"Stuttgart 21"-Dialog abgebrochen: Gegner sehen keine Basis
Solange der alte Bahnhof weiter abgerissen werde, seien Gespräche zwecklos, erklären die "Stuttgart 21"-Gegner. Ministerpräsident Mappus (CDU) wirft den Grünen vor, fortschrittsfeindlich zu sein.
STUTTGART dapd/dpa | Das Aktionsbündnis der "Stuttgart 21"-Gegner sieht keine Basis mehr für die geplante gemeinsame Informationsplattform mit den Trägern des Bahnprojekts. Bündnissprecher Gangolf Stocker sagte am Montag, das in dem ersten Sondierungsgespräch zwischen Gegner und Trägern anvisierte Dialogforum sei nur ein "skizzierter Zwischenschritt", über den man sich bei weiteren Gesprächen hätte verständigen können.
Er sehe aber erst dann eine Basis für weitere Gespräche, wenn es die Zusage gebe, dass der Südflügel des Hauptbahnhofs nicht abgerissen werde und auf Eingriffe in den Park verzichtet werde. Stocker kündigte für die kommenden Monate öffentliche Diskussionsrunden auch mit Befürwortern des Projekts.
Ein erstes Sondierungsgespräch war am vergangenen Freitag zustande gekommen. Dabei einigten sich Träger und Gegner des Bahnprojekts eigentlich auf eine gemeinsame Plattform zum öffentlichen Informationsaustausch. Wie diese gestaltet wird, sollte in weiteren Gesprächen geklärt werden.
Stocker sagte weiter, er erkenne überhaupt keine Bewegung bei den Projektträgern. "Man kann nicht eine Brücke begehen und die sägen daran", kritisierte er die Haltung von Bahn, Bund, Land und Stadt. Für die kommenden Monate kündigte er öffentliche Diskussionsrunden auch mit Befürwortern des Projekts an.
Das Aktionsbündnis hatte am Sonntag bekanntgegeben, dass es keine Grundlage mehr für Gespräche mit den Befürwortern des Projektes sehe. Grund seien "unmissverständliche Äußerungen" von Ministerpräsident Stefan Mappus, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (beide CDU) und Bahnchef Rüdiger Grube, wonach es auch im Falle von Verhandlungen keinen Baustopp geben werde, heißt es auf der Internetseite des Bündnisses.
Der frühere Daimler-Chef Edzard Reuter forderte indes für das Bahnprojekt "Stuttgart 21" einen Baustopp "von mindestens ein oder zwei Monaten". "Die Antwort darf doch nicht sein: Basta, wir schaffen jetzt Fakten", sagte Reuter. "Nehmen wir uns doch noch etwas Zeit. Das verstünde jedenfalls ich unter demokratischem Verantwortungsbewusstsein", sagte Reuter weiter.
Ein "wesentlicher Teil der Bevölkerung" komme zu dem Schluss, dass viele neue Fakten gegen das Projekt sprächen, auch wenn er selbst sich noch nicht entschieden habe. Das Problem sei, dass Stuttgart 21 "immer teurer und immer teurer" werde, den Menschen aber etwas anderes versprochen worden sei, sagte Reuter weiter.
Reuter gehört auch zu den mehr als 54.000 Unterzeichnern des "Stuttgarter Appells", in dem ein Baustopp und eine Bürgerbefragung für das Milliardenprojekt gefordert werden. Damit sollen laut Initiatoren Gespräche zwischen Projektträgern und Gegnern ermöglicht werden.
Ministerpräsident Mappus kämpft für den Tiefbahnhof
Unterdessen warb Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erneut für "Stuttgart 21". Er sagte am Montag im ARD-Morgenmagazin, es handele sich um ein zentrales Verkehrsprojekt für das Land. Es gehe darum, wie die Region an internationale Netze angebunden sei, erklärte Mappus. "Die letzten Jahre haben bei aller Komplexität des Projekts gezeigt, dass es wichtig ist."
Der Regierungschef zeigte sich weiter offen für Gespräche: "Es gibt unglaublich viel zu gestalten." Über die Innenstadt von Stuttgart sei "nichts entschieden". "Ich bin dafür, dass man die Bürger aktiv einbindet. Aber manchem geht es um die Frage, das komplette Projekt zu kippen, und das ist mit mir nicht zu machen."
Mappus kritisierte besonders die Grünen. "Sie wollen in Baden-Württemberg keinen Straßenbau. Sie wollen keinen Ausbau von Flughäfen. Und seit neuestem wollen sie auch keinen Ausbau von Schienen. Die müssen auch mal sagen, wie man sich in Zukunft fortbewegen soll", sagte der CDU-Politiker.
Bei "Stuttgart 21" wird der Hauptbahnhof für 4,1 Milliarden Euro vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof umgestaltet. Für rund drei Milliarden Euro soll zudem eine Hochgeschwindigkeitsneubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm entstehen. Seit Monaten demonstrieren Tausende gegen das Bahnprojekt. Zuletzt war auch der Ton auf der Straße rauer geworden. Nach einer Protestkundgebung wurden am Freitag 30 Demonstranten festgenommen und mehrere Polizisten verletzt.
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