bunt, es werden keine Tribal-Tattoos zur Schau gestellt und so weiter.

Das öffentliche Bild, das südkoreanische Fußballer abgeben, hat sich maßgeblich geändert. Bum Kun-Cha, der in Deutschland vielleicht noch ein Begriff sein wird, repräsentierte die alte Generation: der hart arbeitende, zurückhaltende Mann der Nachkriegszeit. Als Ende der 1990er Jahre der Fußball in Südkorea seinen Aufschwung nahm, haben sich die Spieler anders dargestellt: als Popstar. Sie mussten sich vermarkten, mehr sein als nur Fußballer.

Es gibt inzwischen gemeinschaftliche nord- und südkoreanische Teams, die bei den Asian Games oder den Olympischen Spielen antreten werden. Der Fußballverband hat ähnliche Überlegungen verworfen, obwohl es 1991 ein gemeinsames Team bei der Junioren-WM gab.

Der koreanische Nationalismus hat zwei Ausprägungen, die in Konkurrenz zueinander stehen. Es gibt einerseits einen ethnischen Nationalismus, der über die Grenzen greift und eine antiimperialistische Verarbeitung der Vergangenheit ist. Er zeigt sich im Sport auch dadurch, dass auch das Team des jeweils anderen Landes bei internationalen Wettbewerben unterstützt wird. Und es gibt den patriotischen Nationalismus Südkoreas, der ökonomisch grundiert ist und auf den Aufschwung-Stolz abzielt. Der braucht herzeigbare Erfolge. Das knüpft an den Leistungsgedanken an, und dieser Gedanke ist mit einer politischen Mission, die Spieler beider Länder vereinigt, nicht vereinbar.

Und inwiefern hat der koreanische Fußball mit Krieg, mit dem Konflikt zwischen Nord und Süd zu tun?

Mit Krieg hat der Fußball eher mittelbar zu tun, inzwischen wird der Sport symbolisch als Mittel der Aussöhnung verwendet. Es gab immer wieder Freundschaftsspiele zwischen den beiden Nationen, die politisch bedeutsam waren, 1990 etwa oder auch 2005, als es zur Erinnerung an die Befreiung zwei Freundschaftsspiele gab, einmal die Männerteams, einmal die Frauenteams. Das Duell der Männer gewann Süd-, das der Frauen Nordkorea.

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