: Suche nach Knoten
Das Mammazentrum in Buch hat dank Gewebeproben die Operationsrate bei Brustkrebs gesenkt. Die richtige Art der Vorsorge bleibt umstritten
von WIBKE BERGEMANN
Ihre Großmutter ist an Brustkrebs gestorben. Die Enkelin hatte mehr Glück: Aus Sorge, das gleiche Schicksal zu erleiden, ging Corinna Hamm* jährlich zur Mammografie. Im November wurde bei ihr ein bösartiger Tumor entdeckt. Die Diagnose kam rechtzeitig: Der Krebs hatte sich noch nicht auf andere Körperteile ausgebreitet. Ihre Brust konnte schonend operiert werden.
„Das Ziel muss sein, die Krebsbildung zu erkennen, bevor ein Knoten überhaupt ertastbar ist“, beschreibt Ute Kettritz ihre Arbeit als Radiologin am Klinikum Buch. Das Mammazentrum im Norden Berlins feiert diesen Monat sein einjähriges Jubiläum.
Das Besondere an dem Spezialzentrum: Die diagnostizierenden Radiologen, die Pathologen, die Gewebeproben untersuchen, und die behandelnden Gynäkologen arbeiten besonders eng zusammen. Auf einem täglichen Treffen aller Ärzte wird jeder einzelne Fall besprochen.
Rund 6.000 Frauen hat Kettritz seit der Eröffnung des Spezialzentrums im Januar 1999 auf Brustkrebs untersucht. Noch immer ist die Mammografie die wichtigste Methode bei der Brustkrebsdiagnose. Auf den Röntgenbildern können Krebsherde in Form feinster Kalkablagerungen schon im Frühstadium entdeckt werden. „Je früher der Krebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen“, so Kettritz. Werden verdächtige Kalkspuren gefunden, stanzt die Radiologin mit einer ca. 2 Millimeter großen Kanüle eine Gewebeprobe aus der Brust, die an den Pathologen geht. Nach 24 Stunden liegt das Ergebnis vor.
In Deutschland muss jede zehnte Frau früher oder später mit einer Brustkrebserkrankung rechnen. Jährlich werden 45.000 Fälle diagnostiziert, und 15.000 sterben an dieser häufigsten Krebsart bei Frauen.
Gegen die hohe Zahl der Todesfälle hilft nur eine bessere Diagnostik. Viel zu oft werden Krebsherde bei der Mammografie nicht erkannt. „Das ist so gefährlich wie gar keine Untersuchung. Die Frau wiegt sich dann in Sicherheit“, warnt Martina Schröder vom Feministischen Frauengesundheitszentrum (FFGZ). Auch eine falsche positive Diagnose ist schlimm für die Betroffene. Bei mindestens zwei Dritteln der in Deutschland operierten Frauen erweist sich der Tumor nachträglich als gutartig. „Die Ärzte sagen dann: Freuen Sie sich doch. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen“, berichtet Schröder.
Jährlich kommen 100.000 gesunde Frauen unters Messer, schätzt Hans-Joachim Koubenec vom Krankenhaus Moabit: „In vielen Kliniken wissen die Frauen vor der Operation nicht, wie sie wieder aufwachen werden.“ Um den Frauen unnötige Torturen zu ersparen, operiert Koubenec nur nach vorheriger Gewebeprobe. In Buch stellen sich daher nur noch 5 Prozent aller operierten Tumore als gutartig heraus.
Umstritten ist, ob die Früherkennung verbessert werden könnte durch eine regelmäßige, flächendeckende Untersuchung aller Frauen ab 40 Jahren, das so genannte Screening, wie es etwa in Holland, Skandinavien und den USA durchgeführt wird. In Deutschland hängt es derzeit vom Gynäkologen ab, ob eine Frau zur Mammografie geschickt wird oder nicht. Und nur mit einer Überweisung in eine radiologische Praxis zahlen die Krankenkassen die Untersuchung.
Modellversuche in Westdeutschland sollen zeigen, wie sinnvoll das flächendeckende Screening ist. Martina Schröder vom FFGZ hat ihre Bedenken: „In England konnte in den letzten zehn Jahren durch ein umfassendes Vorsorgeprogramm die Todesrate um 19 Prozent gesenkt werden. Doch nur 6 Prozent weniger Todesfälle wurden dem Screening zugeschrieben.“ Denn die Röntgenuntersuchung kann nur so gut sein, wie der Arzt ist. „In den meisten Röntgeninstituten läuft die Mammografie unter vielem anderen, die Qualität ist entsprechend schlecht“, warnt Schröder. Thomas Decker, Pathologe in Buch, glaubt daher, dass wie in den Niederlanden eine halbjährliche staatliche Prüfung der Brustkrebs behandelnden Ärzte eingeführt werden müsste: „Aber das lassen sich die deutschen Ärzte natürlich nicht gefallen.“
„Doch selbst die holländischen Ärzte im Screening-Programm müssen zugeben, dass sie bis zu 40 Prozent aller Krebse übersehen“, gibt Koubenec zu bedenken. Statt Screening empfiehlt er vor allem für Frauen unter 50 Jahren die Selbstuntersuchung: Wer sich regelmäßig selbst untersuche, bemerke oft auch kleine Veränderungen. „Wichtig dabei ist eine gute Anleitung: Frauen können einen Tumor in einem noch gut behandelbaren Stadium selbst ertasten“, so der Gynäkologe.*Name geändert
Informationen über die auf Brustkrebs spezialisierten Kliniken in Berlin unter www.brustkrebs-berlin.de
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