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Studierenden-Aktivistin über WSF„Ich habe Angst“

Molka Sousi, Sprecherin des Studierendenverbandes Union générale des étudiants de Tunisie, über den Einfluss der Religiösen in Tunesien und auf dem Weltsozialforum.

Von Islamisten umgeben oder selber welche? Teilnehmer des WSF in Tunis.
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

Auf dem Campus der El Manar Universität in Tunis läuft bis Samstag das Weltsozialforum. Das Treffen ist in diesem Jahr geprägt von der Präsenz religiöser und islamistischer Gruppen, die teils am Forum teilnehmen, teils ohnehin an der Universität vertreten sind. Auf dem Campus gibt es in diesen Tagen immer wieder heftige Diskussionen zwischen religiösen und säkularen Studierenden.

taz: Sind die islamistischen Studierenden eine starke Kraft an der Universität?

Molka Sousi: Bei den Wahlen zu den landesweiten Studierendenvertretungen am 23. März haben die Islamisten keine Mehrheit bekommen. Trotzdem sind sie auf dem Campus sehr präsent.

Sie lehnen das Programm der Religiösen strikt ab. Weshalb?

Wir haben nichts gegen die Religion oder gegen den Islam, aber die UGTE steht für islamistische Ideen, die mit Demokratie oder Fortschritt – politisch, sozial oder sonstwie – nicht das geringste zu tun haben. Sie wollen unter anderem die Burkapflicht und sie wollen die Separation: Getrennte Seminarräume für Männer und Frauen.

Wie ist zu erklären, dass Menschen mit solchen Wertvorstellungen das eher linke Weltsozialfoum ganz selbstverständlich für sich zu reklamieren versuchen?

Wir sind hier in Tunesien, dieses Land wird islamistisch regiert. Es ist normal, dass sie hier sind.

Molka Sousi

, 21, studiert an der El-Manar Universität in Tunis Frankreichwissenschaften. Sie ist Sprecherin des Studierendenverbandes Union générale des étudiants de Tunisie.

Hat nicht eine gewisse politische Beliebigkeit des Forum ihr massives Auftreten hier begünstigt?

Das Motto des Forums ist Würde, alle sind für Würde und Gerechtigkeit. Die Islamisten sagen natürich, dass sie das auch sind. Aber das ist nicht wahr.

Warum nicht?

Vor den Wahlen am 23. Oktober haben die Islamisten viel von Frieden und Demokratie geredet. Jetzt sind sie gewählt und sie machen genau das Gegenteil. Der ganze Auftritt hier ist genauso verlogen: Sie sind Manipulatoren, sie geben hier ein falsches Bild. Wenn sie regieren, gibt es Verletzte und Gewalt, man hat es an dem Mord an Chokri Belaid gesehen.

Gibt es auch an der Universität Konfrontationen?

Ja, in meiner Fakultät zuletzt am 4. März. Sie wollten in dem Gebäude ihre Propaganda verbreiten. Es gab eine große Schlägerei mit Verletzten, es war schrecklich.

Wie verhalten sich die Professoren?

Sie unterstützen uns, sie sind größtenteils laizistisch.

Viele sagen, die Ennahda ist das kleinere Übel – sie verhindere, dass die wirkich harten Islamisten an die Macht kommen.

Die wirkich harten Islamisten gibt es auch in der Ennahda, sie ist im Kern islamistisch.

Wächst der Einfluss der Islamisten im Land?

Ja, er wächst, erschreckend schnell, vor allem unter jungen Leuten.

Die Universitäten sind aber eine Ausnahme? Weshalb?

Das hat mit dem Bildungsgrad zu tun: Mit höherer Bildung dechiffriert man ihren politischen Diskurs leichter.

Zehntausende Menschen haben sich in diesen Tagen hier versammelt und feiern die Revolution von vor zwei Jahren. Wie sehen Sie Tunesien in zwei Jahren?

Ich habe Angst vor dem was passieren kann, ich befürchte das Schlimmste. Wir versuchen, den Leuten zu helfen, das wahre Konzept der Ennahda zu verstehen. Sie sollen ihnen nicht glauben. Bei den letzten Wahlen sind wir damit aber gescheiert.

Wenn das so bleibt – wie könnte Ihr Leben in zwei Jahren aussehen?

Die ganze Kultur wird sich ändern. Ich hoffe, dass ich das nicht erleben muss.

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