Studierendenproteste in Serbien: Zehntausende protestieren gegen Vućić
Nach einem tödlichen Unfall in Novi Sad geht die serbische Bevölkerung seit Wochen auf die Straße. Sie fordern Aufklärung.
So wurde die Kundgebung am vergangenen Sonntag auf dem Belgrader Slavija-Platz von Studierenden und Bauernverbänden organisiert. Die jüngste Protestwelle begann, nachdem Anfang November ein Teil des Bahnhof-Vordaches in der Hauptstadt der Vojvodina, Novi Sad, einstürzte und viele Besucher unter sich begrub. 15 Menschen wurden getötet und viele weitere verletzt. Der Bahnhof war gerade renoviert worden. Für die Tragödie wird die Regierung direkt verantwortlich gemacht, ihr wird Schlamperei und Korruption vorgeworfen.
Das Gebäude wurde erst kürzlich renoviert und mit ortsüblich großem Aufwand eröffnet, noch vor dem Ablauf der geplanten Frist. Für die Demonstranten ist klar, dass hier nicht ordentlich gearbeitet wurde, dass falsche und billige Materialien verwendet wurden, dass niemand den Bau überwacht hat. Staatspräsident Vućić behauptete, bei der Renovierung des Bahnhofs sei das Vordach ausgelassen worden.
Das war offensichtlich eine Lüge. Dokumente und Bilder zeigen, dass auch das Vordach saniert wurde – allerdings nicht fachgerecht. Das empörte viele Menschen. Sie demonstrieren seit Wochen, indem sie in ganz Serbien jeden Freitag 15 Minuten stillstehen, wo immer sie sich befinden, um der 15 Opfer zu gedenken.
Prominente schließen sich Demo an
Die Kundgebung in Belgrad begann mit einem 15-minütigen Schweigen zu Ehren der Opfer. Später skandierten Protestteilnehmer mit Blick auf Vućić: „Du hast Blut an deinen Händen!“ Auch bekannte Theater- und Filmschauspieler des Landes schlossen sich dem Protest an.
Die verbreitete Korruption und schlampige Arbeit an dem Bahnhofsgebäude in Novi Sad reiht sich in den Rahmen fragwürdiger Megaprojekte unter Beteiligung chinesischer Unternehmen ein. Unterdessen eröffnete Vućić am Sonntag einen neuen Autobahnabschnitt im Zentrum des Landes.
Forderungen der Opposition nach einer Übergangsregierung werde er nicht nachgeben, erklärte er zu diesem Anlass. Studierende würden benutzt, um zu versuchen, die Macht zu übernehmen. „Wir werden sie wieder schlagen“, sagte Vućić in Richtung der Oppositionsparteien. Wie immer machte er ausländische (westliche) Mächte für die Misere in Serbien verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen