Studie zur Lehrtätigkeit: Lehrer klagen über Schüler
Jeder zweite Lehrer glaubt, dass der eigene Beruf anstrengender geworden ist. Sie fühlen sich unzureichend auf Schüler vorbereitet und müssten Aufgaben der Eltern übernehmen.
BERLIN taz | Im Fach Chancengleichheit erhielten deutsche Schulen aus Sicht der LehrerInnen eine glatte Sechs: 90 Prozent der Lehrer glauben jedenfalls, dass die soziale Schicht des Elternhauses maßgeblichen Einfluss auf die Schulleistungen des Kindes hat. Dies geht aus einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Vodafone-Stiftung hervor. „Bildungsforschung und Erfahrungen der Lehrkräfte stehen hier im Einklang“, kommentierte Erziehungswissenschaftler Ulrich Trautwein die am Dienstag veröffentlichten Ergebnisse.
Für die Studie mit dem klangvollen Titel „Lehrer in Zeiten der Bildungspanik“ befragte das Allensbach-Institut bundesweit rund 550 Lehrkräfte von Grund- und und weiterführenden Schulen. Gespiegelt wurden ihre Antworten mit Meinungen von Eltern und aus der Bevölkerung.
Während etwa mehr als ein Viertel der Eltern glaubt, dass die Lehrer Schüler auch durch die soziale Brille betrachten und Schüler aus einfachen Verhältnissen bei der Benotung benachteiligen, meint nur jeder zehnte Lehrer, dass das Elternhaus eines Kindes die Notengebung der Kollegen beeinflusst. Ein Eindruck, der jedoch einer anderen Studie der Vodafone-Stiftung „Herkunft zensiert“ widerspricht. „Aus Sicht von Wissenschaftlern würde man sagen, Lehrer haben eine Fehlwahrnehmung, was ihre Benotung angeht“, meint der Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung, Mark Speich.
Baustelle Durchlässigkeit
Widersprüchlich ist auch ein weiteres Resultat der Befragung: So finden vor allem LehrerInnen im Westen ein mehrgliedriges Schulsystem mit Gymnasien und anderen Schulformen besser als eine weiterführende „Einheitsschule“. Gleichzeitig beurteilen zwei Drittel aller Befragten die Möglichkeiten für gute Schüler, nach Klasse sieben noch in höhere Schulformen aufzusteigen, als schwierig. „Die Durchlässigkeit des Schulsystems ist eine Baustelle“, räumt Heinz-Peter Meidinger vom Philologenverband, dem Interessenverband der Gymnasiallehrer, ein.
Kritik übten viele befragte Lehrer an ihrer Ausbildung. So fühlt sich jeder zweite unzureichend auf den Beruf vorbereitet; überrascht sind offenbar viele, wenn sie dann auf leibhaftige Schüler stoßen. 40 Prozent der Junglehrer, die ihre Ausbildung bemängeln, geben an, dass sie sich unzureichend auf den Umgang mit Schülern und Eltern vorbereitet fühlen.
Jede zweite Lehrer glaubt, dass das Unterrichten in den letzten zehn Jahren schwieriger geworden ist. Ein wichtiger Grund für die mangelnde Attraktivität ihres Berufs ist nach Ansicht der Pädagogen, dass die Schule immer mehr Aufgaben des Elternhauses übernehmen müsse.
Besonders Lehrer an Haupt-, Real- und Sekundarschulen, also Schulformen, die jenseits des Gymnasiums existieren, beschweren sich über zunehmende Belastungen. Fast 60 Prozent von ihnen geben an, dass Motivation und Disziplin der Schüler schlecht seien, bei den Kollegen am Gymnasium findet das nur ein Drittel. Immerhin: bei fast der Hälfte der Lehrer überwiegt die Freude am Beruf, am deutlichsten bei GrundschullehrerInnen.
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