Studie zur katholischen Kirche: Tausendfache sexuelle Übergriffe
Eine Studie zu sexuellem Missbrauch wurde vorab bekannt: Die katholische Kirche hat Fälle über Jahrzehnte vertuscht. Opfer kommen noch immer nicht zu Wort.
Laut Spiegel waren mehr als die Hälfte der Opfer zum Tatzeitpunkt maximal 13 Jahre alt, in etwa jedem sechsten Fall kam es zu einer Vergewaltigung. Es bestehe außerdem Grund zu der Annahme, dass der Missbrauch weiter andauere, zitiert der Spiegel aus der Studie.
Die Zeit berichtete, von den 1.670 Beschuldigten sei nur gegen 566 ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet worden, 154 davon hätten ohne Strafe oder Sanktionen geendet. In 103 Fällen habe es eine Ermahnung gegeben, nur gegen knapp 38 Prozent der Beschuldigten sei Strafanzeige gestellt worden, meist von den Betroffenen oder ihren Familien. Repräsentanten der Kirche haben laut Zeit nur in 122 Fällen die weltliche Justiz eingeschaltet, das entspricht 7,3 Prozent der Beschuldigten.
„Die Bereitschaft der Kirche, Fälle des sexuellen Missbrauchs mit den eigenen dafür vorgesehen Verfahren zu untersuchen und Beschuldigte gegebenenfalls einer kirchenrechtlichen Bestrafung zuzuführen“, sei in Anbetracht der Befunde „als nicht sehr ausgeprägt anzusehen“, zitiert die Zeit aus dem Bericht.
Hinweise auf Aktenmanipulation
Zugleich stelle die Untersuchung strukturelle Mängel fest. „In einigen Fällen fanden sich eindeutige Hinweise auf Aktenmanipulation“, zitiert die Wochenzeitung aus der Studie. In zwei Bistümern seien Akten mit Bezug auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger in früherer Zeit vernichtet worden. Die Forscher hätten außerdem dokumentiert, dass sie selbst nie in die Archive der Bistümer durften: „Das Forschungsprojekt hatte keinen Zugriff auf Originalakten“, heißt es laut Zeit. Alle Archive und Dateien der Diözesen seien von deren eigenem Personal durchgesehen worden.
Der „Eckige Tisch“ sieht darin einen Beleg dafür, dass die katholische Kirche in Deutschland wie ihre Schwesterkirchen in den USA, Australien oder Irland „in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt“ ist. Zugleich kritisierte Sprecher Matthias Katsch, dass es keine Opfer-Aussagen gebe. Nötig sei deshalb eine umfassende, unabhängige Untersuchung.
„Dafür muss die Kirche den direkten Zugang zu ihren Akten und Archiven bereitstellen“, verlangte Katsch. Zu erwartende Entschuldigungserklärungen blieben so lange unglaubwürdig, „wie die Bischöfe sich nicht zu einer umfassenden Aufarbeitung und damit verbunden der Zahlung von angemessenen Entschädigung für das Versagen ihrer Institution bereiterklären“.
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte 2014 die Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ an ein Forschungskonsortium unter Leitung von Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim vergeben. Beteiligt sind auch das Kriminologische Institut und das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg sowie der Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen.
Für die Studie werteten die Wissenschaftler laut Spiegel 38.000 Personal- und Handakten aus allen 27 katholischen Diözesen aus. 2016 hatte die Gruppe einen Zwischenbericht vorgestellt, im Juni 2017 verlängerte die Deutsche Bischofskonferenz die Untersuchung. Die abschließenden Ergebnisse will sie am 25. September auf ihrer Herbstvollversammlung in Fulda vorstellen.
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