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Sudan nach dem MilitärputschDer Widerstand wächst

Das Militär ist nach seiner Machtergreifung weitgehend isoliert. Die Demokratiebewegung ist zuversichtlich, General Burhan in die Knie zu zwingen.

Protest gegen den Militärputsch am vergangenen Mittwoch in der sudanesischen Hauptstadt Khartum Foto: Marwan Ali/ap

Berlin taz | Die Konfrontation in Sudan zwischen den Militärputschisten, die am Montag die zivile Übergangsregierung aufgelöst hatten, und der Protestbewegung auf den Straßen verschärft sich. Nachdem am Donnerstag bei Schüssen von Soldaten auf Demonstranten in der Hauptstadt Khartum mindestens sieben Menschen getötet worden waren, machte die Demokratiebewegung am Freitag weiter für eine geplante Großkundgebung gegen das Militär am Samstag mobil.

Am Montag hatte General Abdel Fattah al-Burhan, bisher der faktische Staatschef des Landes an der Spitze eines „Souveränitätsrats“, die zivile Übergangsregierung für aufgelöst erklärt, die seit August 2019 Sudan regiert und zu freien Wahlen führen soll. Der zivile Premierminister Abdalla Hamdok wurde festgenommen, ebenso andere zivile Minister.

Der faktische Militärputsch ist international breit verurteilt worden und hat zu ersten Streichungen von Finanzhilfen geführt. Am Donnerstag verlangte der UN-Sicherheitsrat auf einer Dringlichkeitssitzung die „Wiedereinsetzung einer von Zivilisten geführten Übergangsregierung“ – eine Kompromisslösung, nachdem Russland eine ausdrückliche Forderung nach Wiedereinsetzung der gestürzten Regierung abgelehnt hatte.

Die größte Herausforderung für die Generäle kommt von innen. Seit Montag geht die Demokratiebewegung, die 2019 mit Massenprotesten den Sturz des Langzeitdiktators Omar Hassan al-Bashir erzwungen hatte und sich nun um die Früchte ihrer „Revolution“ betrogen sieht, wieder gegen die Restauration der Militärherrschaft auf die Straße.

Barrikaden aus Steinen

Behörden, Universitäten, Schulen, Märkte, Banken und die meisten Geschäfte in Khartum und anderen Städten sind als Zeichen des Protests geschlossen. Jugendgruppen haben zahlreiche Straßen mit Barrikaden aus Steinen abgeriegelt, um der Armee die Bewegungsfreiheit zu nehmen. Eine Kampagne von Streiks, Nachtwachen und Straßenversammlungen soll am Samstag mit einer Großkundgebung von einer Million Menschen in Khartum ihren Höhepunkt erreichen.

Unterdessen scheint die Lage täglich zu eskalieren. Übereinstimmenden Berichten zufolge kam es am Donnerstagabend zu schweren Übergriffen der Armee in einem nördlichen und einem östlichen Vorort von Khartum. Soldaten setzten Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein, als Demonstranten sich der Räumung von Straßensperren widersetzten. Sieben Tote sind bestätigt, was die Gesamtzahl der bestätigten Opfer unter den Demonstranten seit Montag auf 11 Tote und rund 170 Verletzte erhöht. Die wirklichen Zahlen könnten höher sein.

Viele Stimmen in der Protestbewegung zeigen sich zuversichtlich, dass Burhans Putsch scheitern wird. Nicht nur arbeiten manche zivile Ministerien weiter und stellen sich gegen das Militär. Auch 68 sudanesische Diplomaten im Ausland haben sich mit der gestürzten Regierung solidarisch erklärt, darunter Sudans Vertreter bei UNO und EU, in den USA und China.

Ein erstes Zeichen, dass das Militär zurückrudert, gab es am Freitag: General Burhan gab bekannt, er habe dem mittlerweile in sein Haus zurückgekehrten abgesetzten Premier Hamdok angeboten, sein Amt wieder zu übernehmen. Hamdok soll das abgelehnt haben: Die Protestbewegung will keine Rückkehr zur zivil-militärischen Machtteilung mehr, sondern eine rein ­zivile Regierung.

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4 Kommentare

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  • Viele Militärs wissen schlichtweg, dass der Westen im Zuge transatlantischer Narrative stets versucht, mit seinen Mitteln Einfluss auf zivile demokratische Regierungen zu nehmen:



    Fallen die Wahlen nicht aus wie gewünscht, werden diese einfach nicht anerkannt und Gelder für OTPOR/CANVAS-gestützte "Demokratiebewegungen" locker gemacht und gerne auch Staatsstreiche unterstützt bis es wieder passt bzw. die gewünschten bürgerkriegsgepeinigten Failes States zurückbleiben.

    Klar sind Militärputsche alles andere als demokratisch, aber auch da setzt der Westen jeweils unterschiedliche Maßstäbe an. Bei den lateinamerikanischen faschistischen Militärdiktaturen, in Spanien oder Griechenland, Philippinen, Türkei oder Indonesien etc. hat man sich nicht geziert, gute Geschäfte mit den Generälen zu machen, hat für die Opposition keinen Cent locker gemacht. Jetzt tauchen aber die sich überall gleichenden Bilder junger Prostierender in Belarus wie in Myanmar, in HongKong wie im Sudan auf - perfekt wie im Instagram-Fotoshooting in Szene gesetzt und quasi über Nacht mit einer professionellen Netzwerk-Infrastruktur versehen. Sorry, mir scheint das etwas zu glatt zu laufen um überzeugend zu sein.

  • Die Erfahrungen aus Ägypten und zuletzt Myanmar zeigen, dass es fast unmöglich ist, die Herrschaft der Militärs einzudämmen, haben diese sich erst einmal in den Schaltzentralen der Macht eingenistet, leider.



    Generäle und Obristen sitzen fast immer am längeren Hebel … mag die Demokratiebewegung auf den Straßen noch so machtvoll sein, ohne „argumentativ überzeugende“ außenpolitische Unterstützung läuft der Protest ins Leere. Hierin sind Militärjunten vielleicht hartleibiger und skrupelloser als so manche zivile Autokraten. Und was ist im Sudan für den Westen zu gewinnen?



    Es ist eher ein historischer Glücksfall, wenn - wie beispielsweise in der portugiesischen Nelkenrevolution von 1974 - reformwillige Offiziere mit militärischen Mitteln den Weg für die Demokratie frei machen.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Abdurchdiemitte:

      Man könnte diese äußerst schlecht ausgerüstete Armee innerhalb von 2 Wochen erledigen. Die meisten Soldaten würden sich wahrscheinlich eh ergeben.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Damit würde, insbesondere wenn man sich die Umstände des regionalen Umfelds (Somalia, Afghanistan/Eritrea, auch der Sahel ist nicht allzu weit etc.) vor Augen führt, ein endloser Kleinkrieg mit Vertreibung, Hunger, diversem Milizenterror angeleiert, wo man sich fragen sollte, ob Afganistan, Irak, Mali, Libyen etc. nicht schon Warnung genug waren.