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Studierende zwangsverpflichtetNebenfach Volkszähler

Studenten in Dresden sollen als unbezahlte Volkszähler arbeiten – das gilt als Teil des Studiums. Statt Geld erhalten die unfreiwilligen Volkszähler Credit-Points.

Crashkurs im Ankreuzen: Erhebungsbogen für den Zensus 2011. Bild: dpa

BERLIN taz | Offenbar aus Mangel an Freiwilligen werden im sächsischen Freital Studenten der TU Dresden verpflichtet, als so genannte Erhebungsbeauftragte für die Volkszählung zu arbeiten. Seit knapp zwei Wochen sind 50 Soziologiestudenten im Einsatz. Sie bekommen jedoch nicht – wie der Rest der rund 80.000 Interviewer – 10 Euro pro Interview, sondern absolvieren die Befragungen als Teil eines verpflichtenden Studienmoduls. Einige sprechen deshalb von einer "Zwangverpflichtung". Das Land Sachsen kann sich freuen, spart es durch die unfreiwilligen Helfer doch bis zu 25.000 Euro.

"Aus unserer Sicht ist das sehr problematisch", sagt Ullrich Gäbler vom Studentenrat der TU. So sei die Lehrveranstaltung kurzfristig geändert worden, ohne dies von den entsprechenden Gremien bestätigen zu lassen. Es sei zudem fragwürdig, wenn ein Lehrstuhl eine komplette Lehrveranstaltung an einen externen Anbieter – in diesem Falle den Staat – ausgliedere.

Auch viele der betroffenen Studenten sind unzufrieden, wollen sich allerdings nicht öffentlich äußern. Sie würden nicht bezahlt, zudem bedeuteten die Interviews einen erheblichen Mehraufwand. Auch zweifeln sie an der Qualität der Veranstaltung. "Sie lernen nur, wie umfangreich die Arbeit eines Erhebungsbeauftragen ist", kritisiert Gäbler. Nachbereitung finde nicht statt, an der Konzeption oder der Auswertung der Fragebögen seien die Studenten ebenfalls nicht beteiligt.

Der betreuende Professor Michael Häder dagegen spricht von einem "guten Lerneffekt" und einer "tollen Möglichkeit" für die Studenten. Sie würden lernen, wie Befragungen in der Praxis ablaufen. Dass die Studenten nicht die üblichen Bezahlung bekommen, habe der Lehrstuhl vorgeschlagen. "Das wäre ungerecht den Studenten der vorherigen Semestern gegenüber", begründet Häder. Es würde ja niemand gezwungen, an der Übung teilzunehmen.

Tatsächlich können Studenten, die die praktische Übung ablehnen, diese auch in einem der nächsten Semester nachholen – sofern denn eine adäquate angeboten wird. Für einige würde dies aber zwangsläufig dazu führen, dass sie die Regelstudienzeit überschreiten und dann etwa kein Bafög mehr bekommen.

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27 Kommentare

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  • DH
    Die heilige Johanna der Schlachthöfe

    ...ach so! Und der Film dazu nennt sich "Die Welle". Aber das nicht als Zeigefinger, sondern Erinnerung:

     

    sein Leben unabhängig und aus freiem Willen zu führen, braucht einen starken, kritischen und unabhängigen Geist, der zwar im Sinne der Gemeinschaft denkt, aber auch weiß wann er-sie-es nein zu sagen hat.

     

    Yo!

  • HJ
    Heilige Johanna der Schlachthöfe

    Ömmmm... bin zwar BWL-Mensch, aber wenn diese Damen- & Herrschaften SOZIOLOGIE studieren, dann ist das meiner Meinung nach ein klasse Experiment à la Stanley Milgram und Autoritätshörigkeit.

     

    Tipp: Einfach NEIN sagen und mal sehen was kommt. Und ansonsten gegen die Unileitung angehen.

     

    Auch in Berlin ist die Wählerschaft an Uniparlamenten scheinbar enorm gering. Also Studis: ran ans kritische Denken in den Partypausen ;-)

  • DS
    Der Sozius

    they were strangely drawn together...

    Lustig war es ja schon, 1987 BRD,1981 DDR ?

    Die Leute haben nun keine Zeit, oder schenken ´ne Flasche Sangria ein. Fühlen sich drangsaliert und ausgehorcht oder erzählen ihr halbes Leben.

    Flunkern und sind total korrekt. Haben Angst vor der Strafe und die Nachbarn...

    Nur Kneipensoziologie ist schöner, und genauso anstrengend, arme Soziologen - es lebe die Stochastik !

  • M
    Martin

    Die Aufwandsentschädigungen scheinen ja beträchtlich zu variieren. In Sachsen (Markkleeberg) gibt es nur magere 3 Euro pro geführten Interview, bei Selbstausfüllern sogar nur 1 Euro pro Haushalt!

  • S
    Sozi

    "und ich kann Eltern nur raten, schon in der Grundschule am Bildungsprozess der Kinder zu partizipieren"

     

    par-ti-zi-pieren hört sich aber nicht gerade vergnüglich an

    irgendwas zwischen Piercing,Prinzipien und Parteiensystem

    ich empfehl sowas Unfrohes niemals!

     

    Hallo Antje, wenn deiner Meinung nach die Befragungsmethode zu wünschen übrig lässt, dann ist´s erst recht ein Übungsfeld für Soziologiestudenten. Oder soll das alles den Bürokraten überlassen werden? Was nützt dann deine optimale Auswertung der Ergebnisse? Nix.

  • JA
    Jonas Amazonas

    Was für ein Banause, der Herr Professor. Das ist doch keine Wissenschaft, sondern subalterner Herrschaftsdienst. - Zumal es beim Zensus gar nicht auf den Inhalt der Daten ankommt, sondern nur darauf zu testen, was die Bevölkerung Jahrzehnte nach 1987 diesmal alles so mit sich machen lässt.

  • E
    EU-Gegner

    an Paul:

     

    Jawoll, richtig! Nur das würde wohl wegen "Mangels öffentlichen Interresse" abgeschmettert. Die Richter und Staatsanwälte machen doch alle mit. Keiner hat Mut. Und wenn doch wird er fertiggemacht. In Deutschland bekommen doch nur noch die Mächtigen Recht. Wenn der Normalbürger klagt, wirds Ihm extrem schwer gemacht und am Ende verliert er. Recht haben und Recht bekommen steht hier schon auf verschiedenen Blättern. Selbst Urteile und Grundgesetze werden doch nicht mehr befolgt. Strafen für die Grundgesetzbrecher gibts keine. Jeder Einzelfall von Gesetzesbruch wird einzelnd verhandelt werden. Und die Evtl. Strafen sind lächerlich oder bleiben gar aus.

  • KN
    Kann Nichtwahrsein

    Ich habe mich durch einen der ersten agregierten Bachelorstudiengänge gequält. Wir mussten für jeden CP hart kämpfen, hatten teilweise die doppelte Stoffmenge als die mit uns im selben Kurs sitzenden Diplomstudenten zu bearbeiten und unser Abschluss war 09/10 dank Wirtschaftskrise nicht das Papier wert, auf dem er stand. Ich hätte wer weiß was drum gegeben, mir meine CP`s mit ein bischen klönen und spazierengehen zu erarbeiten. Konnte ich aber nicht.

    Es wird wirklich Zeit in Studium und Schule Bundesweit einheitliche Ansätze zu finden.

    Das die Fakultäten und das Präsidium der hier erwähnten Uni`s sich zu so einem Kuhhandel bereit erklären lässt mich stark an der Autonomie der sächsischen Hochschulen zweifeln. Aber man darf ja nicht vergessen, dass mehr Absolventen auch mehr Geld für die Uni`s bedeuten. Also wie schon Gutti gezeigt hat, die Bildungsinflation ist im vollen Gange und ich kann Eltern nur raten, schon in der Grundschule am Bildungsprozess der Kinder zu partizipieren und nicht alle Last den Lehrern aufzubürden.

  • A
    Antje_DD

    für den kurzfragebogen gibt es 1,50. die methodik der befragung lässt sehr zu wünschen übrig. und wer kommt eigentlich für die anfallenden telefongebühren auf die zur terminvereinbarung oftmals anfallen?

     

    das es einen mangel an freiwilligen gibt lässt sich nahvollziehen. dass dies ein studentenJob ist auch. aber als lehrmethode dekbar ungeeignet.

    erheben kann jeder..das auswerten sind die dinge die man als student lernen sollte

  • HO
    Hintertür oder Tatenschutz

    Wenn ich schon auf dem Fragebogen lese, daß der "Datenschutz" beachtet wird, dann frage ich mich, was diese Studenten mit den gesammelten persönlichen Daten überhaupt anfangen dürfen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesdatenschutzgesetz

  • S
    Sozi

    "Der betreuende Professor Michael Häder dagegen spricht von einem "guten Lerneffekt" und einer "tollen Möglichkeit" für die Studenten. Sie würden lernen, wie Befragungen in der Praxis ablaufen."

     

    ..... vollkommen richtig, während des Soziologiestudiums auch mal mit Leuten zu reden und nicht nur über sie.

    Und zu beweisen, dass man außer Soziologendeutsch noch eine andere Sprache kann, nämlich gut verständliches Deutsch.

  • OS
    Oiver Schumacher

    Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass zumindest ich als Erhebungsbeauftragter im Kreis Märkisch-Oderland (Brandenburg) nicht 10,- EUR für ein geführtes Interview mit komplett ausgefülltem Fragebogen erhalte, sondern nur 7,50 EUR. Für einen nicht vollständig ausgefüllten Fragebogen - falls die Auskunft in bestimmten Punkten oder gar ganz verweigert wird - oder im Falle eines Selbstausfüllers sowie nicht angetroffenen Personen erhalte ich nur 2,50 EUR je erhobener Person. Und das ganze abzüglich der Selbstkosten, die natürlich auch anfallen. Letztlich handelt es sich dabei ja per Definition aber auch nur um eine Aufwandsentschädigung.

     

    Da ich selbst Student bin, könnte ich mir grundsätzlich auch vorstellen, diese Erhebungen für Creditpoints durchzuführen, befürworte jedoch die Wahlmöglichkeit zwischen Creditpoints und finanzieller Aufwandsentschädigung. Lerneffekt und Erfahrungsgewinn sind in jedem Fall groß, also sind diese Zensus-Erhebungen insbesondere für Soziologiestudenten - aber auch für andere - von durchaus enormer Bedeutung, wovon auch die Ausbildung sozialer Kompetenz profitieren sollte!

  • N
    Name

    Und so was nennt sich dann Angleichung der Studiengänge in der EU durch einheitliche Bewertung durch Credit-Points.

  • KG
    Karl-Heinz G

    Nicht 10 - sondern 5 EURO gibt es pro Interview.

  • Z
    Zensusfreak

    Also das schlägt dem Fass den Boden aus. Das ist Diktatur und Faschismus pur. Studenten wehrt euch, weigert euch. Das ist eindeutig nicht mit Recht und Grundgesetz vereinbar.

  • T
    taha

    Gute Idee, und wenn ich ganz Dresden und Leipzig noch dazu zähle, bekomme ich dann dafür den Doktortitel?... :-)

  • S
    Schulz

    Wieviel Mehreinnahmen hat der Prof Gaebler

    und oder der Staat durch die kostenfrei arbeitenden zwangsverpflichteten Studenten?

    Manche werden diesen Stress psychisch nicht verkraften oder andere Studienrichtungen waehlen.

     

    Schon im AT (alten Testament) wird Volkszaehlung

    von Gott bestraft.

    Deshalb ... bezweifle ich, ob Deutschland bessere Volkszaehlungen fehlerfrei vor Gott hinbekommt.

     

    Solange wir keine glaesernen Regierungen und Behoerden haben, ...

    braucht der Rest nicht volkszaehlen.

  • E
    EnzoAduro

    Die Studenten sollen sich freuen, sparen Sie doch durch nicht vorhandene Studiengebühren 500 Euro im Jahr. Und das bei niedriegen Lebenshaltungskosten in Sachsen. Und bei in der Regel exzellenten Studienbedingungen. Sachsen buttert also viel Geld in die akademische Ausbildung. Da kann man doch mal was zurückgeben. Und wenn man im Studium andauern Statistiken auswertet, kann man doch auch mal welche erstellen.

  • AS
    Auch Studi

    Und, wie viel Credit Points gibt es dafür?

    Schade, dass das nicht dabei steht.

  • P
    Paul

    ich würde gegen jeden einzelnen Punkt vor Gericht ziehen.... und gewinnen!

  • JR
    jan reyberg

    Indem man Studenten durch die Städte jagt, damit sie rausfinden, dass das einen Aufwand bedeutet, kann man sicher schön die "Akademikerquote" steigern ohne groß in Bildung zu investieren.

     

    So kommt man dann auch auf den OECD-Schnitt. Ich schlage vor auch noch CP gegen Altenpflege, Straßenreinigung und Bundeswehreinsätze zu tauschen. CPs als Ersatzwährung! Großartig. Selbst eine Inflation hat schon eingesetzt! Demnächst kann man den EUR/CP-Wechslkurs in der Zeitung lesen. Auf Bali lassen sich ja im Rahmen eines Auslandssemesters bekanntlich Euro auch super in CPs umwandeln...

    Das Problem an der CP-Inflation ist nur, dass jetzt alle promovieren (und im Internet publizieren) müssen, die wirklich akademische Ansprüche nachweisen wollen. Im Medizinstudium, so munkelt man, ist die Promotion schon inklusive und kann gegen etwas Fleißarbeit getauscht werden. So muss es schon die Habil. sein, um sich abzusetzen. Inflation ist der neue Megatrend!

     

    Auch Toll: Die Idee bestimmte Aufgaben auf irgendwelche Minderheiten in der Bevölkerung abzuwälzen. Zivis und Bundesfreiwilligendienst anstatt zu offenbaren, wie teuer Pflege und Soziales wirklich sind und dabei noch die Kosten auf die Steuer umzulegen. Ganz ganz toll und auch viel Intransparenter! Nie vergessen: Intransparenz ist immer gut um politisch "gestalten" zu können. Ein Hoch auf das Primat der Politik.

  • R
    reblek

    Warum erklärt Herr Wrusch uns nicht, was "Credit-Points" sind?

  • EN
    Ein Nein-Sager

    Allein das Vorgehen der Uni Dresden reicht doch schon aus, um diese ganze Befragungsaktion zu boykottieren.

  • G
    Gwaelan

    Das mit den zehn Euro stimmt nicht. Zumindest nicht hier in Berlin, vielleicht ist das in anderen Bundesländern anders geregelt. Hier bekommt man jedenfalls für jeden Bogen, den man selbst ausfüllt, 7,50 € und für jeden Bogen, den die Leute im Internet beantworten oder mit der Post schicken, 2,50 €.

    Im Übrigen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Lerneffekt gegen Null tendiert. Man unterhält sich mit netten Menschen, sieht viele unterschiedliche Wohnungen, aber mir fällt gerade kein Studienfach ein, in dem man die so gewonnenen Erkenntnisse verwenden (oder gar einbringen) könnte.

  • M
    Marvin

    Großartig!

     

    __________

     

    Was wird folgen?

     

    - Bundeswehrzwangskriegseinsatzteilnahme für angehende FriedensforscherInnen

     

    - ...

  • T
    Theresa

    Ich fasse es nicht...

     

    Hier nutzt das Land Sachsen ganz klar das Abhängigkeitsverhältnis der Studenten aus. Aber natürlich ist das alles "freiwillig". Die Studenten können ja nächstes Semester eine andere Übung belegen - ein Semester mehr oder weniger, who cares.

     

    Ich hätte auch schon einen Vorschlag für den "Inhalt" der Übung:

     

    "Ubiquität und Normalität staatlicher Ausbeutung - denn geben ist seeliger als nehmen".

     

    Ich bin mir auch sicher, dass es noch genug Arbeit im Freistaat Sachsen gibt die man gern "ehrenamtlich" oder noch besser "zu Studienzwecken" vergeben möchte. Der geeignete Professor steht meines Erachtens auch schon fest...Besonders schön fand ich von dem betreffenden "Akademiker" die Erwägung, dass es doch unfair den Studenten anderer Semester gegenüber wäre, wenn die derzeitigen Studenten für ihre Arbeit entlohnt würden.

     

    Ich nehme an es ist denn auch unfair den anderen Professoren gegenüber, wenn Sie Herr Prof. X für Ihre "Betreuung" des Kurses entlohnt würden. Aber wahrscheinlich kann man das nicht vergleichen...

  • R
    RatRex

    Das ist doch Gang und Gäbe an den Unis.

     

    Ich habe Befragungen für eine Doktorarbeit gemacht und mehrfach statistische Erhebungen, Kartierungen, der Gebäudenutzungen in der größeren Umgebung der Uni. Über die Ermittelten Daten haben immer wieder verschiedenen Professoren Veröffentlichungen von gemacht.

     

    Wiedereinmal ein Beweis für die schlechten Lehrbedingungen in Deutschland. Aber das ist ja wohl hinlänglich bekannt.