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Sturm aufs Kapitol in WashingtonDonald Trumps treues Fußvolk

Seit dem frühen Morgen waren Trump-Anhänger in Washington unterwegs. Die meisten waren friedlich – aber bereit, für Trump zu kämpfen.

„Ich bin bereit zu kämpfen“, sagt Bradley Anderson aus Pennsylvania Foto: Hansjürgen Mai

Washington taz | Es sind verstörende Szenen, die aus Washington um die Welt gehen. Anhänger von US-Präsident Donald Trump stürmten am Mittwoch das US-Kongressgebäude in der US-amerikanischen Hauptstadt. Die Demonstranten zerstörten dabei Fensterscheiben, brachen in die Büroräume von Abgeordneten ein und verschafften sich unerlaubten Zugang zu den beiden Parlamentskammern. Ersten Berichten zufolge sollen während der Ausschreitungen mindestens sechs Menschen verletzt worden sein, darunter auch Polizisten.

Die gemeinsame Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat, bei der eigentlich der Wahlsieg von Joe Biden offiziell zertifiziert werden sollte, wurde unterbrochen. Bereits am Vortag kam es in Washington zu Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und der Polizei. Tausende von Trump-Anhängern haben sich in den vergangenen Tagen in der Hauptstadt versammelt, um gegen die nach ihrer Meinung gestohlene Wahl zu demonstrieren.

“Sollte dieses Wahlergebnis nicht gekippt werden, dann werden wir in diesem Land niemals wieder gültige Wahlen haben“, sagte Elizabeth Buchholz, die zusammen mit einer Freundin aus Michigan in der Nähe des Kongressgebäudes demonstrierte.

Buchholz glaubt wie auch viel andere Trump-Anhänger, dass Biden die Wahl nur aufgrund von Manipulationen gewinnen konnte. Beweise für diese Verschwörungstheorie gibt es allerdings keine. Angestachelt werden diese und andere haltlose Behauptungen von Trump selbst.

Immer wieder Rufe: „Kämpft für Trump!“

Noch am Vormittag sprach Trump selbst zu den Demonstranten. Erneut behauptete, dass er die Wahl erdrutschartig gewonnen hätte und ein großangelegter Betrug im Gange sei. „Wir können das nicht zulassen“, sagte Trump immer wieder. Trump ermutigte die Demonstranten in seiner Ansprache, sich auf den Weg zum Kongressgebäude zu begeben und sich dort Gehör zu verschaffen. “Wir werden heute sehen, ob Republikaner die Integrität besitzen, um für unsere Wahlen einzustehen.“

Die Rede des Präsidenten wurde immer wieder von “Kämpft für Trump“-Rufen unterbrochen. Trotz der aufgeheizten Stimmung gaben sich die meisten Demonstranten damit zufrieden, ihre Unterstützung für den Präsidenten mit Fahnen und Plakaten unter Beweis zu stellen. In der Menge fanden sich jedoch auch immer wieder Anhänger, die schusssichere Westen und Militärkleidung trugen. Offenes Waffentragen hingegen, wie es immer wieder bei Pro-Trump-Demonstrationen etwa in Wisconsin zu sehen war, ist in Washington, D.C., verboten.

“Ich bin bereit zu kämpfen“, sagte Bradley Anderson. “Ich habe Enkelkinder und ich will nicht, dass diese in einem Land aufwachsen, in dem sie nicht frei sind. Ich werde es nicht zulassen. Und ich weiß, dass viele andere ähnlich denken“.

Anderson, der ursprünglich aus Erie im Bundesstaat Pennsylvania stammt, war als sogenannter MAGA (“Make America Great Again“)-Mann verkleidet. Er trug einen Umhang, eine Maske und war von Kopf bis Fuß in den US-Farben Rot, Weiß und Blau gekleidet. “Es wird eine Revolution geben. Sollten die Politiker die aktuelle Situation nicht berichtigen, dann wird es zu Kämpfen kommen“, sagte er.

Auch Demonstranten schockiert über den Sturm aufs Kapitol

Diese ominöse Drohung wurde nur wenig später in die Tat umgesetzt. Hunderte von Trump-Anhängern durchbrachen die Absperrungen und stürmten die Treppen des Kongressgebäudes. Die Polizei konnte gegen die Menschenmassen nicht viel ausrichten, und so kam es zu den hässlichen Bildern innerhalb und außerhalb des Kapitols.

Das Ausmaß dessen, was sich dort gerade zugetragen hatte, war vielen jedoch schnell klar. Mehrere Demonstranten zeigten sich schockiert über das Verhalten dieses aggressiven Mobs. Dazu zählte auch Mike Holy, einer von wenigen Biden-Anhängern, die sich vor dem Kongress blicken ließen.

“Bei Politik geht es um Kompromissbereitschaft. Dies geht jedoch nur, wenn wir uns gegenseitig zuhören“, sagte Holy, der mit einem Biden-Harris-Plakat am Straßenrand stand. „Gewalt hilft keinem“, fügte er hinzu. Trump-Anhängerin Elizabeth Buchholz meinte, das heutige Verhalten mache die USA zum Gespött der Welt.

Trump forderte die Demonstranten am späten Nachmittag in einer Videobotschaft dazu auf,nach Hause zu gehen. Er konnte es sich jedoch nicht verkneifen, seine falschen Behauptungen über seinen vermeintlichen Wahlsieg auch dort zu betonen.

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2 Kommentare

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  • 9G
    95692 (Profil gelöscht)

    Irgendwie scheint es mir nötig, diesen krankhaften Narzissten in der geschlossenen unterzubringen um größeren Schaden zu vermeiden und Teile der Amis, nein alle, sozialpsychologisch zu analysieren.



    Schade das Erich Fromm nicht mehr lebt. Seine Einschätzungen hätten mich interessiert. Siehe auch "Anatomie der menschlichen Destruktivität"

    de.wikipedia.org/w...estruktivit%C3%A4t

  • Was soll die Aussage: "Die meisten waren friedlich"? Davon sieht man im Ergebnis ... nichts, gar nichts. Genau so gut, wie die Aussage: War im Winter 10 km mit dem Fahrrad unterwegs, die meisten Kilometer war die Straße gut. 10 Meter, ein Tausendstel (nicht erkennbar, aber glatte Straße), reichten aber, mich ins Krankenhaus zu befördern. Jetzt bin ich schwer verletzt!